Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebliche Altersvorsorge. Altersvorsorgungsversicherung. Versorgungszusage. Versorgungsanspruch. Versorgungsverpflichtung. Altzusage. Beitrittsgebiet. Unverfallbarkeit. Betriebszugehörigkeit. Dienstzeiten. Dauer. Berechnung. Anrechnung. Vorstandsvorsitzender. Produktionsgenossenschaft. Arbeitnehmer. Nichtarbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

a) Eine nach In-Kraft-Treten des BetrAVG gem. Anl. I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 16 EinigVtr im Beitrittsgebiet gegebene Versorgungszusage ist auch dann wirksam "erteilt", wenn durch sie eine bereits vor diesem Zeitpunkt übernommene Versorgungsverpflichtung ("Altzusage") mit dem Willen bestätigt wird, Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (erneut) zu begründen (i. Anschl. an BAG v. 24.3.1998 - 3 AZR 778/96, BAGE 88, 205).

b) Ist eine Versorgungszusage im Beitrittsgebiet nach dem 31.12.1991 wirksam erteilt worden, so sind im Rahmen der Feststellung der Unverfallbarkeit bei der Dauer der Betriebszugehörigkeit auch die vor der Inkraftsetzung des BetrAVG in demselben Betrieb vom Zusageempfänger zurückgelegten Dienstzeiten zu berücksichtigen.

c) Der Vorstandsvorsitzende einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) der früheren DDR war kein Arbeitnehmer i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 BetrAVG. Er fiel jedoch bei einer nur geringfügigen Genossenschaftsbeteiligung und nicht ausschlaggebender Leitungsmacht als sog. Nichtarbeitnehmer in den Schutzbereich des § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1, 17 Abs. 1 (Fassung: 16.12.1997); EinigVtr Anl. I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 16

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 10.07.2003; Aktenzeichen 14 U 3/03)

LG Köln

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Köln v. 10.7.2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1.5.1962 mit einem Genossenschaftsanteil von ca. 3,3 % Mitglied der Produktionsgenossenschaft des Handwerks "E." (nachfolgend: PGH) in W. (Sachsen); ab dem 26.2.1973 war er zugleich Vorsitzender ihres Vorstandes. Am 19.12.1990 wurde die PGH in die E. GmbH (nachfolgend: GmbH) umgewandelt. Der Kläger, dessen Beteiligungsquote unverändert blieb, wurde auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages v. 1.1.1991 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Unter dem 25.10./29.11.1991 schloss die GmbH, vertreten durch den Kläger, mit der H. Versicherungs-AG zum Zwecke der Altersversorgung sämtlicher Gesellschafter mit deren schriftlicher Einwilligung einen Gruppendirektversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn am 1.12.1991 ab. Am 6.12.1991 beschloss der Beirat der GmbH, dass für alle Gesellschafter, einschließlich des Geschäftsführers, mit der H. Versicherungs-AG - deren Vertreter auf der Beiratssitzung anwesend waren - eine Gruppendirektversicherung zur Altersvorsorge der Gesellschafter abgeschlossen werden solle und ein entsprechender Antrag umgehend gestellt werde. Sämtliche Gesellschafter erhielten Versicherungsausweise der H. Versicherungs-AG, außerdem wurden ihnen in der Gesellschafterversammlung v. 10.4.1992 ausweislich des Versammlungsprotokolls gleich lautende Erklärungen zur Direktversicherung ausgehändigt; auch der Kläger erhielt eine solche, von ihm am 9.4.1992 namens der GmbH unterzeichnete "Bestätigung der betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktversicherung", in der unter Bezugnahme auf den Einigungsvertrag mit Wirkung v. 1.1.1992 die mit dem Abschluss der Versicherung übernommene Versorgungsverpflichtung auf der Grundlage des an diesem Tag in den neuen Bundesländern in Kraft getretenen BetrAVG bestätigt wurde. Am 3.5.1999 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet; aus diesem Grunde wurde das Dienstverhältnis des Klägers zum 31.10.1999 beendet.

Da der beklagte P.-Verein das ordnungsgemäße Zustandekommen einer Versorgungszusage bestritt und auch im Übrigen seine Einstandspflicht nach dem BetrAVG in Abrede stellte, erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass der Beklagte ihm zu Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung verpflichtet sei. Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Berufung des Beklagten mit der präzisierenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Leistungspflicht des Beklagten dem Kläger ggü. auf Grund der von der GmbH erteilten Versorgungszusage in Gestalt der Direktversicherung bei der H. Versicherungs-AG festgestellt wird. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der - vom OLG zugelassenen - Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat im Rahmen des Feststellungsbegehrens des Klägers zu Recht eine Leistungspflicht des Beklagten auf Grund der von der GmbH dem Kläger erteilten Versorgungszusage in Gestalt der Direktversicherung bei der H. Versicherungs-AG gem. §§ 7 Abs. 1, 2, 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG (i.d. bis 31.12.2000 geltenden Fassung) i.V.m. §§ 1b, 30 f BetrAVG (i.d. ab 1.1.2001 geltenden Fassung - n.F. -) bejaht.

I. Die dem Kläger - wie auch allen anderen Gesellschaftern - von der GmbH in Gestalt der als Gruppenversicherung bei der H. Versicherungs-AG abgeschlossenen Direktversicherung erteilte Versorgungszusage ist - wie das Berufungsgericht in revisionsrechtlich einwandfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt hat - jedenfalls auf Grund der Billigung des Vertragsschlusses durch die Gesellschafterversammlung v. 10.4.2002 wirksam zu Stande gekommen.

Nach Kap. III Art. 8 i.V.m. Anl. I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 16 lit. a und b des Einigungsvertrages (EinigVtr) v. 31.8.1990 (BGBl. II, 889 ff.) fällt allerdings im Beitrittsgebiet eine Versorgungszusage nur dann unter den zeitlichen Geltungsbereich des dort erst am 1.1.1992 in Kraft getretenen BetrAVG, wenn sie nach dem 31.12.1991 erteilt wurde. Daher hätte weder der Abschluss des Gruppen-Direktversicherungsvertrages mit Versicherungsbeginn am 1.12.1991 (vgl. die Fiktion in § 1 Abs. 2 S. 4 BetrAVG a.F. bzw. § 1b Abs. 2 S. 4 BetrAVG n.F.) noch der auch in das Jahr 1991 fallende Beiratsbeschluss über den Abschluss einer solchen Altersversorgungsversicherung zu Gunsten sämtlicher Gesellschafter für sich genommen ausgereicht, um daraus gültige Versorgungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten nach dem BetrAVG herzuleiten.

Auf diese Ereignisse vor dem maßgeblichen Zäsurzeitpunkt (1.1.1992) kommt es jedoch - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht entscheidend an, weil die GmbH durch die sämtlichen Gesellschaftern, auch dem Kläger, auf der Gesellschafterversammlung ausgehändigten Bestätigungserklärungen zur betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktversicherung - offenbar in Kenntnis der Wirksamkeitsproblematik - mit Wirkung ab 1.1.1992 die mit dem Abschluss der Versicherung übernommene Versorgungsverpflichtung ausdrücklich schriftlich "bestätigt" hat. Eine nach dem In-Kraft-Treten des BetrAVG in den neuen Bundesländern gegebene Zusage ist grundsätzlich unabhängig davon gültig, ob sie - wofür hier vieles spricht - als Neuerteilung einer Zusage oder als Bestätigung einer bereits vor dem Zäsurzeitpunkt übernommenen Verpflichtung anzusehen ist, weil auch im letzteren Fall aus der schriftlichen Erklärung eindeutig hervorgeht, dass sich die GmbH jedenfalls mit Wirkung ab dem 1.1.1992 (erneut) zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung verpflichten wollte (vgl. zur Zulässigkeit einer derartigen Bestätigung: BAG v. 24.3.1998 - 3 AZR 778/96, BAGE 88, 205 [208]). Allerdings bedurfte die von der GmbH, vertreten durch den Kläger als ihren Geschäftsführer, diesem erteilte Altersversorgungszusage unabhängig davon, dass der Kläger nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war, noch der Zustimmung der Gesellschafterversammlung als dem für den Anstellungsvertrag einschließlich der Regelungen der Altersversorgung zuständigen Gesellschaftsorgan. Eine solche Zustimmung hat das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem LG - in vertretbarer tatrichterlicher Würdigung aus der im Einverständnis aller Gesellschafter erfolgten Aushändigung der Bestätigungserklärungen über die betriebliche Altersversorgung an alle Gesellschafter - unter Einschluss des Klägers - am 10.4.1992 gesehen. Für diese Auslegung haben die Vorgänge der Beschlussfassung des Beirats über die Einführung der Altersversorgung durch Abschluss der Gruppenversicherung für alle Gesellschafter sowie der Abschluss dieser Versicherung selbst mit der erklärten Zustimmung aller Gesellschafter aus dem Jahre 1991 lediglich indizielle Bedeutung dahingehend, dass sie das von Anfang an bestehende und in der Gesellschafterversammlung v. 10.4.2002 fortdauernde Einverständnis aller Gesellschafter mit dem Abschluss einer inhaltlich gleich lautenden Direktversicherung als Altersversorgung für sämtliche Gesellschafter unter Einschluss des Klägers in seiner Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer zum Ausdruck bringen.

Demgegenüber ist die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe diesbezüglichen streitigen Sachvortrag des Beklagten im Hinblick auf das Zustandekommen der Versorgungszusage in einer das rechtliche Gehör verletzenden Weise übergangen, offensichtlich unbegründet. Abgesehen davon, dass die einzelnen Umstände der tatrichterlichen Würdigung erstinstanzlich nicht streitig waren und durch die bloße Inbezugnahme erstinstanzlichen Vorbringens in der Berufungsbegründung auch nicht streitig geworden sind, haben sich sowohl das LG als auch das OLG mit den allenfalls hinsichtlich der Rechtsfolge umstrittenen Umständen im Rahmen der Bewertung der Vorgänge in der maßgeblichen Gesellschafterversammlung v. 10.4.1992 revisionsrechtlich einwandfrei auseinander gesetzt.

II. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die solchermaßen wirksam zu Gunsten des Klägers im Jahre 1992 zu Stande gekommene Versorgungszusage unverfallbar geworden ist, weil sie bei Eintritt des Versorgungsfalles mindestens drei Jahre bestanden hat und zugleich die weitere Voraussetzung einer zwölfjährigen Betriebszugehörigkeit gegeben ist (vgl. §§ 30 f, 1b BetrAVG n.F.; § 1 BetrAVG a.F.).

Der Kläger hat zwar die mindestens zwölfjährige Betriebszugehörigkeit nicht in vollem Umfang bei der GmbH selbst erfüllt, weil diese erst im Jahre 1990 durch (formwechselnde) Umwandlung aus der früheren PGH nach der PGHVO v. 8.3.1990 (GBl. I, 164) entstanden ist. Bei der Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit ist jedoch - entgegen der Ansicht des Beklagten - die langjährige Tätigkeit des Klägers als Vorsitzender des Vorstands der PGH als Rechtsvorgängerin der GmbH zu berücksichtigen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sind weder dem Wortlaut noch dem Zweck der gesetzlichen Regelung in Anl. I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 16 lit. a und b EinigVtr Einschränkungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 1 bis 18 ff. BetrAVG auf wirksam nach dem 1.1.1992 erteilte Versorgungszusagen zu entnehmen.

1. Die Maßgaben des Einigungsvertrages zum In-Kraft-Treten des BetrAVG knüpfen schon vom Wortlaut her die Anwendbarkeit der §§ 1 bis 18 BetrAVG lediglich an den Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage, so dass sich bei der Berechnung der Unverfallbarkeit der Zusage die Dauer der Betriebszugehörigkeit auch auf die vor der Inkraftsetzung des Gesetzes im Beitrittsgebiet in demselben Betrieb zurückgelegten Dienstzeiten erstreckt. Irgendwelche beschränkenden Übergangsregelungen finden sich in dieser Hinsicht in Nr. 16c Anl. I EinigVtr nicht; im Gegenteil sind die §§ 26 bis 30 BetrAVG, die sowohl beschränkende als auch "erweiternde" Übergangs- und In-Kraft-Tretensregelungen für das bisherige bundesrepublikanische BetrAVG enthielten, nicht anwendbar. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es nicht etwa besonderer Regelungen, um die Anrechnung von Betriebszugehörigkeitszeiten aus der Zeit des Bestehens der DDR zu ermöglichen. Dafür spricht insb. nicht der Umstand, dass in Maßgabe Nr. 16b 2. Halbs. Anl. I EinigVtr die Nachversicherung gem. § 18 Abs. 6 BetrAVG von Zeiten vor dem 1.1.1992 ausgeschlossen ist. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine nur die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst betreffende Sonderregelung; daraus lässt sich nicht zwingend ein Wille des Gesetzgebers entnehmen, die Geltung der Regelungen des BetrAVG in ihrer zeitlichen Dimension generell, also auch bezüglich der Anrechnungsfähigkeit in der DDR zurückgelegter Betriebszugehörigkeitszeiten, zu beschränken.

2. Auch dem Zweck der Sonderregelung des Einigungsvertrages über das - im Verhältnis zum überwiegenden sonstigen bundesrepublikanischen Recht - spätere In-Kraft-Treten des BetrAVG im Beitrittsgebiet lassen sich keine sicheren Anhaltspunkte für einen Willen des Gesetzgebers entnehmen, bei nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes erteilten wirksamen Versorgungszusagen die Anwendung der Bestimmungen des BetrAVG etwa zusätzlich hinsichtlich der zeitlichen Dimension einzuschränken. Nach der Gesetzesbegründung dienten die beschränkenden Regelungen der Maßgabe Nr. 16 lit. a und b des Einigungsvertrages dazu, "unkalkulierbare Risiken aus bestehenden Versorgungszusagen" zu vermeiden (Erläuterungen v. 10.9.1990, BT-Drucks. 11/7817, 138). Hintergrund hierfür war, dass während der Verhandlungen über den Einigungsvertrag zum einen ungewiss war, in welchem Umfang im Beitrittsgebiet betriebliche Versorgungszusagen überhaupt existierten; zum anderen war noch nicht abzusehen, in welchem Maße Betriebe mit solchen Versorgungszusagen nach der Herstellung der Rechtseinheit insolvenzgefährdet sein würden. Mit der Begrenzung der Geltung des BetrAVG auf ab dem Jahre 1992 erteilte Versorgungszusagen wurde also vornehmlich der Sorge Rechnung getragen, auf den P.-Verein könnte andernfalls eine große Zahl von Insolvenzfällen mit vielen zu sichernden Versorgungszusagen - möglicherweise ohne äquivalente Beitragszahlungen - zukommen. Dieses Risiko wird durch die Neuregelung im Wesentlichen dadurch begrenzt, dass die betreffenden Unternehmen selbst entscheiden, ob sie derartige "Versorgungsaltlasten" durch Neuerteilung/Bestätigung zu Grunde liegender Zusagen übernehmen wollen, wobei als Sicherheitsspanne für den frühesten Beginn der Unverfallbarkeit von Gesetzes wegen jedenfalls der Dreijahreszeitraum seit der neuen, frühestens ab Beginn des Jahres 1992 gültigen Zusage anzusehen ist. Für derartige nach dem Zäsurzeitpunkt wirksam bestätigte "Altzusagen" ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich das BetrAVG auch im Sinne einer (unechten) Rückwirkung in Bezug auf die Verpflichtung zur Anpassung gem. § 16 BetrAVG anzuwenden (BAG v. 24.3.1998 - 3 AZR 778/96, BAGE 88, 205 [207 f.] - unter Nr. II).

Können aber bereits in der DDR erteilte Versorgungszusagen über den Weg der Neuerteilung Wirksamkeit erlangen und kommen damit praktisch die dort zurückgelegten Zeiten auch hinsichtlich der Frage der Unverfallbarkeit zur Anrechnung, so wäre es aus Gründen der Systemgerechtigkeit schwerlich vertretbar, wenn man dies bei erstmals erteilten ("neuen") Zusagen desselben, nur formwechselnd umgewandelten Rechtsträgers im Hinblick auf die Anrechnung alter Betriebszugehörigkeitszeiten verneinen wollte. Die Entscheidung des Unternehmens, die Zusage neu zu erteilen oder zu erneuern, bedeutet in beiden Fällen die Anerkennung der Betriebstreue durch Zusage einer Altersversorgung. Dem steht nicht entgegen, dass allein durch die Entscheidung des Unternehmens letztlich dem P.-Verein zahlreiche unkalkulierbare oder zusätzliche Insolvenzrisiken aufgebürdet werden könnten; eine derartige Belastung des Sicherungsträgers ist vielmehr als Folge der gesetzlichen In-Kraft-Tretensregelung des Einigungsvertrages hinzunehmen. Im Übrigen ist in Bezug auf dieses Risiko ein sachlicher Unterschied zu sonstigen, im "alten" Geltungsbereich des BetrAVG zu Stande gekommenen "normalen" Zusagen, der eine Differenzierung rechtfertigen würde, nicht zu erkennen. Korrektiv ist in beiden Fällen die Missbrauchsregelung des § 7 Abs. 5 BetrAVG, nach der der P. -Verein Leistungen verweigern kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Zusage im Hinblick auf seine Eintrittspflicht erteilt worden ist. Eine solche Annahme ist insb. dann gerechtfertigt, wenn schon im Zeitpunkt der Zusageerteilung Zweifel an der Erfüllbarkeit der Versorgungszusage wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse des Unternehmens begründet waren. Für eine derartige Konstellation besteht allerdings im vorliegenden Fall - schon mit Rücksicht auf den zeitlichen Abstand bis zu der späteren Insolvenz der GmbH - kein Anhaltspunkt.

III. Der Kläger fällt nicht nur hinsichtlich seiner Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der GmbH, sondern auch schon mit seiner früheren Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der PGH in den persönlichen Geltungsbereich des § 17 Abs. 1 BetrAVG.

1. Bei der GmbH war der Kläger in seiner Eigenschaft als Gesellschafter-Geschäftsführer zwar kein Arbeitnehmer i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 BetrAVG; er galt aber als - einem Arbeitnehmer versorgungsrechtlich gleichzustellender - sog. Nichtarbeitnehmer i.S.d. Satzes 2 dieser Vorschrift. Als geringfügig (mit nur ca. 3,3 %) beteiligter Minderheitsgesellschafter mit nicht ausschlaggebender Leitungsmacht war er nicht etwa einem "Unternehmer" gleichzusetzen, sondern unterfiel dem Schutzbereich der Norm (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1980 - II ZR 224/79, AG 1981, 45 = MDR 1981, 29 = ZIP 1980, 778 [779]: Beteiligung von 8 % ist als "nicht erheblich" einzustufen).

2. Auch in der Zeit vor der Umwandlung war der Kläger als Genossenschaftsmitglied der PGH und zugleich deren Vorstandsvorsitzender kein Arbeitnehmer i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 BetrAVG (vgl. BAG, Urt. v. 13.6.1996 - 8 AZR 20/94, NZA 1997, 542 unter eingehender Begründung der Ablehnung der Arbeitnehmerstellung solcher Genossenschaftsmitglieder nach dem Recht der DDR; vgl. auch BAG v. 16.2.1995 - 8 AZR 714/93, BAGE 79, 193 = MDR 1995, 1148 - zur Ablehnung eines Arbeitsverhältnisses der LPG-Mitglieder).

Bei wertender Betrachtung ist jedoch die Rechtsposition des Klägers als Mitglied der PGH und deren Vorstandsvorsitzender ebenfalls als die eines Nichtarbeitnehmers i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG anzusehen. Nach den zutreffenden Feststellungen des LG war der Kläger vor dem Rechtsformwechsel an demselben, seinerzeit als PGH organisierten Unternehmen mit derselben Quote geringfügig beteiligt und seit dem 26.2.1973 zugleich dessen Vorstandsvorsitzender. Dass er seinerzeit etwa - abweichend von seiner späteren Stellung als Geschäftsführer der GmbH - besondere Leitungsmacht innegehabt hätte, die ihn trotz seiner damals genauso geringfügigen Beteiligung gleichwohl als Unternehmer qualifiziert hätte, ist - schon wegen der gesellschaftlichen Beschränkungen der Unternehmensfreiheit in der DDR - nicht ersichtlich. Gemäß § 15 des Musterstatuts für die PGH v. 21.2.1973 (GBl. 1973, 121) war er im Gegenteil als Vorstand lediglich ausführendes Organ der Mitgliederversammlung und Leiter der PGH auf der Grundlage der Rechtsvorschriften, des Statuts und der Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Er hatte nach dem Grundsatz der Kollektivität und der vollen persönlichen Verantwortung seiner Mitglieder zu arbeiten; zudem bestand der Vorstand aus mindestens drei Mitgliedern. Da die PGH-Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden in vielen Bereichen sogar ähnlich einem werktätigen Arbeitnehmer behandelt, insb. ihre Arbeitsbedingungen wie auch die Vergütung u.Ä. sogar einzelvertraglich durch schriftliche Vereinbarung festgelegt wurden (vgl. Nr. 3.2., 3.4. und 3.6. der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks v. 30.12.1977 - GBl., Sonderdruck Nr. 948 -), konnte der Kläger - auch soweit seine eigene Position betroffen war - nicht nach freiem unternehmerischen Ermessen (vgl. zu diesem Kriterium: BGH v. 9.6.1980 - II ZR 255/78, BGHZ 77, 233 = GmbHR 1980, 266 = MDR 1980, 1000), sondern nur in Abhängigkeit von vorgegebenen gesetzlichen Einschränkungen sowie abhängig von dem Statut und von der Mitgliederversammlung als höchstem Organ der Genossenschaft tätig werden.

Einer Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG als sog. Nichtarbeitnehmer steht auch nicht entgegen, dass er seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der PGH nicht auf besonderer vertraglicher Grundlage, sondern auf statutarischer Basis erbracht hat. Ob etwa Tätigkeiten auf gesetzlicher Basis vom Schutzbereich des § 17 BetrAVG generell auszunehmen sind - obwohl das Gesetz zu der Frage schweigt, auf welcher Rechtsgrundlage die Tätigkeit erbracht werden muss (vgl. dazu: Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., § 17 Rz. 78, 79; Höfer, BetrAVG, 2001, § 17 Rz. 3718 ff.) -, kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls kommen nach herrschender Meinung im Schrifttum grundsätzlich alle zulässigen schuldrechtlichen Vertragstypen - einschließlich atypischer Vertragsgestaltungen (§ 311 Abs. 1 BGB) - als zulässige Tätigkeitsgrundlage in Betracht, wobei es sich nicht nur um Dienst-, Geschäftsbesorgungs- und Dienstverschaffungsverträge, sondern auch um Gesellschaftsverträge handeln kann (vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., § 17 Rz. 78 m.w.N.). Um einen derartigen Gesellschaftsvertrag handelt es sich bei dem Statut der PGH, aus dem die Arbeitsverpflichtung des Klägers und der anderen Genossen abgeleitet wurde (vgl. dazu: §§ 10 Abs. 3, 14 Abs. 1, 15 Musterstatut).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1411432

DB 2005, 2588

DStR 2005, 1779

BGHR 2005, 1544

NJW-RR 2005, 1621

NZA-RR 2006, 534

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