Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsverhältnis der LPG-Mitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

  • In der ehemaligen DDR waren Mitglieder von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) nach §§ 29, 31 des Gesetzes über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 2. Juli 1982 (GBl. DDR I S. 443) zur Arbeitsleistung verpflichtet. Ihr Rechtsverhältnis zur LPG war vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzbuches der DDR ausgenommen. Sie waren keine Arbeitnehmer.
  • Diese Rechtslage ist durch den Einigungsvertrag nicht verändert worden.
  • Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410) am 7. Juli 1991 sind die bestehenden Genossenschaftsverhältnisse nach dem LPG-Gesetz kraft Gesetzes mit ex-nunc-Wirkung in Mitgliedschaftsverhältnisse nach dem LPG-Gesetz n.F. und daneben bestehende Arbeitsverhältnisse aufgespalten worden.
 

Normenkette

Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410) Art. 1 Nr. 13; Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410) Art. 1 Nr. 14; Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410) Art. 2; LwAnpG vom 29. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 642) § 43; Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 2. Juli 1982 (GBl. DDR I S. 443) §§ 29, 31; Einführungsgesetz zum Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. DDR I S. 228) § 4; Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 22. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 371) Anlage Nr. 173; Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VI Sachgebiet A Abschn. III Nr. 2; KSchG § 1 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3; BGB § 613a Abs. 4; EGBGB Art. 232 § 5 Abs. 2 Ziff. 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 09.07.1993; Aktenzeichen 10 Sa 4/93)

ArbG Berlin (Urteil vom 28.09.1992; Aktenzeichen 28 Ca 781/92)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 9. Juli 1993 – 10 Sa 4/93 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der im Jahre 1938 geborene Kläger ist Gärtnermeister. Er war seit dem 1. Januar 1975 bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) … im Feldbau beschäftigt. Er war Mitglied dieser LPG. In einer “Arbeitsvereinbarung” waren u.a. Inhalt und Umfang seiner Arbeitsleistung sowie die Vergütung festgelegt. Die Rechte und Pflichten des Klägers sollten sich aus dem Statut der LPG, der Betriebsordnung, der Vergütungsordnung und den übrigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowie im einzelnen aufgeführten Vereinbarungen ergeben.

In einer Versammlung der Mitglieder der LPG wurde im März 1991 der Wahlvorstand zu einer Betriebsratswahl gebildet. Im Mai 1991 fand eine Betriebsratswahl statt. Nachdem der Vorstand der LPG im Beisein der Betriebsratsmitglieder entschieden hatte, dem Kläger und weiteren Mitgliedern der LPG wegen Aufgabe des Feldbaues zu kündigen, hörte er den Betriebsrat mit Schreiben vom 13. Dezember 1991 zur beabsichtigten Kündigung an. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1991 erklärte die LPG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1992, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Zu Beginn des Jahres 1992 erfolgte die Umwandlung der LPG … in die beklagte GmbH, an der der Kläger zu 3,04 % beteiligt ist.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Sozialauswahl und nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Seine Genossenschaftsmitgliedschaft habe der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegengestanden. Er sei weisungsgebunden und in die betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Zumindest aber sei er arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 1991 noch durch sonstige Beendigungsgründe aufgelöst ist und unverändert über den 31. März 1992 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, es sei unmöglich gewesen, Mitglied der LPG und gleichzeitig Partner eines Arbeitsverhältnisses derselben LPG zu sein. Die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses bundesdeutscher Definition könnten auf die Arbeitspflichten der LPG-Mitglieder nicht angewendet werden. Die LPG-Mitglieder seien aus dem Geltungsbereich des Arbeitsgesetzbuchs der DDR ausdrücklich ausgenommen gewesen.

Der Betriebsrat sei ein Organ der Mitgliederversammlung und nicht der Arbeitnehmer gewesen und könne nicht an den Maßstäben des Betriebsverfassungsgesetzes gemessen werden. Sowohl Kündigungsschutzgesetz als auch Betriebsverfassungsgesetz seien nicht anwendbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 17. Dezember 1991 mit Ablauf des 31. März 1992 aufgelöst worden.

A. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung könne nicht an den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes gemessen werden, denn ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes habe nicht bestanden.

Mitglieder von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften hätten im Recht der ehemaligen DDR nach §§ 29, 31 des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 2. Juli 1982 (GBl. DDR I S. 443 – fortan: LPG-Gesetz) in einem Rechtsverhältnis eigener Art gestanden, welches nach § 4 des Einführungsgesetzes zum AGB der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. DDR I S. 228 – fortan: EGAGB-DDR) aus dem Geltungsbereich der arbeitsrechtlichen Vorschriften ausgenommen gewesen sei. Nach den Statuten der LPG's habe die Arbeitsvereinbarung der Konkretisierung des Rechts und der Pflicht zur Teilnahme an der Arbeit der Genossenschaftsmitglieder gedient. Durch den Abschluß derartiger Arbeitsvereinbarungen sei das Rechtsverhältnis zwischen dem Mitglied der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft und der Genossenschaft selbst nicht in den Bereich des Arbeitsrechts transformiert worden.

An dieser durch das Recht der DDR vorgegebenen Rechtslage habe sich durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches vom 22. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 371) nichts geändert. Es sei nur um sprachliche Korrekturen, nicht aber um inhaltliche Änderungen gegangen. Das Gleiche gelte für die Streichung des § 4 EGAGB-DDR. Dies werde auch deutlich in der Regelung des § 168 Abs. 1a AFG-DDR, der die Mitglieder von Genossenschaften ausdrücklich in den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer einbeziehe. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wären die Genossenschaftsmitglieder Arbeitnehmer gewesen.

Die Einordnung der Beschäftigungsverhältnisse der Genossenschaftsmitglieder sei durch den Beitritt der DDR nicht verändert worden. Auch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 642 – LwAnpG) und die Novelle zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410) hätten nicht zu einer Umwandlung der Beschäftigungsverhältnisse geführt. Die §§ 43, 43a LwAnpG gingen zwar von einer Trennung von Mitgliedschaft und Arbeitsverhältnis aus, doch könne daraus nicht geschlossen werden, daß die ursprünglichen genossenschaftlichen Rechtsbeziehungen zwischen Mitglied und LPG bezüglich der Erbringung der Arbeitsleistung des Mitglieds nunmehr ohne weiteres als “Arbeitsverhältnisse” im Sinne des (bundesdeutschen) Arbeitsrechts anzusehen seien. Eine solche legislative Umgestaltung von Schuldverhältnissen wäre mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (Art. 2 GG) unvereinbar gewesen.

Auch im bundesdeutschen Recht werde das Arbeitsverhältnis gegenüber Arbeitsleistungen auf “genossenschaftlicher Basis” abgegrenzt.

Die Parteien hätten zwar eine inhaltliche Änderung des Schuldverhältnisses bewirken können, eine solche Änderung könne jedoch nicht angenommen werden. Die Parteien hätten nicht willentlich und in Kenntnis der Umstände das ehedem genossenschaftliche Verhältnis in ein Arbeitsverhältnis umwandeln wollen. Soweit die Parteien Begriffe aus dem Arbeitsrecht verwendet haben, ginge dies auf die Unklarheit bezüglich der rechtlichen Einordnung des Rechtsverhältnisses zurück.

B. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zu folgen.

I. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, denn das Arbeitsverhältnis des Klägers hat zur Zeit der Kündigung noch keinen Bestandsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG genossen.

1. Das Rechtsverhältnis der Parteien ist bereits im Zeitpunkt der Kündigung durch die LPG ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gewesen.

a) Der Kläger hat seine Arbeitsleistung im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr aufgrund einer Verpflichtung aus dem Genossenschaftsverhältnis, sondern aufgrund eines Arbeitsverhältnisses erbracht.

Für die Frage der Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses kommt es darauf an, ob der Beschäftigte seine Arbeitsleistung aufgrund einer Verpflichtung aus dem Genossenschaftsmitgliedschaftsverhältnis erbringt oder nicht (KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 32; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, S. 47). Ergibt sich die Pflicht zur Arbeitsleistung ausschließlich und unmittelbar aus der Mitgliedschaft, ist der Beschäftigte kein Arbeitnehmer. Dies gilt selbst dann, wenn er bei Erfüllung seiner Arbeitsleistung, ähnlich einem Arbeitnehmer, einem Weisungsrecht Folge zu leisten hat (BAG Urteil vom 8. Januar 1970 – 3 AZR 436/67 – BAGE 22, 236 = AP Nr. 14 zu § 528 ZPO; BSG Urteil vom 27. Juli 1972 – 2 RU 122/70 – AP Nr. 4 zu § 539 RVO; BAG Beschluß vom 3. Juni 1975 – 1 ABR 98/74 – BAGE 27, 163 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz).

Die Pflicht der LPG-Mitglieder zur Arbeitsleistung ergab sich vor dem 3. Oktober 1990 aus den §§ 29, 31 LPG-Gesetz sowie dem jeweiligen Statut der LPG. Die LPG-Mitglieder waren “kollektive Eigentümer und Produzenten” (Krauss/Ludewig, NJ 1989, 230) und keine Arbeitnehmer. Das AGB-DDR war nicht auf die Beschäftigungsverhältnisse von LPG-Mitgliedern anwendbar (§ 4 EGAGB-DDR; Krauss, NJ 1978, 17, 19; Kunz/Thiel, Arbeitsrecht, 1986, S. 46; Krauss/Ludewig, NJ 1989, 230). Nach dem 2. Oktober 1990 ergab sich die Arbeitspflicht der LPG-Mitglieder weiterhin aus den §§ 29, 31 LPG-Gesetz, das in der Fassung vom 28. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 483) weitergalt (Anl. II Kap. VI Sachgebiet A Abschn. III Nr. 2 Einigungsvertrag). Die Rechtsnatur der Beschäftigungsverhältnisse der LPG-Mitglieder ist deshalb durch den Einigungsvertrag nicht verändert worden. Die Genossenschaftsmitglieder und damit auch der Kläger erbrachten ihre Arbeitsleistung nach wie vor aufgrund ihres Mitgliedschaftsverhältnisses und nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses. Sie waren keine Arbeitnehmer (vgl. Oetker, BB 1991, 1559, 1560; ders. NJ 1991, 397, 398; Stolze, ZIP 1991, 566, 567).

b) Die genossenschaftliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung entfiel jedoch mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410). Durch dieses Gesetz wurden die §§ 29, 31 LPG-Gesetz ersatzlos aufgehoben (Art. 2). Damit bestand keine genossenschaftliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr.

Eine Pflicht zur Arbeitsleistung ergab sich insbesondere nicht aus der zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvereinbarung. Zweck der Arbeitsvereinbarung war es lediglich, die Rechte und Pflichten aus der Mitgliedschaft, insbesondere die Arbeitspflicht des Genossenschaftsmitglieds zu konkretisieren, nicht jedoch sie zu begründen (vgl. Hähnert/Siegert, NJ 1978, 381, 382; Krauss/Ludewig, NJ 1989, 230, 231).

c) Nach Wegfall der genossenschaftlichen Pflicht zur Arbeitsleistung hat der Kläger seine Arbeitsleistung aufgrund eines kraft Gesetzes begründeten Arbeitsverhältnisses erbracht.

aa) Zwischen den Parteien wurde ein Arbeitsverhältnis nicht rechtsgeschäftlich begründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß ein Arbeitsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent geschlossen worden ist.

bb) Das Arbeitsverhältnis wurde jedoch durch das Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 begründet.

Eine ausdrückliche Regelung der Begründung von Arbeitsverhältnissen ist zwar im Gesetz vom 3. Juli 1991 nicht enthalten. Das Gesetz regelt jedoch den Wegfall der genossenschaftlichen Pflicht zur Arbeitsleistung (Art. 2: Aufhebung der §§ 29, 31 LPG- Gesetz), die Unabhängigkeit von Genossenschaftsmitgliedschaft und Arbeitsverhältnis (Art. 1 Nr. 13: Einfügung von § 43 Abs. 1 Satz 2 in das Landwirtschaftsanpassungsgesetz) und die Anwendbarkeit des Kündigungsrechts auf die Beendigung der Arbeitsverhältnisse (Art. 1 Nr. 14: Einfügung von § 43a Landwirtschaftsanpassungsgesetz). Diese Regelungen sind in ihrer Gesamtheit dahingehend auszulegen, daß mit dem Gesetz vom 3. Juli 1991 eine Aufspaltung der bestehenden Genossenschaftsverhältnisse nach dem LPG-Gesetz a.F. in Mitgliedschaftsverhältnisse nach dem LPG-Gesetz n.F. und daneben bestehende Arbeitsverhältnisse bewirkt worden ist.

(1) § 43 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG ermöglicht es, nunmehr die LPG- Mitgliedschaft zu beenden, ohne daß das Arbeitsverhältnis des Mitglieds zur LPG berührt wird. Diese Regelung hat nur Sinn, wenn in Abänderung der alten Rechtslage eine Aufspaltung des Genossenschaftsverhältnisses in ein Mitgliedschaftsverhältnis und in ein Arbeitsverhältnis vorangegangen ist.

Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. Juli 1991 arbeiteten, wie oben dargestellt, die Mitglieder in Erfüllung ihrer genossenschaftlichen Pflichten. Ein Arbeitsverhältnis, das von einer Beendigung der Mitgliedschaft hätte unberührt bleiben können, gab es nicht. Soweit ausnahmsweise zwischen LPG und Mitglied ein Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertrag neben dem Mitgliedschaftsverhältnis begründet worden sein sollte, war eine Regelung wie die in § 43 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG überflüssig, weil es sich von vornherein um getrennt begründete und voneinander unabhängige Vertragsverhältnisse handelte. § 43 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG hat deshalb nur dann einen sinnvollen Regelungsgehalt, wenn das Mitgliedschaftsverhältnis nach dem LPG-Gesetz a.F. durch das Gesetz vom 3. Juli 1991 in ein Mitgliedschaftsverhältnis nach dem LPG- Gesetz n.F., aus dem keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung erwächst, und in ein Arbeitsverhältnis aufgespalten wurde. Es ist deshalb Aufgabe des § 43 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG, die Unabhängigkeit dieser beiden aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis entstandenen Rechtsverhältnisse klarzustellen.

(2) Auch der neu eingefügte § 43a LwAnpG hat nur bei Annahme kraft Gesetzes begründeter Arbeitsverhältnisse einen sinnvollen Regelungsgehalt und kann nur dann die Absicht des Gesetzgebers realisieren, aus Gründen der strukturellen Anpassung ein Recht zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu begründen (BT-Drucks. 12/161 vom 26. Februar 1991). Kündigungen in einem für die strukturelle Anpassung wesentlichen Umfang würden durch § 43a LwAnpG nicht ermöglicht, wenn er sich nur auf Arbeitsverhältnisse beziehen sollte, die ausnahmsweise durch Arbeitsvertrag zwischen Mitglied und LPG neben dem Mitgliedschaftsverhältnis begründet wurden. § 43a Landwirtschaftsanpassungsgesetz hätte dann keinen nennenswerten Anwendungsbereich.

Ebensowenig besteht Grund zu der Annahme, der Gesetzgeber des Jahres 1991 habe noch die Terminologie der ehemaligen DDR verwenden wollen. In der Terminologie der ehemaligen DDR war der Begriff Arbeitsverhältnis zwar weiter als der des Arbeitsrechtsverhältnisses und umfaßte auch Rechtsverhältnisse, die keine Arbeitsverhältnisse im Sinne der bundesdeutschen Terminologie waren (vgl. Oetker, BB 1991, 1559, 1560), doch wurde diese Rechtsterminologie bereits durch die DDR selbst zum 1. Juli 1990 aufgegeben (Gesetz zur Änderung und Ergänzung des AGB der DDR vom 22. Juni 1990 – GBl. DDR I S. 371 Anlage Nr. 173).

(3) Ebenfalls für eine Aufspaltung des Mitgliedschaftsverhältnisses nach LPG-Gesetz a.F. in ein Mitgliedschaftsverhältnis nach LPG-Gesetz n.F. und in ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes spricht die Unausgewogenheit der Regelungsdichte im Landwirtschaftsanpassungsgesetz. Für die Fragen, die sich aus der Abwicklung der gesellschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Aspekte der Genossenschaftsmitgliedschaft ergeben, enthält das Landwirtschaftsanpassungsgesetz ausführliche Regelungen bis hin zur Übertragung von Milchreferenzmengen und der Beteiligung an Zukkerrübenlieferverträgen. Für die Fragen, die sich aus der Beendigung des der Genossenschaftsmitgliedschaft immanenten Beschäftigungsverhältnisses ergeben, werden hingegen Lösungen nicht angeboten, sondern es wird lediglich auf das Kündigungsrecht hingewiesen. Dieser Verzicht auf eine eigenständige Regelung zeigt, daß der Gesetzgeber hier davon ausging, daß nicht ein Beschäftigungsverhältnis eigener Art, sondern ein Arbeitsverhältnis zu beenden sei, auf das die vorhandenen Regelungen des Arbeitsrechts anzuwenden seien.

(4) Diese Auslegung deckt sich mit der Auffassung des Bundesgerichtshofes, der ebenfalls davon ausgeht, daß die LPG-Mitglieder nach der Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes durch das Gesetz vom 3. Juli 1991 aufgrund von Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden (BGH Beschluß vom 30. April 1992 – BLw 5/92 – BGHZ 118, 179, 181 = ZIP 1992, 808, 809; BGH Beschluß vom 21. Januar 1993 – BLw 45/92 – NJ 1993, 225).

(5) Die Begründung von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes ist wegen der besonderen Regelungsbedürftigkeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat zwar sowohl in die Vertragsfreiheit als auch in die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien eingegriffen. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, denn das gewählte Mittel ist zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet, erforderlich und zumutbar.

Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, im wiedervereinigten Deutschland einheitliche Lebensverhältnisse zu schaffen, indem er die in der ehemaligen DDR gewachsenen Organisationsstrukturen der Landwirtschaft an die gesellschafts-, eigentums- und arbeits- rechtlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland heranführte. Die im Gesetz vom 3. Juli 1991 vorgenommene Aufspaltung des Genossenschaftsverhältnisses nach dem LPG-Gesetz a.F. in ein Arbeitsverhältnis und ein Genossenschaftsverhältnis nach LPG-Gesetz n.F. ist ein geeignetes Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Ein Genossenschaftsverhältnis mit immanenter, gesetzlich begründeter und rechtsgeschäftlich nicht zu beendender Beschäftigungspflicht, wie es nach dem LPG-Gesetz a.F. bestand, ist dem Recht der Bundesrepublik Deutschland und seinem vom Gedanken der Privatautonomie getragenen Verständnis von Beschäftigungsverhältnissen fremd. Durch die Beseitigung der gesetzlichen Beschäftigungspflicht in den §§ 29, 31 LPG-Gesetz a.F. und die Aufspaltung des Genossenschaftsverhältnisses sind die bislang aufgrund einer gesetzlichen Beschäftigungspflicht bestehenden Beschäftigungsverhältnisse auf eine rechtsgeschäftliche Basis gestellt worden. Diese Regelung ermöglicht eine Anpassung der LPG's an die körperschafts- und gesellschaftsrechtlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland und bietet den in der LPG beschäftigten Genossenschaftsmitgliedern den sozialen Schutz des Arbeitsrechts. Die Regelung ist auch erforderlich. Die Trennung von Genossenschaftsmitgliedschaft und Arbeitsverhältnis war geradezu geboten, um der Vertragsfreiheit Rechnung zu tragen. Die Regelung ist darüber hinaus zumutbar. Sie greift zwar in die bestehenden Rechtsverhältnisse ein, indem sie die Genossenschaftsverhältnisse umgestaltet und die Beschäftigungsverhältnisse auf eine rechtsgeschäftliche Grundlage stellt. Dieser Eingriff verschafft aber der Vertragsfreiheit Geltung und ermöglicht erst den Mitgliedern der LPG's, ihre Rechtsverhältnisse nach ihrem eigenen Willen rechtsgeschäftlich zu gestalten. Dem sozialen Schutzbedürfnis der Beschäftigten wird durch die Einbeziehung der Beschäftigungsverhältnisse in das Arbeitsrecht Rechnung getragen.

2. Die streitgegenständliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 17. Dezember 1991 ist jedoch nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG als sozial ungerechtfertigte Kündigung unwirksam, denn das Arbeitsverhältnis des Klägers hat im Zeitpunkt der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden.

a) Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. Juli 1991 am 7. Juli 1991 begründet. Es bestand im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 19. Dezember 1991 erst fünf Monate und zwölf Tage.

b) Die Zeit, die der Kläger aufgrund seiner Genossenschaftsmitgliedschaft für die LPG tätig war, kann auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht angerechnet werden. Für die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt es allein auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an. Der Zweck der Wartezeit liegt darin, daß der Arbeitnehmer erst nach einer sechsmonatigen Zugehörigkeitsdauer ein Recht auf einen Arbeitsplatz haben soll. Der Gesichtspunkt der Erprobung hat keine maßgebliche Bedeutung mehr (BAG Urteil vom 12. Februar 1981 – 2 AZR 1108/78 – AP Nr. 1 zu § 5 BAT, zu B II der Gründe; BAG Urteil vom 15. März 1978 – 5 AZR 831/76 – AP Nr. 45 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG Urteil vom 23. September 1976 – 2 AZR 309/75 – BAGE 28, 176 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit; BAG Urteil vom 8. Dezember 1988 – 2 AZR 308/88 – BAGE 60, 282 = AP Nr. 6 zu § 1 BeschFG 1985). Da allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses maßgeblich ist, kann eine tatsächliche Beschäftigung auf einer anderen Rechtsgrundlage eine noch nicht erfüllte Wartezeit nicht ausgleichen. Ebensowenig wie eine fehlende tatsächliche Beschäftigung bei bestehendem Arbeitsverhältnis den Ablauf der Wartezeit hindert, kann eine tatsächliche Beschäftigung ohne Arbeitsverhältnis – als mitarbeitender Familienangehöriger, freier Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer usw. – fehlende Zeiten des rechtlichen Bestehens ersetzen (BAG Urteil vom 8. Dezember 1988 – 2 AZR 308/88 – BAGE 60, 282 = AP Nr. 6 zu § 1 BeschFG 1985; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 53; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 KSchG Rz 78).

II. Die Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Im Betrieb des Beklagten bestand zur Zeit der Kündigung kein Betriebsrat, denn die im Mai 1991 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig. Der sogenannte Betriebsrat wurde im Mai 1991 von den Mitgliedern der LPG gewählt. Zu dieser Zeit waren diese Beschäftigten noch keine Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG, so daß mit dieser Wahl auch kein Betriebsrat im Sinne des BetrVG gewählt werden konnte. Die Wahl eines Betriebsrats durch Nicht-Arbeitnehmer ist nichtig, denn eine solche Wahl hat offensichtlich und erkennbar gegen die gesetzlichen Wahlregeln verstoßen. Die einmal gegebene Nichtigkeit der Wahl ist nicht nachträglich dadurch beseitigt werden, daß die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Betriebsratswahl geschaffen worden sind.

Das im Mai 1991 gewählte Gremium ist deshalb nicht nachträglich zum Betriebsrat geworden, als die Beschäftigten der Beklagten am 7. Juli 1991 kraft Gesetzes Arbeitnehmer wurden. Ein Gremium, das kein Betriebsrat im Sinne des BetrVG ist, kann nicht allein dadurch zum Betriebsrat werden, daß die von ihm vertretenen Personen nun Arbeitnehmer geworden sind, selbst wenn die vertretenen Personen sich bei der Wahl des Gremiums an die Vorgaben des BetrVG gehalten haben.

III. Die Kündigung ist nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, denn sie ist nicht wesentlich durch einen Betriebsübergang bedingt gewesen.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der formwechselnden Umwandlung der LPG in eine GmbH nach §§ 23 ff. LwAnpG um einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB handelt, wie dies in der neueren Literatur unter Hinweis auf § 324 UmwG zum Teil vertreten wird (Wlotzke, DB 1995, 40, 43; Willemsen, RdA 1993, 133 ff., für die Fälle partieller Universalsukzession). Auch wenn man unterstellt, § 613a BGB käme hier zur Anwendung, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB in der hier anzuwendenden Fassung von Art. 232 § 5 Abs. 2 Ziff. 2 EGBGB bestimmt, daß das Recht zur Kündigung aus wirtschaftlichen, organisatorischen oder technischen Gründen, die eine Änderung im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, durch das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht berührt wird.

Die Kündigung vom 17. Dezember 1991 wurde ausgesprochen, weil der Produktionszweig Feldbau, in dem der Kläger beschäftigt war, gänzlich eingestellt und nur noch angeliefertes Gut verarbeitet werden sollte. Diese Einstellung des Produktionszweigs Feldbau und der damit verbundene Arbeitsplatzwegfall ist ein sachlicher Grund im Sinne von § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB. Die Kündigung ist wesentlich durch diese organisatorische und wirtschaftliche Umstrukturierung des Betriebs bedingt und nicht durch den Formwechsel des Arbeitgebers, so daß die Kündigung vom Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht erfaßt wird.

C. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten der Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Schömburg, R. Iskra

 

Fundstellen

Haufe-Index 856784

BAGE, 193

JR 1997, 220

NZA 1995, 881

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