Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsanwartschaft. Betriebszugehörigkeit als Voraussetzung der Unverfallbarkeit. Produktionsgenossenschaft Handwerk. Musterstatut. Gesellschaftsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Zu den schuldrechtlichen Vertragstypen (einschließlich atypischer Vertragsgestaltungen), die als Grundlage einer Tätigkeit i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG in Betracht kommen, gehören auch Gesellschaftsverträge. Bei dem Musterstatut der ehemaligen Produktionsgenossenschaften des Handwerks in der DDR handelte es sich um einen derartigen Gesellschaftsvertrag (Anschluss an BGH II ZR 237/03 vom 25.7.2005).

2.) Erteilt eine GmbH, die nach der deutschen Vereinigung im Wege der Umwandlung aus einer ehemaligen Produktionsgenossenschaft des Handwerks hervorgegangen ist, einer Person, die für sie als Arbeitnehmer und/oder (mitarbeitender) nicht geschäftsführungsbefugter Minderheitengesellschafter tätig ist, eine Versorgungszusage, so zählen bei der Betriebszugehörigkeit als Unverfallbarkeitsvoraussetzung auch Zeiten der Tätigkeit als PGH-Genosse in der DDR mit.

3.) Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Rechtsverhältnis, auf dessen Grundlage die Tätigkeit für das Unternehmen erbracht worden ist, vor der Umwandlung als Gesellschaftsvertrag (PGH-Musterstatut) und nachher als Arbeitsvertrag – und/oder umgekehrt – zu qualifizieren ist oder ob durchgehend ein einheitlich zu qualifizierendes Rechtsverhältnis (Gesellschaftsverhältnis oder Arbeitsverhältnis) bestanden hat.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1b, 7, 17, 30f; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 26.10.2006; Aktenzeichen 8 Ca 10286/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.01.2010; Aktenzeichen 3 AZR 42/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.2006 in Sachen 8 Ca 10286/05 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin aufgrund der von der G M GmbH erteilten Versorgungszusage in Gestalt der Direktversicherung Nummer 7215079-11 der S I V mit Wirkung ab 01.05.2005 zur Leistung verpflichtet ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte gegenüber der Klägerin wegen einer von der insolventen G M GmbH erteilten Versorgungszusage einstandspflichtig ist.

Die am 08.04.1940 geborene, aus der ehemaligen DDR stammende Klägerin war seit dem 01.01.1982 für die P H (PGH) G M zunächst als Sachbearbeiterin für die Lohn- und Finanzbuchhaltung und sodann seit dem 01.04.1985 als Buchhalterin tätig. Zugleich war sie Mitglied der Genossenschaft mit einem Genossenschaftsanteil, dessen Höhe sich nach Abschnitt 8 Ziffer 2 des Statuts der PGH richtete und danach dem Durchschnittsverdienst von 2 Monaten in der PGH zu entsprechen hatte. Der Genossenschaftsanteil der Klägerin betrug daher 1.480,00 DM(Ost). Insgesamt hatte die PGH 25 bis 30 Mitglieder.

Über ihre Tätigkeit in der PGH schloss die Klägerin mit dieser eine „Vereinbarung” vom 04.01.1982 (Bl. 137 f. d. A.), die später durch die entsprechende „Vereinbarung” vom 31.03.1985 (Bl. 197/197 R d. A.) abgelöst wurde. In den „Vereinbarungen”, in welchen u. a. die Einzelheiten der jeweiligen Arbeitsaufgabe der Klägerin, die monatliche Vergütung sowie der Umfang des Jahresurlaubs geregelt waren, heißt es u. a.:

„Die Rechte und Pflichten des Mitglieds der Genossenschaft und der PGH ergeben sich aus dem Statut und der Betriebsordnung.

In allen übrigen Fällen gelten die Bestimmungen unseres sozialistischen Arbeitsrechts, insbesondere des Gesetzbuches der Arbeit.”…

”Alle Änderungen in den persönlichen Verhältnissen, die eine Berichtigung der Kaderunterlagen erforderlich machen oder aus sonstigen Gründen für das genossenschaftliche Arbeitsrechtsverhältnis Bedeutung haben (Wohnungswechsel, Eheschließung, An- und Aberkennung als Schwerbeschädigter usw.), sind der PGH unverzüglich schriftlich mitzuteilen”…

In der „Vereinbarung” vom 04.01.1982 heißt es außerdem:

„Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung werden durch die PGH das Statut, die Betriebsordnung und das Gesetzbuch der Arbeit ausgehändigt”.

Auf den vollständigen Text der beiden Vereinbarungen vom 04.01.1982 und 31.03.1985 wird Bezug genommen.

Am 17.12.1990 wurde die PGH G M umgewandelt in die G M GmbH. Die GmbH wurde mit einem Stammkapital von 55.000,00 DM(West) ausgestattet. Die Klägerin wurde Minderheitengesellschafterin mit einer Stammeinlage von 10.000,00 DM. Insgesamt verfügte die GmbH über 4 Gesellschafter mit einer Stammeinlagenhöhe von je 10.000,00 DM sowie einen geschäftsführenden weiteren Gesellschafter mit einer Stammeinlage von 15.000,00 DM.

Auch nach der Umwandlung der PGH in eine GmbH wurde die Klägerin für diese weiter vollschichtig als Buchhalterin tätig. Als Vertragsgrundlage diente weiter die „Vereinbarung” mit der früheren PGH vom 31.03.1985. So erhielt die Klägerin in den Jahren 1992 bis 1995 mehrere Gehaltsveränderungsmitteilungen, die jeweils mit der Formulierung enden: „Dieses Schreiben gilt als Nachtrag zu ihrer Ar...

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