Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsinstanz. Festgestellte und als wahr zugrunde gelegte Tatsachen der ersten Instanz. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel. Neues entscheidungserhebliches Vorbringen. Unterlassene gebotene Hinweise der ersten Instanz. Keine Berücksichtigung von tatsächlichen, bekannten, in der ersten Instanz nicht vorgebrachten Umstände. Änderung des Klageantrags nach § 264 ZPO keine Klageänderung. Zurückgreifen auf gesamten erstinstanzlichen Prozessstoff

 

Leitsatz (amtlich)

a) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung außer den von dem erstinstanzlichen Gericht als wahr oder unwahr festgestellten Tatsachen solche Tatsachen zu Grunde zu legen, die auch das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zu Grunde gelegt hat, weil sie offenkundig oder gerichtsbekannt, ausdrücklich zugestanden oder unstreitig waren, oder weil sie sich aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben.

b) Konkrete Anhaltpunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich auch aus neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ergeben, wenn diese in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sind (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 12.3.2004 - V ZR 257/03).

c) § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d. h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem erstinstanzlichen Gericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden und aus einem von diesem mit zu verantwortenden Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden sind (im Anschluss an BGH, Urt. v. 19.2.2004 - III ZR 147/03).

d) § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, dass nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des erstinstanzlichen Gerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlass gegeben hätten (im Anschluss an BGH, Urt. v. 19.2.2004 - III ZR 147/03).

e) § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO schließt die Berücksichtigung solcher tatsächlichen Umstände, die in erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits der Partei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in der Berufungsinstanz aus.

f) Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als Klageänderung anzusehen; § 533 ZPO findet auf sie keine Anwendung.

g) Das Berufungsgericht darf seiner rechtlichen Beurteilung eines nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO geänderten Klageantrags nicht nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag festgestellten Tatsachen zugrunde legen, sondern auf den gesamten erstinstanzlichen Prozess-Stoff zurückgreifen; kommt es dabei aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts auf Tatsachen an, die in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, bestehen Zweifel i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die das Berufungsgericht zu eigenen Feststellungen berechtigt und verpflichtet.

 

Normenkette

ZPO i.d.F. v. 2002 § 264 Nrn. 2-3, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 531 Abs. 2 S. 1, § 533

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Urteil vom 13.03.2003)

LG Potsdam

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 13.3.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit Vertrag v. 14.6.1990 gestattete die Gemeinde G. G. dem Kläger die Nutzung eines in ihrem Besitz befindlichen Hotelgrundstücks, das im Jahr 1950 in Volkseigentum übergeführt und der Gemeinde im Jahr 1989 von dem damaligen Rechtsträger, dem Amt für nationale Sicherheit, überlassen worden war. Mit notariellem Vertrag v. 24.9.1990 verkaufte die Gemeinde das Grundstück an den Kläger. Zu dessen Eintragung in das Grundbuch kam es in der Folgezeit nicht.

Bis zum Jahr 1994 ließen der Kläger und die von ihm gegründete "S. und K. GmbH" Renovierungsarbeiten an dem Hotelgrundstück durchführen, die nach Art und Umfang zwischen den Parteien streitig sind.

Seit 1992 verlangte die Beklagte unter Hinweis auf ihren Eigentumserwerb nach Art. 21, 22 des Einigungsvertrags die Herausgabe des Grundstücks. Dem kam der Kläger im Februar 1995 im Hinblick auf ein von der Beklagten erwirktes Räumungsurteil nach.

Wegen der von dem Kläger mit 338.600 DM bezifferten renovierungsbedingten Aufwendungen erließ das AG Potsdam am 11.3.1996 einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte. Diese legte hiergegen am 19.3.1996 Einspruch ein. Im Juni 1997 trat die "S. und K. GmbH" sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab.

Erstinstanzlich hat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, der Kläger habe am 30.3.1997 sämtliche Forderungen aus der Klage an ihn abgetreten. Gleichwohl hat das LG über die von dem Kläger behaupteten Renovierungsarbeiten, die hierdurch bedingte Wertsteigerung des Grundstücks und - wegen einer von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung - über die Höhe des monatlichen Nutzungsentgelts Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Mit Schreiben v. 19.6.2001 hat die Sparkasse Mittleres Erzgebirge eine mit "Abtretungserklärung" überschriebene schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Prozessbevollmächtigten v. 30.3.1997 mit der Bitte um rechtliche Prüfung zu den Gerichtsakten gereicht. Hiervon sind die Prozessbeteiligten nicht unterrichtet worden. Ausweislich der Sitzungsniederschrift v. 5.4.2002 hat das LG "mit Rücksicht auf die Zitatstelle in Thomas/Putzo, § 265 Rz. 13, die verlesen wurde, auf eine etwaige Notwendigkeit der Umstellung des Klageantrages mit Rücksicht auf die Abtretung der Ansprüche des Klägers an Rechtsanwalt H. hingewiesen. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, das Gericht möge über diese Frage entscheiden. Das LG hat sodann den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger wegen der erfolgten Abtretung nicht mehr aktivlegitimiert sei.

Mit seiner Berufung hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit der Maßgabe, dass Zahlung an Rechtsanwalt H. zu leisten ist. Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt, die Abtretungserklärung v. 30.3.1997 beziehe sich nicht auf die streitgegenständliche Forderung, sondern auf die Summe, welche die Beklagte nach einer etwaigen Verurteilung an den Kläger zahlen werde. Hierüber habe bei Abschluss der Vereinbarung Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestanden. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, der Kläger sei wegen der von dem LG festgestellten Abtretung nicht mehr Inhaber eines eventuellen Verwendungsersatzanspruchs gegen die Beklagte. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der von dem LG getroffenen Feststellungen, die eine erneute Feststellung gebieten könnten, bestünden nicht. Die erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptungen des Klägers zu dem Inhalt der am 30.3.1997 geschlossenen Abtretungsvereinbarung seien nicht zu berücksichtigen. Der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Zahlung an den Abtretungsempfänger sei unzulässig, weil das LG keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs getroffen habe.

Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

II.

Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Klage mit dem Hauptantrag unbegründet ist (1.). Soweit es die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint hat, kann ihm dagegen nicht gefolgt werden (2.).

1. Mit seinem Hauptantrag macht der Kläger einen eigenen Verwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte geltend. Insoweit kann dahinstehen, ob und inwieweit die Voraussetzungen der §§ 994, 996 BGB erfüllt sind; der Anspruch scheitert nämlich bereits an der fehlenden Sachlegitimation des Klägers. Das LG hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Kläger den Klageanspruch nach Eintritt der Rechtshängigkeit an seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten abgetreten hat (a). An diese Feststellung war das Berufungsgericht nach der gem. § 26 Nr. 5 EGZPO anwendbaren Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. d. F. des Zivilprozessreformgesetzes v. 27.7.2001 gebunden, weil keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit bestanden (b). Auf der Grundlage dieser gem. § 559 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz verbindlichen Feststellung ist es dem Kläger verwehrt, Leistung an sich selbst zu verlangen (c).

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die von dem Eingangsgericht festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen.

aa) Die damit angeordnete Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des ZPO-RG: BT-Drucks. 14/4722, 100) erstreckt sich auch auf sog. Rechtstatsachen. Den tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) stehen nämlich Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist (BGH v. 14.3.1997 - V ZR 9/96, BGHZ 135, 92 [95] = MDR 1997, 724; Urt. v. 2.6.1995 - V ZR 304/93, MDR 1996, 578 = WM 1995, 1589 [1590]; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rz. 2). Hierher gehört der den Abschluss eines Abtretungsvertrags gem. § 398 BGB umschreibende Begriff der Abtretung jedenfalls dann, wenn er, wie hier, von einem Rechtsanwalt verwendet wird (BGH, Urt. v. 2.2.1990 - V ZR 245/88, BGHR ZPO § 288 Abs. 1 Rechtsbegriff 3).

bb) Festgestellt sind nicht nur solche Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht auf Grund einer freien Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, dass sie wahr oder nicht wahr sind. Eine derartige Beschränkung des tatsächlichen Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts wäre nicht sachgerecht, weil das erstinstanzliche Urteil regelmäßig auch auf nicht beweisbedürftigen, insbesondere unstreitigen Tatsachen beruht. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung deshalb auch solche Tatsachen zu Grunde zu legen, die auch das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zu Grunde gelegt hat, sei es, weil sie offenkundig oder gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder - wie die von dem Kläger behauptete Abtretung - unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren, oder weil sie sich aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben

(Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 529 Rz. 5). Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis des in § 559 Abs. 2 ZPO verwendeten Begriffs der von dem Revisionsgericht zu Grunde zu legenden Feststellungen (vgl. Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 559 Rz. 8; Musielak/Ball, ZPO, § 559 Rz. 20; Zöller/Gummer, ZPO, § 559 Rz. 11; für § 561 Abs. 2 ZPO a. F.: Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 561 Rz. 31), die wegen der in § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Bezugnahme in dem Berufungsurteil auch die von dem erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen umfassen.

b) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der von dem LG festgestellten Abtretung des Klageanspruchs, die gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkt erforderlich gemacht hätten, lagen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.

aa) Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BT-Drucks. 14/4722, 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897 [1901]; Stackmann, NJW 2003, 169 [171]). Dies gilt insbesondere dann, wenn es Beweise fehlerhaft erhoben oder gewürdigt (BGH, Urt. v. 12.3.2004 - V ZR 257/03, z. V. b. in BGHZ, Umdruck S. 6) oder wenn es Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (Musielak/Ball, ZPO, § 529 Rz. 5). Einen derartigen Verfahrensfehler stellt es nicht dar, dass das LG den Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung v. 30.3.1997 unberücksichtigt gelassen und seine Entscheidung allein auf die mit Schriftsatz des Klägers v. 21.1.1998 behauptete Abtretung gestützt hat. Da die von der Sparkasse Mittleres Erzgebirge zu den Gerichtsakten gereichte Vertragsurkunde erstinstanzlich von keiner der Parteien in Bezug genommen worden war, handelte es sich nicht um Parteivortrag, den das LG seiner Entscheidung hätte zu Grunde legen dürfen. Hieraus folgt zugleich, dass die mit der Berufung erhobene Rüge, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf der von den Parteien nicht vorgetragenen Abtretungserklärung, sachlich unzutreffend ist. Sie wird von der Revision auch nicht aufrecht erhalten.

bb) Zweifelhaft können die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auch durch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel werden, soweit sie in der Berufungsinstanz gem. § 529 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen sind, weil ihre Geltendmachung in erster Instanz wegen eines von dem Gericht zu vertretenden Umstands (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO) oder sonst ohne Verschulden der Partei (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) unterblieben ist (BT-Drucks. 14/4722, 101; Musielak/Ball, ZPO, § 529 Rz. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897 [1901]; Schnauder, JuS 2002, 162; Crückeberg, MDR 2003, 10). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den von dem Kläger erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung v. 30.3.1997 ebenso wenig erfüllt wie im Hinblick auf die von ihm im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen aufgestellte Behauptung, eine Abtretung der Klageforderung hätten die Beteiligten nicht gewollt.

(1) § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d. h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes (Grunsky, NJW 2002, 800; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897 [1903]) Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (BT-Drucks. 14/4722, 101; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 531 Rz. 20; Musielak/Ball, ZPO, § 531 Rz. 17) und aus einem von diesem mit zu verantwortenden Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden ist (BGH, Urt. v. 19.2.2004 - III ZR 147/03, Umdruck S. 8). Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung über den ursprünglichen (Haupt-)Antrag ebenso wie das LG auf die von dem Kläger in erster Instanz behauptete Abtretung der Klageforderung gestützt hat. Neues Vorbringen zu diesem bereits dem erstinstanzlichen Urteil zu Grunde liegenden Gesichtspunkt war dem Kläger daher verwehrt.

(2) § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, dass nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des Eingangsgerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlass gegeben hätten (BT-Drucks. 14/4722, 101; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 531 Rz. 23; Musielak/Ball, ZPO, § 531 Rz. 18). Entgegen der Auffassung der Revision hat das LG die ihm obliegende Hinweispflicht jedoch nicht verletzt. Zwar konnte der Kläger aus dem Umstand, dass das LG trotz der bereits vorgetragenen Abtretung Beweis zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs erhoben hat, schließen, dass es auf diesen Gesichtspunkt für die gerichtliche Entscheidung nicht ankommen werde. Er hatte daher zunächst keinen konkreten Anlass, zu der Frage der Abtretung weiter vorzutragen oder sein Vorbringen in dem Sinn richtig zu stellen, dass tatsächlich keine Abtretung vereinbart worden sei. Dies änderte sich jedoch, nachdem das LG auf die Bedeutung der Abtretung für die Fassung des Klageantrags hingewiesen hatte. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung verlesene Kommentarstelle musste dem anwaltlich vertretenen Kläger bewusst gewesen sein, dass seine auf Zahlung an sich selbst gerichtete Klage wegen der von ihm vorgetragenen Abtretung des Klageanspruchs keinen Erfolg haben konnte, wenn das LG mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Umstellung des Klageantrags auf Zahlung an den Abtretungsempfänger für erforderlich hielt. Selbst wenn der Kläger, wie von der Revision behauptet, davon ausgegangen sein sollte, das LG habe in dieser Frage noch keine abschließende Position eingenommen, hätte er jedenfalls mit der Möglichkeit einer Klageabweisung rechnen müssen. Damit wäre es aus Sicht des Klägers nicht nur geboten gewesen, den Klageantrag - wie in der Berufungsinstanz geschehen - zumindest hilfsweise auf Zahlung an den Abtretungsempfänger umzustellen. Darüber hinaus hätte auch Anlass bestanden, im Rahmen des ursprünglichen Klageantrags zu der Frage der Abtretung ergänzend Stellung zu nehmen. Dass dies dem Kläger in erster Instanz, sei es auch nach Einräumung einer von ihm zu beantragenden Schriftsatzfrist (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2002 - X ZR 83/00, BGHReport 2002, 966 = MDR 2002, 1183 = NJW 2002, 3317 [3320]), nicht möglich gewesen wäre, wird von der Revision nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Von sich aus musste das LG jedenfalls nicht auf einen weiteren Sachvortrag des Klägers hinwirken, da dessen Prozessbevollmächtigter ausdrücklich um eine gerichtliche Entscheidung gebeten hatte und keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, sein Vortrag zu der erfolgten Abtretung könne ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein.

(3) Hat der Kläger damit diejenigen tatsächlichen Umstände, die nach seiner Auffassung der Annahme einer Abtretung der Klageforderung entgegenstehen, in erster Instanz nicht vorgebracht, obwohl ihm diese Umstände und deren Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LG bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, beruht die unterlassene Geltendmachung auf Nachlässigkeit; das schließt eine Berücksichtigung dieser Umstände in der Berufungsinstanz gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO aus (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 101; Musielak/Ball, ZPO, § 531 Rz. 19; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rz. 18 f.; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897 [1904]). Das Berufungsgericht musste deshalb der unter Beweis gestellten Behauptung des Klägers, er und sein erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter hätten keine Abtretung der Klageforderung vereinbaren wollen, ebenso wenig nachgehen wie der Frage, ob die schriftliche Abtretungsvereinbarung v. 30.3.1997 nur die von dem Kläger auf Grund eines obsiegenden Urteils erlangten Geldmittel erfasst.

c) Auf der Grundlage der von dem LG fehlerfrei festgestellten Abtretung hat das Berufungsgericht einen in der Person des Klägers bestehenden Verwendungsersatzanspruch zu Recht verneint. Zwar hat die nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgte Abtretung des Klageanspruchs keinen Einfluss auf dessen prozessuale Geltendmachung (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Rechtsvorgänger behält daher weiter seine Prozessführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen weiterführen (Prozess-Standschaft). Auf Grund der veränderten materiellen Rechtslage muss der Kläger jedoch grundsätzlich Leistung an seinen Rechtsnachfolger verlangen. Weigert er sich, wie hier, so muss die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen werden. Diese Grundsätze, die der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH BGHZ 26, 31 [37]; Urt. v. 28.9.1982 - VI ZR 221/80, WM 1982, 1313; Urt. v. 12.3.1986 - VIII ZR 64/85, MDR 1986, 750 = NJW 1986, 3206 [3207]; Urt. v. 20.11.1996 - XII ZR 70/95, MDR 1997, 362 = NJW 1997, 735 [736]) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur

(Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 265 Rz. 83; Zöller/Greger, ZPO, § 265 Rz. 6a; Musielak/Foerste, ZPO, § 265 Rz. 10; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 265 Rz. 17; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 265 Rz. 13; a. A. die sog. Irrelevanztheorie: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., § 102 IV 2, S. 585; Jauernig, Zivilprozessrecht, 28. Aufl., § 87 III 3, S. 354) entsprechen, stellt auch die Revision nicht infrage.

Auch war der Kläger nicht etwa deshalb zur Einziehung der abgetretenen Forderung im eigenen Namen befugt, weil ihm der Abtretungsempfänger eine Einziehungsermächtigung erteilt hätte (vgl. BGH BGHZ 26, 31 [37]; Urt. v. 28.9.1982 - VI ZR 221/80, WM 1982, 1313). Eine entsprechende Behauptung hat der Kläger in erster Instanz nicht aufgestellt. Sie lässt sich auch seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz, soweit es überhaupt zu berücksichtigen ist, nicht entnehmen. Wäre die Klageforderung, wie nunmehr von dem Kläger vorgetragen, nicht abgetreten worden, hätte keinerlei Anlass zu der Erteilung einer Einziehungsermächtigung bestanden.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der erstmals in zweiter Instanz gestellte Hilfsantrag, mit dem der Kläger einen Verwendungsersatzanspruch seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten geltend macht, sei unzulässig, weil er entgegen § 533 Nr. 2 ZPO nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen waren. Eine mit der Berufung vorgenommene Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger stellt nämlich unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Misserfolg des auf Leistung an den Kläger selbst gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar.

a) § 533 ZPO knüpft in seinem Einleitungssatz an den allgemeinen Begriff der Klageänderung i. S. v. § 263 ZPO an (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, § 533 Rz. 3). Danach ist eine objektive Klageänderung gegeben, wenn sich der Streitgegenstand verändert, insbesondere, wenn bei gleich bleibendem oder geändertem Klagegrund ein anderer Klageantrag gestellt wird (Zöller/Greger, ZPO, § 263 Rz. 2; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO,25. Aufl., § 263 Rz. 1 f.). Wie eine Klageänderung zu behandeln ist der Fall einer nachträglichen (Eventual-)Klagenhäufung, auf den § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (BGH, Urt. v. 29.4.1981 - VIII ZR 157/80, MDR 1981, 1012 = WM 1981, 423 [427]; Urt. v. 10.1.1985 - III ZR 93/83, MDR 1985, 741 = NJW 1985, 1841 [1842]; Urt. v. 26.5.1986 - II ZR 237/85, NJW-RR 1987, 58; Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 263 Rz. 21; Zöller/Greger, ZPO, § 263 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 263 Rz. 4) und der deshalb auch von § 533 ZPO erfasst wird (Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 533 Rz. 10; Musielak/Ball, ZPO, § 533 Rz. 6).

b) Handelt es sich allerdings um eine Antragsänderung, die, wie die Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger, den Bestimmungen des § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO unterfällt (für eine Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO: BGH, Urt. v. 3.6.1987 - IVb ZR 68/86, MDR 1987, 1011 = FamRZ 1987, 926 [928]; Urt. v. 21.12.1989 - VII ZR 84/89, MDR 1990, 710 = NJW-RR 1990, 505; Musielak/Foerste, ZPO, § 265 Rz. 10; Zöller/Greger, ZPO, § 264 Rz. 3b; für eine Anwendung von § 264 Nr. 3 ZPO: Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 265 Rz. 42; Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 265 Rz. 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., § 101 I 3), ist sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als eine Klageänderung anzusehen. Auf eine solche Modifizierung des Klageantrags finden daher diejenigen Vorschriften, die die Zulässigkeit einer Klageänderung regeln, keine Anwendung (Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 264 Rz. 4). Dies gilt nicht nur für § 263 ZPO (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 264 Rz. 1; Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 264 Rz. 4), sondern auch für § 533 ZPO (a. A. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, § 533 Rz. 3, die jedenfalls § 533 Nr. 2 ZPO anwenden wollen), weil § 264 ZPO gem. § 525 S. 1 ZPO auch auf das Berufungsverfahren anzuwenden ist.

c) Die unbeschränkte Zulässigkeit einer Modifizierung des Klageantrags gem. § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz entspricht dem Zweck der Vorschrift, der die prozessökonomische und endgültige Erledigung des Streitstoffs zwischen den Parteien fördern soll (Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 264 Rz. 1). Kann das Berufungsgericht auf der Grundlage des bereits in erster Instanz angefallenen Prozess-Stoffs eine abschließende Entscheidung über den modifizierten Klageantrag treffen, widerspräche es den Grundsätzen der Prozesswirtschaftlichkeit, würde man die Parteien, gestützt auf § 533 ZPO, auf einen neuen Rechtsstreit verweisen, in dem das erstinstanzliche Verfahren wiederholt werden müsste und das Berufungsgericht erneut mit der Sache befasst werden könnte. Nach früherem Recht (§ 523 ZPO a. F. i. V. m. § 264 ZPO) war eine derart unökonomische Verfahrensgestaltung ausgeschlossen, weil § 264 ZPO in der Berufungsinstanz Anwendung fand (BGH v. 20.10.1982 - IVb ZR 318/81, BGHZ 85, 140 [143] = MDR 1983, 119; Urt. v. 21.12.1989 - VII ZR 84/89, MDR 1990, 710 = NJW-RR 1990, 505; Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 264 Rz. 5) und in den von der Vorschrift geregelten Fällen eine Antragsänderung unabhängig von dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen ermöglichte. Für das reformierte Berufungsverfahren etwas anderes anzunehmen, hätte im Vergleich zu dem früheren Recht eine verstärkte Belastung der Gerichte und eine verzögerte Erledigung der Streitsachen zur Folge. Damit würde das Ziel der Zivilprozessreform, die Effizienz innerhalb der Ziviljustiz zu steigern (BT-Drucks. 14/4722, 1), offensichtlich verfehlt.

d) § 533 ZPO steht einer Anwendung des § 264 ZPO auf das Berufungsverfahren nicht entgegen (§ 525 S. 1 Halbs. 2 ZPO).

aa) Mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a. F. i. V. m. § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drucks. 14/4722, 102). Auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen kam es jedoch auch bislang nicht an, wenn es sich um eine Antragsänderung gem. § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO handelte (§ 523 ZPO a. F. i. V. m. § 264 ZPO). Dass der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Die Annahme, derartige Modifizierungen des Klageantrags sollten nach neuem Recht nur noch unter den in § 533 Nr. 1 ZPO geregelten Voraussetzungen zulässig sein, ist auch deshalb fern liegend, weil diese Antragsänderungen in aller Regel als sachdienlich anzusehen sind (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 264 Rz. 2), § 533 Nr. 1 ZPO insoweit also ohnehin keine zulässigkeitsbeschränkende Wirkung haben könnte.

bb) Sinn und Zweck des § 533 Nr. 2 ZPO gebieten es ebenfalls nicht, Antragsänderungen gem. § 264 Nr. 2 und 3 ZPO in der Berufungsinstanz als Klageänderungen anzusehen.

(1) § 533 Nr. 2 ZPO bringt die geänderte Funktion des Berufungsverfahrens zum Ausdruck, die keine vollständige zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet, sondern in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient (BT-Drucks. 14/4722, 64 [102]). Für diesen Berufungszweck ist es unerheblich, ob das erstinstanzliche Gericht subjektiv fehlerhaft gehandelt und entschieden hat, was nicht der Fall ist, wenn seine Entscheidung gemessen an dem in erster Instanz gestellten Klageantrag - wie hier - zutreffend ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob das erstinstanzliche Urteil objektiv fehlerhaft ist, was nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts zu beurteilen ist (Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 513 Rz. 7; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897). Damit kann sich die Korrekturbedürftigkeit des mit der Berufung angefochtenen Urteils auch aus einer im Berufungsverfahren erfolgten Modifizierung des Klageantrags ergeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, mit der Umstellung des Klageantrags einer Veränderung der materiellen Rechtslage Rechnung getragen wird, an deren sachgerechter Beurteilung das erstinstanzliche Gericht wegen des in erster Instanz gestellten Klageantrags gehindert war.

(2) Ausweislich der Gesetzesbegründung will § 533 Nr. 2 ZPO verhindern, dass im Wege der Klageänderung unzulässiger neuer Tatsachenstoff in das Berufungsverfahren eingeführt wird (BT-Drucks. 14/4722, 102). In den Fällen des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO ist das aber schon deswegen nicht zu befürchten, weil die Vorschrift insoweit voraussetzt, dass der - bereits in erster Instanz dargelegte - Klagegrund unverändert bleibt. Sollen zu dessen Ergänzung neue Tatsachen vorgetragen werden, ist dies nur in den durch § 531 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zulässig. Damit ist sichergestellt, dass der von dem Berufungsgericht zu beurteilende Prozess-Stoff im Wesentlichen mit demjenigen der ersten Instanz übereinstimmt.

(3) Schließlich soll durch die Regelung des § 533 Nr. 2 ZPO vermieden werden, dass das Berufungsgericht eine Klageänderung bei Vorliegen der in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen zwar zulassen müsste, an einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung über die geänderte Klage aber gehindert sein könnte, weil es gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu der ursprünglichen Klage festgestellten Tatsachen zu Grunde legen darf (BT-Drucks. 14/4722, 102). Diese Gefahr, die den Gesetzgeber zu einer über die frühere Rechtslage hinausgehenden Beschränkung der Zulässigkeit zweitinstanzlicher Klageänderungen bewogen hat, besteht bei einer Antragsänderung gem. § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht. Vielmehr kann das Berufungsgericht bei der Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf den gesamten in erster Instanz angefallenen Prozess-Stoff zurückgreifen.

(a) Wie der Senat bereits in seinem Urt. v. 12.3.2004 (BGH, Urt. v. 12.3.2004 - V ZR 257/03) ausgeführt hat, gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozess-Stoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Umdruck S. 14). Im Gegensatz zum Revisionsrecht (§ 559 Abs. 1 ZPO) enthalten die gesetzlichen Vorschriften über das Berufungsverfahren keine das berücksichtigungsfähige Parteivorbringen beschränkende Bestimmung. Eine Verengung des zweitinstanzlichen Prozess-Stoffs auf das aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtliche Parteivorbringen ergibt sich auch nicht aus § 314 ZPO, weil dem Urteilstatbestand im Hinblick auf schriftsätzlich angekündigtes Parteivorbringen keine negative Beweiskraft zukommt (Umdruck S. 17 f. m. w. N.). Unabhängig hiervon kann der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils den der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Prozess-Stoff auch deshalb nicht begrenzen, weil das Berufungsverfahren nicht nur, wie das Revisionsverfahren, der Rechtsfehlerkontrolle, sondern gem. § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO auch der Kontrolle und Korrektur fehlerhafter Tatsachenfeststellungen dient (BT-Drucks. 14/4722, 64; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 513 Rz. 1 [7, 12 f.]). Dies setzt voraus, dass das Berufungsgericht schriftsätzlich angekündigtes entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen darf, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet oder übersehen worden ist und das deshalb im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat (Barth, NJW 2002, 1702 [1703]). Die in § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Funktion der Berufung würde eine den berücksichtigungsfähigen Prozess-Stoff begrenzende Wirkung des erstinstanzlichen Urteils also selbst dann ausschließen, wenn man im Übrigen mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGH, Urt. v. 16.5.1990 - IV ZR 64/89, MDR 1991, 36 = NJW-RR 1990, 1269) und des BVerwG (BVerwG, Beschl. v. 13.3.1989 - 1 B 21/89, juris) an der negativen Beweiskraft des Urteilstatbestands ohne Einschränkungen festhielte. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis ohne Bedeutung, so dass es weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG) bedarf (vgl. BGH, Beschl. v. 15.2.2000 - XI ZR 10/98, MDR 2000, 530 = NJW 2000, 1185, zu § 132 GVG; GmS-OGB v. 24.10.1983 - GmS-OGB 1/83, BGHZ 88, 353 [357] = MDR 1984, 373, zu § 2 RsprEinhG).

(b) Bei der Entscheidung über den modifizierten Klageantrag ist das Berufungsgericht nicht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO an die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag getroffenen Feststellungen gebunden. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts (Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rz. 35; Ball, ZGS 2002, 146 [149]) für die Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf Tatsachen an, die in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, dann bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und inwieweit die Voraussetzungen eines von dem Kläger an seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten abgetretenen Verwendungsersatzanspruchs gem. §§ 994, 996 BGB erfüllt sind und in welchem Umfang ein solcher Anspruch ggf. durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen ist. Durch die Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO) erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Dabei kann es die Ergebnisse der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme verwerten, soweit nicht deren Wiederholung nach den von der Rechtsprechung zu §§ 398, 402 ZPO entwickelten Grundsätzen geboten ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2004 - V ZR 257/03 Umdruck S. 10, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1159873

BGHZ 2005, 295

NJW 2004, 2152

BGHR 2004, 1110

FamRZ 2004, 1095

JurBüro 2004, 679

WM 2004, 1147

WuB 2005, 329

MDR 2004, 1077

MDR 2006, 555

VersR 2004, 1472

LMK 2004, 215

ProzRB 2004, 240

ProzRB 2004, 242

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