Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatbestandsbeweiskraft

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Zur Beweiskraft des Tatbestands.
  2. Ein Maklerkunde kann sich auch dann auf Vorkenntnis berufen, wenn er diese bereits in einem Zeitpunkt erlangt hat, in dem er noch nicht am Abschluß des Hauptvertrags interessiert war.
  3. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Makler trotz Vorkenntnis seines Kunden eine Nachweisprovision verlangen kann.
 

Normenkette

ZPO §§ 314, 561 Abs. 1 S. 1; BGB § 652

 

Tatbestand

Der Beklagte beabsichtigte 1985, sich maßgebend an der Gründung eines Unternehmens zur Herstellung von Compact-Disc zu beteiligen, und suchte für die geplante Produktionsstätte in B. geeignete Gewerberäume. Ende Oktober 1986 mietete die unter Beteiligung des Beklagten gegründete C.-D.-P. GmbH & Co. KG auf dem Gelände des T.-parks an der B.straße in B. Gewerberäume. Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß sie mit ,dem Beklagten einen Maklervertrag geschlossen und aufgrund dieses Vertrages ihm die Gelegenheit zur Anmietung von Gewerberäumen nachgewiesen habe. Sie verlangt deshalb von ihm die Zahlung einer Provision in Höhe von 91.413,37 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 85.900,36 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsurteil muß bereits deshalb aufgehoben werden, weil es an einer sicheren tatsächlichen Grundlage für eine revisionsrechtliche Entscheidung fehlt.

Die Zivilgerichte müssen, sofern nicht das schriftliche Verfahren angeordnet worden ist, bei der Beurteilung der von ihnen geltendgemachten Ansprüche von dem Sach- und Streitstand ausgehen, der sich in der letzten mündlichen Verhandlung ergeben hat und der nicht notwendigerweise mit dem Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze übereinzustimmen braucht (BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - IVa ZR 55/80 - NJW 1981, 1848 = VersR 1981, 950). Was die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgetragen haben, ist gemäß § 314 ZPO aus dem Tatbestand des Berufungsurteils zu entnehmen; nach dieser Gesetzesvorschrift beweist der Tatbestand nicht nur; daß diejenigen Parteibehauptungen, die in ihm wiedergegeben werden, tatsächlich aufgestellt worden sind, sondern auch, daß die Parteien nichts behauptet haben, was nicht im Tatbestand - und sei es auch nur durch Bezugnahme - erwähnt ist (BGH, Urteile vom 27. Mai 1981 aaO und vom 3. November 1982 - IVa ZR 39/81 - NJW 1983, 885 = WM 1983, 128). Demgemäß bestimmt § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO, daß der Beurteilung durch das Revisionsgericht nur dasjenige Parteivorbringen unterliegt, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem (in der Regel unergiebigen) Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Fehlt der Tatbestand oder lassen Widersprüche, Lücken oder sonstige Unklarheiten die tatsächlichen Grundlagen der zu beurteilenden Entscheidung nicht zweifelsfrei hervortreten, ist die dem Revisionsgericht nach § 549 Abs. 1 ZPO obliegende rechtliche Nachprüfung unmöglich (BGHZ 80, 64, 67). In einem solchen Fall muß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil bereits wegen dieses Mangels aufgehoben werden (BGHZ 40, 84, 87; 80, 64, 67; BGH, Urteile vom 19. Juni 1986 - IX ZR 141/85; vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 76/85; vom 18. September 1986 - I ZR 179/84; vom 12. Februar 1987 - III ZR 148/85; vom 12. Mai 1989 - V ZR 128/88; BGHR, ZPO § 543 Abs. 2 "Tatbestand, fehlender 1, 2, 3, 4, 5").

Der Tatbestand des vorliegenden Berufungsurteils enthält gerade in den entscheidenden Punkten - Zustandekommen des Maklervertrages und Vorkenntnis des Beklagten - nicht aufklärbare Widersprüche:

  1. Bei der Darstellung des unstreitigen Sachverhalts erwähnt das Berufungsgericht:

    "Auf eine entsprechende Frage des Beklagten fand im November oder Dezember 1985 ein erstes Gespräch mit dem Mitarbeiter K. der Klägerin über die Anmietung von Räumen im sogenannten T.-park statt."

    Mit den Schriftsätzen der Parteien, auf die das Berufungsgericht im Tatbestand ausdrücklich Bezug nimmt, stimmt diese Feststellung nicht überein. Im Laufe der ersten Instanz hatte die Klägerin über den Zeitpunkt, in dem der Zeuge K. den Beklagten erstmals auf die im T.-Gelände bestehenden Anmietungsmöglichkeiten hingewiesen haben soll, unterschiedliche Angaben gemacht (Klageschrift S. 2 Bl. 2 d.A.: März 1986; Schriftsatz vom 12. Oktober 1987 Bl. 24 d.A.: Anfang Januar 1986). Erst in der Berufungsbegründung behauptete die Klägerin, daß das erste Gespräch über dieses Thema bereits im November oder Dezember 1985 stattgefunden habe (S. 2 Bl. 86 d.A.) vom 19. September 1988 (S. 3 Bl. 104 d.A.) präzisierte die Klägerin diese Angabe dahin, daß das erste Gespräch in dieser Angelegenheit vor dem 14. November 1985 stattgefunden haben müsse. Der Beklagte hat diesen Sachvortrag in seinen Schriftsätzen vom 8. September 1988 (Bl. 99ff. d.A.) und vom 8. Dezember 1988 (Bl. 113ff. d.A.) bestritten. Die Darstellung, die das Berufungsgericht auf Seite 3 (Mitte) seines Urteils gibt, müßte bei isolierter Betrachtung dahin verstanden werden, daß der Beklagte in der mündlichen Verhandlung sein Bestreiten aufgegeben habe. Gegen eine solche Annahme spricht jedoch, daß das Berufungsgericht auf Seite 6 (3. Absatz) das Gespräch von Mitte November 1985 als bestrittene Behauptung der Klägerin darstellt und das es auch in den Entscheidungsgründen (Ziff. I. 1.) die Behauptung der Klägerin als beweisbedürftig behandelt und aufgrund der Zeugenaussage als erwiesen ansieht.

  2. Bei der Darstellung des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien (S. 5 mittlerer Absatz) erwähnt das Berufungsgericht, es sei unstreitig, daß der Beklagte schon im Sommer 1985 durch seine Tätigkeit für das Möbelhaus A. sich mit den Möglichkeiten einer Nutzung des T. Geländes befaßt habe. Diese Formulierung könnte dahin verstanden werden, daß der genannte Punkt bereits in der ersten Instanz unstreitig gewesen sei. Dies stünde jedoch im Widerspruch zu dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, in dem die Behauptung des Beklagten, das Objekt sei ihm bereits seit Sommer 1985 bekannt gewesen, als streitig dargestellt wird. Schriftsätzlich hat die Klägerin auch noch in der Berufungsinstanz (Schriftsatz vom 19. September 1988 S. 5 Bl. 106 d.A.) die Vorkenntnis des Beklagten bestritten.

    Durch die Zurückverweisung erhalten die Parteien Gelegenheit, sich darüber zu erklären, inwieweit sie die gegnerischen Behauptungen bestreiten wollen.

II.

Auch die materiellrechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts enthalten mehrere Fehler.

1.

Das gilt bereits für die Frage, ob zwischen den Parteien überhaupt ein Maklervertrag zustande gekommen ist. Richtig ist die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, daß ein Interessent, der an einen Makler herantritt und von ihm Dienste wünscht, die den Umständen nach nur gegen Entgelt erwartet werden können, an diesen einen Antrag auf Abschluß eines Maklervertrages richtet. Das hatte auch das Landgericht nicht verkannt Es hatte jedoch aus der Vernehmung des Zeugen K. den Eindruck gewonnen, daß der Beklagte mit ihm ein rein "persönliches Gespräch" geführt hatte, also nicht etwa Maklerdienste der Klägerin in Anspruch nehmen wollte. Es entspricht in der Tat der Lebenserfahrung, daß Personen, die ihren Arbeitsplatz in demselben Zimmer haben, gelegentlich auch persönliche Gespräche miteinander führen; es ist daher denkbar, daß der Beklagte dem Zeugen K. im Rahmen einer solchen Unterhaltung über seine beruflichen Pläne, insbesondere auch über seine Absicht, für eine zu gründende Gesellschaft in B. Räume anzumieten, berichtet hat. Darin muß nicht notwendigerweise ein Antrag auf Abschluß eines Maklervertrages gesehen werden. Es kommt in diesem Zusammenhang sehr auf den Verlauf des Gespräches im einzelnen an. Wenn der Beklagte im Rahmen einer allgemeinen Unterhaltung von seinen Plänen gesprochen und K. darauf erwidert hat, für die Pläne des Beklagten komme eigentlich nur ein Gewerberaum im T. Gelände in Frage (so Vernehmungsprotokoll K. vom 24. November 1987 S. 3 Bl. 49 d.A. Abs. 1), so wird ein Maklervertrag nicht anzunehmen sein. Eine andere Beurteilung kann dann gerechtfertigt sein, wenn der Beklagte den Wunsch geäußert haben sollte, die Klägerin möge ihm geeignete Gewerberäume nachweisen (so könnte Abs. 2 des Vernehmungsprotokolls K. aaO möglicherweise zu verstehen sein).

Das Landgericht hatte aus der von ihm vorgenommenen Vernehmung des Zeugen K. entnommen, daß das Gespräch einen persönlichen Charakter gehabt habe. Das Berufungsgericht hält dem entgegen, daß der Beklagte den Arbeitsplatz im Büro der Klägerin als deren Kunde erhalten habe. Wenn aber der Kunde eines Maklers diesen oder dessen Angestellten nach geeigneten Objekten frage, dann müsse davon ausgegangen werden, daß die hieraufhin erteilte Auskunft entgeltlich sein solle; in einem solchen Fall handle es sich nicht um ein persönliches Gespräch. Diese Ausführungen sind tatbestandswidrig. Nach dem insoweit widerspruchsfreien und im Einklang mit den Schriftsätzen stehenden Tatbestand war Kunde der Klägerin nicht der Beklagte, sondern die von ihm vertretene Firma W.. Das Gespräch, bei dem K. den Hinweis auf das T.-Gelände gegeben haben soll, hat der Beklagte aber nicht im Namen und im Interesse seiner Auftraggeberin geführt.

2.

a)

Das Berufungsgericht hält es für unerheblich, ob der Beklagte schon im Sommer 1985 von der Möglichkeit, auf dem T.-Gelände Gewerberäume zu mieten, Kenntnis hatte. Wer von der Möglichkeit, Gewerberäume zu mieten, zu einem Zeitpunkt erfahren habe, in dem er selbst noch kein Interesse an der Anmietung gehabt habe, könne sich später, wenn er an einer Anmietung Interesse gewonnen habe, gegenüber einem Hinweis des Maklers auf dieses Objekt nicht auf Vorkenntnis berufen. Diese Ansicht ist unzutreffend.

b)

In einer Hilfsbegründung führt das Berufungsgericht aus, es sei als Maklerleistung ausreichend, wenn der Maklerkunde den Anstoß bekommen habe, sich nunmehr konkret um das bereits bekannte Objekt zu bemühen; es glaubt, sich für diese Ansicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. April 1983 - IVa ZR 232/81 - NJW 1983, 1849 berufen zu können. Der Senat hatte in diesem Urteil angenommen, daß ein Makler sich auch dann die Maklerprovision verdienen könne, wenn dem Kunden das Objekt und die Abschlußmöglichkeit bereits anderweitig bekannt war, wenn ihm der Makler jedoch zusätzliche Informationen geliefert hat und wenn erst diese Informationen dazu geführt haben, daß der Kunde veranlaßt wurde, sich um das Objekt zu bemühen. Im damaligen Fall hatte, wie in der Revisionsinstanz unterstellt werden mußte, der Makler dem Kunden "unerläßliche Einzelkenntnisse" vermittelt, insbesondere über die genaue Größe des Grundstücks, dessen Beschaffenheit, dessen landschaftliche Gestalt und Bodenqualität, dessen Forstbestand mit der Altersklassengliederung und der Verteilung der Holzarten. Daß der Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits von der Klägerin irgendwelche näheren Umstände erfahren hätte, die er vorher noch nicht kannte, wird vom Berufungsgericht nicht festgestellt.

3.

Sollte es nach der Klarstellung des Sach- und Streitstands (vgl. oben Ziff. 1. a.E.) noch auf die Aussage des Zeugen K. ankommen, so wird sich das Berufungsgericht mit den gegen seine Glaubwürdigkeit vorgebrachten Bedenken eingehender auseinandersetzen müssen, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist. Der Zeuge ist am Ausgang des Rechtsstreits nicht uninteressiert. Einen persönlichen Eindruck von ihm hatte das Berufungsgericht nicht; das Landgericht, das seine Aussage inhaltlich für unergiebig hielt, hatte keine Veranlassung, sich hierüber auszusprechen. Vor allem darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Klägerin - die ihre Informationen offenbar von dem Zeugen K. bezog - über den Zeitpunkt des Gesprächs, in dem der Nachweis geführt worden sein soll, wechselnde Angaben gemacht hat (Klageschrift Bl. 2 d.A.: März 1986; Schriftsatz vom 12. Oktober 1987 Bl. 24 d.A.: Januar 1986; Berufungsbegründung Bl. 89 d.A.: November/Dezember 1985). Es steht fest, daß das angebliche Gespräch zwischen K. und dem Beklagten in den Akten der Klägerin nicht festgehalten worden ist. Die Klägerin verweist selbst darauf, daß der Beklagte sich in den Jahren 1985 und 1986 sehr oft in den Geschäftsräumen der Klägerin aufgehalten habe; es habe daher bei ihr sehr leicht zu einem Irrtum über das Datum des Gesprächs kommen können. Dann liegt aber die Frage nahe, ob nicht auch die Aussage des Zeugen K. durch einen solchen Irrtum beeinflußt sein könnte.

Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob eine erneute Vernehmung des Zeugen K. geboten ist. Das wird insbesondere dann erforderlich sein, wenn das Berufungsgericht die Aussage anders verstehen will als die erste Instanz (BGH, Urteile vom 3. April 1984 - VI ZR 195/82 - NJW 1984, 2629; vom 20. Oktober 1987 - X ZR 49/86 - BGHR ZPO § 398 Abs. 1 "Ermessen" 4).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456304

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