Leitsatz (amtlich)

Die zulässige Anfechtung der Regelung des Versorgungsausgleichs in einem Verbundurteil eröffnet die Möglichkeit, mit dem Rechtsmittel - als Berufung - auch eine Mehrforderung an nachehelichem Unterhalt zur Prüfung des Oberlandesgerichts zu stellen, die über den in dem Verbundurteil antragsgemäß zuerkannten Betrag hinausgeht.

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 18.12.1980)

AG Göttingen

 

Tenor

Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 1980 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

In der mündlichen Verhandlung des von dem Ehemann (Antragsteller) betriebenen Scheidungsverfahrens hat die Ehefrau (Antragsgegnerin) vor dem Amtsgericht - Familiengericht - am 26. Februar 1980 beantragt, den Ehemann zu verurteilen, an sie ab 1. Dezember 1979 einen monatlichen Unterhalt von 690 DM zu zahlen. Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und den Ehemann verurteilt, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils eine monatliche Unterhaltsrente in der verlangten Höhe von 690 DM zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hat die Ehefrau Berufung eingelegt. In der "Berufungsbegründung und Klagerweiterung" hat sie einen höheren Versorgungsausgleich sowie die Verurteilung des Ehemanns zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 1 000 DM ab Rechtskraft der Ehescheidung beantragt, wovon 150 DM auf den Vorsorgeunterhalt entfallen sollten. Der Ehemann ist der Berufung entgegengetreten und hat mit einer - ersten - Anschlußberufung beantragt anzuordnen, daß er die ihm nach § 1587 b Abs. 3 BGB aufgegebene Einzahlung (oder einen vom Berufungsgericht neu berechneten Betrag) in monatlichen Raten von 100 DM erfüllen könne.

Das Oberlandesgericht hat zunächst in einer Teilentscheidung "auf die Beschwerde" der Ehefrau "und die Anschlußbeschwerde" des Ehemanns die Regelung des Versorgungsausgleichs geändert; es hat den Einzahlungsbetrag erhöht, dem Ehemann aber eine Leistung in monatlichen Raten von 250 DM gestattet. "Die weitergehende Beschwerde und die weitergehende Anschlußbeschwerde" hat es zurückgewiesen.

Nachdem der Ehemann eine nunmehr eingelegte - zweite - Anschlußberufung mit dem Ziel einer Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts von monatlich 690 DM auf 560 DM zurückgenommen hatte, hat das Oberlandesgericht die Berufung der Ehefrau hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs durch Urteil als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich ihre Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, die nach § 621 d Abs. 2 ZPO ohne Zulassung stattfindet, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 1981, 379 veröffentlicht ist, hat die Berufung der Ehefrau, soweit sie das Urteil des Amtsgerichts zum Unterhalt angreift, für unzulässig gehalten, weil es an der erforderlichen Beschwer fehle. Die Ehefrau habe insoweit in der ersten Instanz voll obsiegt. Die erforderliche Beschwer könne nicht aus dem gleichzeitig mitentschiedenen Versorgungsausgleich und der dagegen eingelegten Beschwerde, verbunden mit einer Klagerweiterung, hergeleitet werden. Die Einlegung des wegen des Versorgungsausgleichs zulässigen Rechtsmittels (Beschwerde) führe nicht dazu, daß nunmehr auch wegen der übrigen Folgesachen ein Rechtsmittelverfahren zulässig sei, ohne daß die dafür in den anderen Folgesachen notwendigen Voraussetzungen erfüllt seien.

II.

Der Ausgangspunkt dieser Beurteilung, daß es - bei isolierter Betrachtung - für die gegen die Unterhaltsentscheidung gerichtete Berufung an einer Beschwer fehlt, trifft zu. Zwar bleibt das Urteil des Amtsgerichts zum Unterhalt insoweit hinter dem Antrag der Ehefrau zurück, als das Gericht die Unterhaltsrente von monatlich 690 DM nicht schon ab 1. Dezember 1979, sondern erst ab Rechtskraft des Scheidungsurteils zugesprochen hat. Jedoch folgt daraus nicht bereits die Zulässigkeit der Berufung. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels genügt es nicht, daß die angefochtene Entscheidung eine Beschwer des Rechtsmittelführers enthält. Erforderlich ist zusätzlich, daß mit dem Rechtsmittel die Beseitigung dieser Beschwer erstrebt wird (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1954 - IV ZR 87/54 - LM ZPO § 511 Nr. 6; Senatsbeschluß vom 29. September 1982 - IVb ZB 866/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen. BAG AP ZPO 511 Nr. 3; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. Einleitung vor § 511 Rdn. 47 m.w.Nachw.). Daran fehlt es hier. Denn mit der Berufung wird nicht das spätere Einsetzen der zugesprochenen Unterhaltsrente angegriffen, sondern - ab Rechtskraft der Scheidung - ein höherer monatlicher Unterhaltsbetrag als der in erster Instanz beantragte und zuerkannte verlangt.

III.

Das steht indes der Zulässigkeit der Berufung in bezug auf den Unterhaltsanspruch nicht entgegen. Der Auffassung des Berufungsgerichts, ein Rechtsmittelführer, der die ihn beschwerende Regelung des Versorgungsausgleichs in einem erstinstanzlichen Verbundurteil angreife, könne eine über den antragsgemäß zuerkannten Betrag hinausgehende Mehrforderung an nachehelichem Unterhalt nicht in zulässiger Weise mit der Berufung vor das Oberlandesgericht bringen (zustimmend: Bergerfurth, Der Ehescheidungsprozeß und die anderen Eheverfahren 5. Aufl. Rdn. 205), vermag der Senat nicht zu folgen.

Nach allgemeinen Grundsätzen darf der Rechtsmittelführer, wenn er beschwert ist, das danach zulässige Rechtsmittel zur Erweiterung der Klage benutzen (§ 523 in Verbindung mit §§ 263, 264 Nr. 2 ZPO; vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 40. Aufl. § 519 Anm. 3 B; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 13. Aufl. § 137 II 3 a = S. 821; Zöller/Stephan, ZPO 13. Aufl. § 264 Anm. II). Einem Kläger, der mit einem von zwei Sachanträgen voll obsiegt hat und mit dem anderen unterlegen ist, ist wegen der in der Abweisung liegenden Beschwer die Berufungsinstanz eröffnet, dies zwar nur zu dem Zweck, um sich gegen die Abweisung zu wehren, aber mit den Erfolg, daß er auch den zuerkannten Anspruch erweitern kann (RGZ 130, 100, 101).

Für die Anfechtung eines Verbundurteils gilt nichts anderes. Der zulässige Angriff auf das Urteil hinsichtlich einer Folgesache schafft die Möglichkeit, andere in dem Verbundurteil enthaltene Folgesachenentscheidungen, auch wenn diese nach dem Antrag des Rechtsmittelführers ergangen sind, mit jetzt erweiterten Anträgen zur Prüfung des höheren Gerichts zu stellen. Die Rechtslage entspricht insoweit derjenigen bei der Anfechtung eines Urteils, das über mehrere, auf verschiedenen Gründen beruhende Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten entschieden hat (Anspruchshäufung; § 260 ZPO). Das Gesetz ordnet in den §§ 623, 629 ZPO die gleichzeitige Verhandlung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen und für den Fall, daß dem Scheidungsantrag stattgegeben wird, die einheitliche Entscheidung darüber in einem Urteil an, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob für die einzelnen im Verbund zu behandelnden Sachen an sich unterschiedliche verfahrensrechtliche Regelungen zu gelten hätten. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts handelt es sich daher bei dem Verbundurteil um die Entscheidung eines einheitlichen Verfahrens.

Auf dieser Beurteilung der Einheitlichkeit der Verbundentscheidung beruht bereits die Rechtsprechung des Senats, daß der Rechtsmittelgegner eine bisher nicht angegriffene Folgesachenentscheidung des Verbundurteils im Wege der Anschließung an das Hauptrechtsmittel, das eine andere Folgesache aus dem Verbundurteil betrifft, der Überprüfung durch das höhere Gericht zuführen kann (Senatsbeschluß vom 14. Oktober 1981 - IVb ZB 593/80 - FamRZ 1982, 36, 38). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Hauptrechtsmittel und die Anschließung in gleicher Weise sogenannte ZPO-Folgesachen oder FGG-Folgesachen betreffen. Die Anschließungsmöglichkeit besteht auch dann, wenn die Gegenstände des Hauptrechtsmittels und der Anschließung insoweit unterschiedlichen Gruppen angehören. Der Gegner einer in einer FGG-Folgesache eingelegten Beschwerde kann sich deshalb diesem Rechtsmittel auch mit dem Ziel der Anfechtung des Scheidungsausspruchs selbst anschließen (BGH, Beschluß vom 5. Dezember 1979 - IV ZB 75/79 - FamRZ 1980, 233 = NJV 1980, 702). Die Rechtsmittel Berufung und Beschwerde sind, wie der Senat in dem Beschluß vom 8. Juli 1981 - IVb ZB 657/81 - FamRZ 1981, 946 näher dargelegt hat, nicht streng voneinander geschieden. Die Regelung des § 629 a Abs. 2 ZPO beläßt es nur für den Sonderfall, daß allein Entscheidungen in FGG-Folgesachen angefochten werden, bei dem sonst für diese vorgesehenen Rechtsmittel der Beschwerde; in allen übrigen Fällen findet einheitlich die Berufung statt.

Entsprechendes wie zur Anschließung hat auch hier zu gelten. Der zulässige Angriff des Rechtsmittelführers auf die ihn beschwerende Entscheidung zum Versorgungsausgleich, also zu einer FGG-Folgesache, eröffnet danach die rechtliche Möglichkeit, in der nach seinem Antrag entschiedenen ZPO-Folgesache "nachehelicher Unterhalt" sein Begehren vor dem Oberlandesgericht zu erweitern. Es handelt sich bei dem Rechtsmittel dann einheitlich um eine Berufung, weil das Verbundurteil nicht nur angefochten wird, soweit darin über Folgesachen der in § 621 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 6, 7, 9 ZPO bezeichneten Art erkannt ist (§ 629 a Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Dieser zweitinstanzlichen Antragserweiterung in Folgesachen kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, sie lasse die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Anfechtung der Folgesachenentscheidungen außer acht. Es trifft zwar zu, daß das Gesetz etwa für Unterhaltsforderungen mit einem Berufungswert unter 500 DM nach § 511 a ZPO die zweite Instanz nicht eröffnen will. Ist jedoch ein Rechtsmittel in zulässiger Weise eingelegt, so kann ein damit verbundener Anspruch ohne Rücksicht auf den Betrag erweitert werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018823

BGHZ 85, 140 - 145

BGHZ, 140

NJW 1983, 172-173 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1983, 119 (Volltext mit amtl. LS)

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