Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlängerte Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 12.1.2 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe in der Fassung vom 10. September 1992 stellt keine eigenständige tarifliche Regelung der verlängerten Kündigungsfristen für ältere gewerbliche Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit dar, sondern verweist nur auf den jeweiligen Gesetzeswortlaut des § 622 Abs. 2 BGB (Fortführung des Beschlusses vom 21. März 1991, 2 AZR 296/87 (B) = BAGE 67, 357 = AP Nr. 30 zu § 622 BGB und des Urteils vom 10. März 1994 - 2 AZR 296/87 (C) = RzK I 3a Nr 12 - Leitsatz -).

2. Vereinbaren die Tarifpartner lediglich eine eigenständige tarifliche Grundkündigungsfrist und verweisen hinsichtlich der verlängerten Kündigungsfristen auf das Gesetz, so spricht dies im Zweifel dafür, daß sie auch die Entscheidung darüber, ab welcher Beschäftigungszeit verlängerte Kündigungsfristen eingreifen sollen, dem Gesetzgeber überlassen wollten.

 

Normenkette

BGB § 622; EGBGB Art. 222; BauRTV § 12 Fassung 1992-09-10

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 23.08.1994; Aktenzeichen 2 Sa 22/94)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 15.12.1993; Aktenzeichen 7 Ca 302/93)

 

Tatbestand

Der 1960 geborene Kläger war seit Juli 1990 bei der Beklagten als Baufachwerker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien am 17./18. Juni 1993 ordentlich zum 7. Juli 1993. Die Parteien streiten in der Berufungs- und Revisionsinstanz nur noch darüber, ob die Beklagte bei dieser Kündigung die einschlägige Kündigungsfrist eingehalten hat. § 12 BRTV-Bau in der Fassung vom 10. September 1992 lautet:

"§ 12 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. Kündigungsfristen

1.1. Allgemeine Kündigungsfrist

Das Arbeitsverhältnis kann beiderseitig

unter Einhaltung einer Frist von 6 Werkta-

gen, nach sechsmonatiger Dauer von 12 Werk-

tagen, gekündigt werden.

1.2. Verlängerte Kündigungsfrist für ältere Ar-

beitnehmer mit längerer Betriebszugehörig-

keit

Hat das Arbeitsverhältnis in demselben Be-

trieb oder Unternehmen 5 Jahre bestanden,

so erhöht sich die Kündigungsfrist für den

Arbeitgeber auf einen Monat zum Monatsende,

hat es 10 Jahre bestanden, so erhöht sich

die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber auf

zwei Monate zum Monatsende,

hat es 20 Jahre bestanden, so erhöht sich

die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber auf

drei Monate zum Ende eines Kalenderviertel-

jahres.

Bei Berechnung der Beschäftigungsdauer wer-

den Zeiten, die vor Vollendung des 25. Le-

bensjahres liegen, nicht berücksichtigt.

Zeiten unterbrochener Betriebszugehörigkeit

werden zusammengerechnet, wenn die Unter-

brechung nicht vom Arbeitnehmer veranlaßt

wurde und wenn sie nicht länger als 6 Mona-

te gedauert hat.

..."

Der Kläger macht geltend, § 12 Ziff. 1.2 BRTV-Bau stelle lediglich eine deklaratorische Verweisung auf die gesetzliche Regelung über verlängerte Kündigungsfristen dar. Nach Inkrafttreten des Kündigungsfristengesetzes (KündFG) müsse daher auf die Kündigung, da der Prozeß schon bei Inkrafttreten des § 622 Abs. 2 Ziff. 1 BGB n.F. anhängig gewesen sei, die gesetzliche Kündigungsfrist des KündFG Anwendung finden. Danach habe das Arbeitsverhältnis erst am 31. Juli 1993 geendet. Nichts anderes ergebe sich, wenn man von einer konstitutiven Regelung ausgehe. Dann sei § 12 Ziff. 1.2 BRTV-Bau verfassungswidrig und durch die gesetzliche Regelung des KündFG zu ersetzen.

Der Kläger hat in den Rechtsmittelinstanzen nur noch beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Par-

teien weder durch die mündliche Kündigung vom

17. Juni 1993, noch durch die schriftliche Kündi-

gung vom 18. Juni 1993 vor dem 31. Juli 1993 auf-

gelöst worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, bis zu einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren gelte die ohne jeden Zweifel konstitutive Kündigungsfrist des § 12 Ziff. 1.1 BRTV-Bau. Da vor Inkrafttreten des KündFG die Wartefrist von fünf Jahren sowohl für gewerbliche Arbeitnehmer als auch für Angestellte gegolten habe und somit kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege, sei durch das Inkrafttreten des KündFG insoweit keine Änderung eingetreten. Die neu eingeführte Wartefrist von zwei Jahren lasse die Grundkündigungsfrist des § 12 Ziff. 1.1 BRTV-Bau unberührt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet, die einschlägige Kündigungsfrist beträgt nach § 622 Abs. 2 Ziff. 1 BGB n.F. einen Monat zum Ende eines Kalendermonats.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf die gesetzliche Neuregelung der Kündigungsfristen durch das KündFG komme es nicht an, da die Kündigung bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgesprochen gewesen sei. Was die Wartefrist von fünf Jahren anbelange, habe im Zeitpunkt der Kündigung eine Ungleichbehandlung von gewerblichen Arbeitnehmern im Vergleich zu den Angestellten nicht vorgelegen. Für beide habe eine Wartefrist von fünf Jahren gegolten. Es komme deshalb nicht darauf an, daß nach Inkrafttreten des KündFG die Wartefrist nunmehr lediglich zwei Jahre betrage.

II. Dem folgt der Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß nach Art. 222 EGBGB bei einer vor dem 15. Oktober 1993 zugegangenen Kündigung das KündFG auch dann gilt, wenn ein Rechtsstreit anhängig ist, bei dem die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von § 622 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 1. Halbs. BGB a.F. abhängt.

1. Durch das KündFG blieben abweichende eigenständige tarifliche Regelungen der Kündigungsfristen unberührt. Die Tariföffnungsklausel des § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB n.F. ist nicht so zu verstehen, daß lediglich in künftigen Tarifverträgen von den gesetzlichen Kündigungsfristen abgewichen werden kann. (Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 - 2 AZR 1028/94 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 40, 102 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; Urteil vom 23. September 1992 - 2 AZR 231/92 -, n.v.; BAGE 74, 167 = AP Nr. 42 zu § 622 BGB; Urteil vom 10. Mai 1994 - 3 AZR 721/93 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Verkehrsgewerbe; zuletzt Senatsurteil vom 5. Oktober 1995, aaO) ist bei Tarifverträgen jeweils durch Auslegung zu ermitteln, inwieweit die Tarifvertragsparteien eine selbständige, d.h. in ihrer normativen Wirkung von der außertariflichen Norm unabhängige eigenständige Regelung treffen wollten. Dieser Wille muß im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung treffen oder eine gesetzliche Regelung übernehmen, die sonst nicht für die betroffenen Arbeitsverhältnisse gelten würde. Für einen rein deklaratorischen Charakter der Übernahme spricht hingegen, wenn einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert übernommen werden.

a) Jedenfalls seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1988 (- 2 AZR 296/87 - AP Nr. 24 zu § 622 BGB) spricht eine inhaltliche Übernahme gesetzlicher Regelungen in ein umfassenderes tarifliches Regelwerk gegen einen eigenen Normsetzungswillen der Tarifvertragsparteien, wenn diese einen Hinweis auf die gewollte Eigenständigkeit der Regelung unterlassen. Die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann nämlich von den Tarifvertragsparteien erwartet werden. Deshalb ist auch zu erwarten, daß die Tarifvertragsparteien jedenfalls bei neueren Tarifverträgen dafür Sorge tragen, daß ihr Normsetzungswille im Tarifvertrag einen deutlichen Niederschlag findet, wenn sie mit der partiellen Übernahme von Gesetzesrecht eine eigenständige Tarifregelung beabsichtigen (vgl. auch BAGE 38, 357, 361 = AP Nr. 40 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

b) Hinzu kommt, daß die tarifdispositive Gestaltung ansonsten zwingender Gesetze es den Tarifpartnern ermöglichen soll, aufgrund ihrer besonderen Sachkenntnis den Anforderungen der Branche entsprechende, vom Gesetz abweichende Regelungen zu treffen. Auch § 622 Abs. 3 BGB a.F. ließ nicht etwa schlechthin "eigenständige tarifliche Regelungen", sondern ausdrücklich nur die Vereinbarung k ür z e r e r als der in Abs. 2 genannten Kündigungsfristen durch Tarifvertrag zu. Ob daraus zu folgern wäre, daß die Tarifvertragsparteien dem Gesetz inhaltsgleiches Tarifrecht gar nicht als eigenständige Normen vereinbaren können, mag dahinstehen. Jedenfalls würde die Schaffung konstitutiver gesetzesgleicher Tarifnormen nur im Hinblick auf künftige Gesetzesänderungen Sinn machen, von denen bei Abschluß des Tarifvertrages aber noch gar nicht feststünde, ob und ggf. wie sie wiederum tarifdispositiv gestaltet sein werden. Ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien müßte im Tarifvertrag selbst deutlich zum Ausdruck kommen, denn von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel machen die Tarifvertragsparteien in solchen Fällen gerade keinen Gebrauch.

3. Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien die im Tarifgebiet damals geltende gesetzliche Regelung über die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB inhaltlich übernommen. Die Annahme einer eigenständigen Tarifregelung würde deshalb voraussetzen, daß ein evtl. Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hätte. Dies ist, wie der Senat bereits im Aussetzungsbeschluß vom 21. März 1991 - 2 AZR 696/87 (B) - (BAGE 67, 357 = AP Nr. 30 zu § 622 BGB) unter Bezugnahme auf den früheren Beschluß vom 28. Januar 1988 (AP Nr. 24 zu § 622 BGB, zu 2 c der Gründe) näher begründet hat, nicht der Fall (offengelassen im Urteil vom 10. März 1994 - 2 AZR 296/87 (C) - RzK I 3 a Nr. 12 (Leitsatz)).

a) Der Wortlaut der Vorschrift spricht für eine bloß deklaratorische Übernahme des Gesetzestextes. Abgesehen von unwesentlichen Änderungen in der Bezifferung wird nicht nur der Inhalt des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F., sondern auch dessen Wortlaut übernommen.

b) § 12 Ziff. 1.2 Satz 3 BRTV-Bau enthält zwar eine Sonderregelung für die Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten bei unterbrochener Betriebszugehörigkeit. Diese Regelung stellt jedoch nur im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Senatsurteile vom 23. September 1976 und 6. Dezember 1976 BAGE 28, 176 und 28, 252 = AP Nr. 1 und 2 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit) klar, ab welcher Unterbrechungsdauer nicht mehr von einem engen sachlichen Zusammenhang des neu begründeten mit dem früheren Arbeitsverhältnis gesprochen werden kann. Eine solche Regelung ist sinnvoll unabhängig davon, welche Kündigungsfrist im einzelnen einschlägig ist. Für die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang § 12 BRTV-Bau eine eigenständige tarifliche Regelung der Kündigungsfristen enthält, gibt diese Sondervorschrift nichts her.

c) Auch der Hinweis auf die einschlägigen Rahmentarifverträge für Poliere und Angestellte geht fehl. Wenn die Tarifvertragsparteien in diesen Tarifverträgen ausdrücklich auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen und diese nicht wörtlich zitiert haben, so kann dies seine Erklärung darin finden, daß in diesen Tarifverträgen überhaupt keine konstitutive Regelung hinsichtlich der Kündigungsfristen erfolgt ist. Im hier einschlägigen BRTV-Bau ist jedoch nach der Senatsrechtsprechung jedenfalls die Grundkündigungsfrist des § 12 Ziff. 1.1 BRTV-Bau konstitutiv geregelt, so daß es nahe lag, schon der Vollständigkeit halber auch die übrigen, nur deklaratorisch übernommenen Kündigungsfristen wörtlich zu zitieren.

d) Sieht man einmal davon ab, daß es angesichts des klaren Wortlauts der Tarifnorm auf deren Entstehungsgeschichte kaum mehr entscheidend ankommen kann, so spricht auch die historische Entwicklung des § 12 Ziff. 1.2 BRTV-Bau in der hier einschlägigen Fassung im Ergebnis nicht für eine Absicht der Tarifpartner, die verlängerten Kündigungsfristen konstitutiv zu regeln. Gerade wenn im BRTV-Bau hinsichtlich der verlängerten Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer in früheren Fassungen gewisse Abweichungen gegenüber der gesetzlichen Regelung enthalten waren, so haben die Tarifpartner seit geraumer Zeit offenbar diesen besonderen Regelungsbedarf nicht mehr gesehen und den Tarifwortlaut in vollem Umfang an den Inhalt des § 622 Abs. 2 BGB a.F. angepaßt. Dies kann im Zweifel nur bedeuten, daß sie in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von einer eigenständigen Tarifregelung gerade absehen wollten und die gesetzliche Regelung für ausreichend hielten, den Besonderheiten ihrer Branche - jedenfalls hinsichtlich der verlängerten Kündigungsfristen - Rechnung zu tragen.

4. Stellen danach die Bestimmungen des BRTV-Bau über die verlängerten Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer kein autonomes Tarifrecht dar, gilt bis zu einer eigenständigen Tarifregelung die jeweilige gesetzliche Regelung. Dazu gehört auch Art. 222 EGBGB. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Übergangsvorschrift stellt die Revision nicht in Frage (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. März 1994 - 2 AZR 657/87 (C) - AP Nr. 45 zu § 622 BGB und BVerfG Beschluß vom 25. Januar 1994 - 1 BvL 26/93 - AP Nr. 1 zu Art. 222 EGBGB n.F.). Es hätte einer eigenständigen Tarifnorm bedurft, hätten die Tarifpartner die Übergangsbestimmung bzw. Übergangsbestimmungen dieser Art vom grundsätzlich auf die Tarifunterworfenen anzuwendenden Gesetzesrecht ausnehmen wollen. Eine solche fehlt vorliegend aber gerade.

5. Es hat auch nicht die nach der Senatsrechtsprechung konstitutive Grundkündigungsfrist des § 12 Ziff. 1.1 BRTV-Bau, die bis zum Außerkrafttreten des § 622 Abs. 2 BGB a.F. bei einer Beschäftigungsdauer bis zu fünf Jahren in demselben Betrieb oder Unternehmen galt, gewissermaßen die neuen Kündigungsfristen des KündFG überdauert, soweit die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zwischen zwei und fünf Jahren liegt. Machen die Tarifpartner von der gesetzlichen Öffnungsklausel, die Kündigungsfristen entsprechend den Branchenbedürfnissen durch Tarifvertrag abweichend vom Gesetz festzulegen, nur teilweise Gebrauch und regeln die Grundkündigungsfrist konstitutiv, während sie im übrigen auf die gesetzlichen Kündigungsfristen verweisen, so ist zwar eine Tarifregelung denkbar, die die tarifliche Grundkündigungsfrist bis zu einer bestimmten Beschäftigungsdauer verbindlich festlegt. Es hätte z.B. in der autonomen Macht der Tarifpartner gestanden, bis zu einer Beschäftigungszeit von fünf Jahren die tariflichen Grundkündigungsfristen auch unabhängig von einer gesetzlichen Neuregelung festzuschreiben, und eine solche Tarifregelung hätte dann nur noch der Kontrolle auf einen Verfassungsverstoß (Art. 3 GG) unterlegen. Für einen solchen Willen der Tarifpartner bedarf es aber eines hinreichenden Anhaltspunkts im Tarifwortlaut. Vereinbaren die Tarifpartner lediglich eine eigenständige tarifliche Grundkündigungsfrist und verweisen hinsichtlich der verlängerten Kündigungsfristen auf das Gesetz, so spricht dies im Zweifel dafür, daß sie auch die Entscheidung darüber, ab welcher Beschäftigungszeit verlängerte Kündigungsfristen eingreifen sollen, dem Gesetzgeber überlassen wollten. Setzt der Gesetzgeber die erforderliche Beschäftigungsdauer für das Eingreifen der verlängerten Kündigungsfristen herab, so gilt auch insoweit die neue gesetzliche Regelung. Den Tarifpartnern bleibt dann nur die Möglichkeit, nach der Gesetzesänderung durch einen neuen Tarifvertrag eine ggf. erforderliche Anpassung an die Branchenbedürfnisse vorzunehmen. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die Tarifpartner des BRTV vorhatten, eine Regelung konstitutiv festzuschreiben, nach der die verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen jedenfalls erst ab einer Beschäftigungszeit von fünf Jahren in demselben Betrieb oder Unternehmen eintreten sollten, ist nicht ersichtlich.

6. Nach dem danach anwendbaren § 622 BGB n.F. konnte dem Kläger am 17./18. Juni 1993 nur mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats, also zum 31. Juli 1993 gekündigt werden, weil der Kläger nach Vollendung seines 25. Lebensjahres zwei Jahre bei der Beklagten beschäftigt war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO.

Etzel Bröhl Fischermeier

Bächle Röder

 

Fundstellen

DB 1996, 1088-1089 (LT1-2)

EBE/BAG 1996, 67-69 (LT1-2)

NZA 1996, 1166

NZA 1996, 1166-1168 (LT1-2)

Quelle 1996, Nr 11, 40 (L1-2)

RdA 1996, 263 (L1-2)

RzK, I 3e Nr 53 (LT1-2)

ZAP, EN-Nr 462/96 (L)

AP § 1 TVG Tarifverträge Bau, Nr 198

AP § 622 BGB (LT1-2), Nr 50

AR-Blattei, ES 1010.5 Nr 45 (LT1-2)

EzA-SD 1996, Nr 9, 6-9 (LT1-2)

EzA § 622nF BGB, Nr 53 (LT1-2)

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