Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Arbeiterkündigungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird die Verfassungswidrigkeit tariflicher Kündigungsfristen (hier: § 4 des Manteltarifvertrages der Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden v. 5.5.1990) von einer Partei angesprochen oder vom Gericht bezweifelt, so haben die Arbeitsgerichte nach den Grundsätzen des § 293 ZPO von Amts wegen die näheren für die unterschiedlichen Kündigungsfristen maßgeblichen Umstände, die für und gegen eine Verfassungswidrigkeit sprechen, zu ermitteln (Bestätigung des Senatsurteils vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

2. Kommt als Differenzierungsgrund ua die personalwirtschaftliche Flexibilität im produktiven Bereich in Betracht, so ist jedenfalls zu klären, wie hoch in der Produktion bzw im Verwaltungsbereich jeweils prozentual der Anteil der beschäftigten Arbeiter und der der Angestellten ist und ob dieses Verhältnis im Falle eines Tarifvertrages im Geltungsbereich verschiedener Industriezweige (Unterbranchen) im wesentlichen einheitlich ist.

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats: "Verfassungsmäßigkeit der Grundkündigungsfrist in einem Tarifvertrag mit konstitutiver Regelung."

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.10.1992; Aktenzeichen 7 Sa 32/92)

ArbG Ulm (Entscheidung vom 04.03.1992; Aktenzeichen (1) 6 Ca 405/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verfassungsmäßigkeit der Grundkündigungsfristen nach § 4.5.1.1 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990, gültig ab 1. April 1990.

Der am 27. April 1936 geborene Kläger war seit dem 1. Juni 1991 bei der Beklagten als Staplerfahrer zu einem Monatslohn von zuletzt 3.157,-- DM brutto beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. November 1991, dem Kläger zugegangen am gleichen Tage, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 13. Dezember 1991.

Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag der Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990, gültig ab 1. April 1990, Anwendung (im folgenden kurz: MTV). Dieser sieht in den §§ 2 und 4 MTV Regelungen über die Kündigungsfristen für Angestellte und Arbeiter wie folgt vor:

§ 2

Einstellung und Probezeit

...

2.6 Eine Probezeit gilt nur dann als verein-

bart, wenn eine schriftliche Vereinbarung

der Parteien des Arbeitsvertrages vor-

liegt.

...

Die Kündigung des Probearbeitsver- hält-

nisses kann bis zum letzten Tag der Pro-

bezeit beiderseits,

bei Arbeitern

innerhalb der ersten vier Wochen Be-

triebszugehörigkeit mit Wochenfrist zum

Wochenschluß, danach bis zum Ende der

Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen

zum Wochenschluß,

bei Angestellten

mit Monatsfrist zum Monatsende, schrift-

lich erklärt werden.

...

...

§ 4

Kündigung und Aufhebungsvertrag

...

4.4 Einem Beschäftigten, der das 53., aber

noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet

hat und dem Betrieb mindestens drei Jahre

angehört, kann nur noch aus wichtigem

Grund gekündigt werden.

Dies gilt auch für eine Änderungskündi-

gung.

4.5 Kündigungsfristen

4.5.1 Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt

für

4.5.1.1 Arbeiter

innerhalb der ersten 4 Wochen Betriebszu-

gehörigkeit eine Woche,

von der 5. Woche an 2 Wochen,

jeweils zum Wochenschluß;

nach einer Betriebszugehörigkeit von 3

Jahren einen Monat zum Monatsende;

4.5.1.2 Angestellte

innerhalb der ersten 3 Monate Betriebszu-

gehörigkeit einen Monat zum Monatsende,

nach Ablauf der ersten 3 Monate 6 Wochen

zum Ende des Kalendervierteljahres.

4.5.2 Die Kündigungsfrist des Arbeitgebers be-

trägt gegenüber dem Beschäftigten nach

einer Betriebszugehörigkeit von

5 Jahren mindestens 3 Monate

8 Jahren mindestens 4 Monate

10 Jahren mindestens 5 Monate

12 Jahren mindestens 6 Monate

jeweils zum Schluß eines Kalenderviertel-

jahres.

4.5.3 Bei der Berechnung der Betriebszugehörig-

keit gemäß § 4.5.2 werden Beschäftigungs-

zeiten, die vor der Vollendung des

25. Lebensjahres liegen, nicht berück-

sichtigt.

...

Während der Kläger in erster Instanz auch die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung gerügt und zunächst Weiterbeschäftigung sowie die Feststellung beantragt hatte, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. November 1991 zum 13. Dezember 1991 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe, hat er in zweiter Instanz nur noch geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei nicht mit Ablauf der von der Beklagten eingehaltenen Frist beendet worden, sondern habe bis zum 31. März 1992 fortbestanden. Insoweit hat er sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB) berufen und die Auffassung vertreten, die in § 4.5.1.1 des MTV vorgesehene Grundkündigungsfrist für die ordentliche Kündigung gewerblicher Arbeitnehmer sei wegen fehlender sachlicher Differenzierungsgründe für die Verschlechterung der Rechtsstellung gegenüber den Angestellten verfassungswidrig und durch eine allgemein für Arbeitnehmer geltende Frist von sechs Wochen zum Quartalsende zu ersetzen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Manteltarifvertrag für eine Vielzahl eigenständiger Branchen, die viele Besonderheiten aufwiesen, gelte und gerade keine "branchenspezifischen" Kündigungsregelungen enthalte. Es gebe im übrigen unbestritten auch Werke, bei denen in der Produktion mehr Angestellte als Arbeiter beschäftigt seien.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen

den Parteien durch die Kündigung vom 27. November

1991 zum 13. Dezember 1991 nicht aufgelöst wurde,

sondern bis 31. März 1992 fortbestanden hat.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die von ihr eingehaltene tarifliche Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Wochenschluß sei nicht zu beanstanden. Eine Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten am Beginn ihres Arbeitsverhältnisses sei von den Tarifvertragsparteien aus sachlichen Gründen nicht gewollt gewesen, vielmehr seien sie, wie sich auch aus dem Manteltarifvertrag ergebe, von einer branchenspezifischen Notwendigkeit kürzerer Grundkündigungsfristen ausgegangen. Gerade die Regelungen in § 4.5.2 MTV über die verlängerten Kündigungsfristen und der Alterskündigungsschutz in § 4.4 MTV - beide beinhalten unstreitig eine Gleichstellung zwischen den Arbeitern- und Angestelltengruppen sowie eine Besserstellung der Arbeiter im Verhältnis zu den gesetzlichen Vorschriften - ließen nur den Schluß zu, daß für die kürzeren Grundkündigungsfristen sachliche Erwägungen vorgelegen haben müßten. Eine branchenspezifische Notwendigkeit kürzerer Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse mit Arbeitern ergebe sich auch daraus, daß der Anteil der gewerblichen Arbeitnehmer bei den Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes 61,3 % ausmache und nahezu alle Arbeiter im produktiven Bereich eingesetzt seien. Technische und wirtschaftliche Veränderungen würden sich in diesem Bereich unmittelbar auswirken. Personelle Folgemaßnahmen seien daher zuerst für diesen Arbeitnehmerbereich erforderlich, so daß Entlassungen und Änderungskündigungen kurzfristiger möglich sein müßten als in anderen Bereichen. Demgegenüber träten solche Anpassungserfordernisse in den administrativen Bereichen erst später auf, so daß dort längere Kündigungsfristen vertretbar seien.

Ein weiterer sachlicher Grund für die die Angestelltengruppe privilegierenden Kündigungsregelungen sei auch darin zu sehen, daß Angestellte im Falle einer Entlassung im allgemeinen geringere Aussichten hätten, rasch einen neuen Arbeitsplatz zu finden, weil sie höher qualifiziert seien als Arbeiter. In der Metall- und Elektroindustrie bestünden typische Unterschiede in Tätigkeit und Qualifikation zwischen Arbeitern und Angestellten. Nur noch ein Drittel der dort beschäftigten Arbeitnehmer seien Angestellte. Sie übten fast ausnahmslos Tätigkeiten aus, die eine für Angestellte typische Qualifikation erforderten, während nahezu die Hälfte der Arbeiter Angelernte oder Hilfsarbeiter seien.

Schließlich sei ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Regelung der Grundkündigungsfrist zwischen Angestellten und Arbeitern auch darin zu finden, daß sowohl auf Seiten der Arbeiter als auch auf seiten des Arbeitgebers zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ein größeres Interesse und auch Bedürfnis an einer schnellen Auflösbarkeit des Arbeitsverhältnisses bestünde, zumal die Zahl der ungelernten Arbeitnehmer bei den Arbeitern - hierüber bestehe zwischen den Parteien kein Streit - höher sei als bei den Angestellten und die Eignung des Arbeiters für den fraglichen Arbeitsplatz bei der Einstellung schlecht abzuschätzen sei. Letztendlich sei auch zu berücksichtigen, daß sich die Länge der Kündigungsfristen zwangsläufig auf die Kosten von Sozialplänen auswirken würde. Die Metall- und Elektroindustrie als produzierendes Gewerbe müsse auf Konjunktureinbrüche und schlechte Auftragslagen umgehend und ohne weitere Verteuerung von Sozialplänen durch längere Kündigungsfristen für Arbeiter reagieren können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 13. Dezember 1991 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. März 1992 fortbestanden hat. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht, § 565 ZPO.

I. Das Berufungsgericht hat die für den Kläger einschlägige Grundkündigungsfrist des § 4.5.1.1 MTV-Metall von zwei Wochen zum Wochenschluß für verfassungswidrig angesehen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, diese Bestimmung enthalte zwar hinsichtlich der ordentlichen Kündigungsfrist für Arbeitsverhältnisse von Arbeitern eine eigenständige Regelung. Dies ergebe sich daraus, daß die Tarifvertragsparteien in Abweichung vom Gesetz während der ersten fünf Jahre Betriebszugehörigkeit unterschiedliche und differenziertere Kündigungsfristen festgelegt hätten. Die Regelung in § 4.5.1.1 MTV verstoße jedoch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei daher unwirksam (§ 134 BGB). Die tariflichen Bestimmungen ergäben keine ausreichenden Anhaltspunkte für Sachgründe, die den unterschiedlichen tariflichen Kündigungsfristen zugrundeliegen könnten. Weder die Regelung zur Kündigung während der Probezeit in § 2.6 MTV noch die verlängerten Kündigungsfristen in § 4.5.2 MTV sowie die auch für Arbeiter günstige Bestimmung des § 4.4 MTV ließen entgegen der Ansicht der Beklagten mangels konkreterer Einzelangaben den zwingenden Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien sich bei der Festlegung der unterschiedlichen Grundkündigungsfristen von sachlichen Erwägungen hätten leiten lassen.

Sachliche Gründe für die Differenzierung bei den streitgegenständlichen Grundkündigungsfristen ergäben sich auch nicht aus den tatsächlichen Verhältnissen. Zu der von der Beklagten behaupteten Fluktuation und dem beiderseitigen Interesse an einer schnelleren Lösungsmöglichkeit während der ersten Zeit der Beschäftigung sowie zu den von der Beklagten behaupteten und von dem Kläger bestrittenen längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit von Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie würden nähere Angaben, insbesondere auch Zahlenangaben, fehlen. Dasselbe gelte auch für den Vortrag der Beklagten, längere Kündigungsfristen für Arbeiter ab dem 3. Beschäftigungsmonat würden zwangsläufig zu höheren Kosten bei Sozialplänen führen. Darüber hinaus könnten kürzere Grundkündigungsfristen für Arbeiter auch nicht mit dem Sachgrund der personalwirtschaftlichen Flexibilität begründet werden, da dieses Argument nur für die Festlegung kürzerer Kündigungsfristen für Arbeiter bei betriebsbedingten Kündigungen spreche, und nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Klägers nur ca. 1/3 aller von der Arbeitgeberseite ausgesprochenen Kündigungen betriebsbedingt sei.

Daneben könnten unterschiedliche Kündigungsfristen für im Produktionsbereich beschäftigte Arbeiter und Angestellte auch nicht mit einem Flexibilitätsbedürfnis wegen Auftragsschwankungen und dergleichen begründet werden, da eine branchenspezifische Notwendigkeit für schnelle Personaldispositionen gerade bei Arbeitern nicht zu erkennen sei, zumal die Beklagte den Vortrag des Klägers, vom Manteltarifvertrag würden auch Arbeitgeber erfaßt, die in ihren Werken in der Produktion mehr Angestellte als Arbeiter beschäftigen würden, nicht bestritten habe.

Schließlich spreche hier auch bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelungen entgegen dem Hinweis der Beklagten keine Vermutung dafür, daß die Tarifpartner die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt hätten.

Da der Tarifvertrag eine unbewußte Regelungslücke aufweise, müsse diese im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. § 157 BGB seitens des Gerichts geschlossen werden. Nachdem die Vertragsparteien in der Vergangenheit zunehmend einheitliche Regelungen für Arbeiter und Angestellte auch im Bereich der Kündigungsregelungen geschaffen hätten, sei davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien - wenn ihnen die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigungsregelungen bekannt gewesen wäre - die für Angestellte geltende Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres vereinbart hätten, so daß die Kündigung vom 27. November 1991 das Arbeitsverhältnis des Klägers erst zum 31. März 1992 aufgelöst habe.

II. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts kann nach den bisher hierzu vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen im Ergebnis nicht gefolgt werden. Die Revision rügt vielmehr zu Recht, das Urteil beruhe auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast.

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt allerdings zutreffend angenommen, der kraft Organisationszugehörigkeit beider Parteien für das Arbeitsverhältnis geltende Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990 enthalte in § 4.5.1.1 MTV eine eigenständige Regelung der Grundkündigungsfristen für Arbeiter.

a) Eine eigenständige Regelung ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung treffen oder eine gesetzliche Regelung übernehmen, die sonst nicht für die betroffenen Arbeitsverhältnisse gelten würde. Für einen rein deklaratorischen Charakter der Übernahme spricht hingegen, wenn einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich übernommen werden. In einem derartigen Fall ist bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß es den Tarifvertragsparteien darum gegangen ist, im Tarifvertrag eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden. Sie haben dann die unveränderte gesetzliche Regelung im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit deklaratorisch in den Tarifvertrag aufgenommen, um die Tarifgebundenen möglichst umfassend über die zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten (Senatsbeschluß vom 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - AP Nr. 24 zu § 622 BGB, zu II 2 c aa der Gründe; Senatsurteil vom 21. März 1991 - 2 AZR 616/90 - AP Nr. 31 aaO, zu II 1 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht § 4.5.1.1 MTV als eigenständige Regelung angesehen. Dies ist zutreffend und wird auch von der Revision nicht anders gesehen.

aa) Die Eigenständigkeit der Regelung über die Grundkündigungsfristen für Arbeiter im Manteltarifvertrag folgt zunächst daraus, daß die Tarifpartner in § 4.5.1.1 MTV in zulässiger Abweichung (§ 622 Abs. 3 BGB) von der gesetzlichen Regelung einer zweiwöchigen Frist (§ 622 Abs. 2 BGB) die Kündigungsfristen für beide Seiten innerhalb der ersten vier Wochen auf eine Woche zum Wochenschluß, von der fünften Woche an auf zwei Wochen zum Wochenschluß und nach drei Jahren auf einen Monat zum Monatsende festgelegt haben. Sie haben damit die inzwischen für verfassungswidrig erklärte Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB anders geregelt, nämlich einerseits in der ersten Stufe (innerhalb der ersten vier Wochen Betriebszugehörigkeit) unterschritten, andererseits aber in der ersten und zweiten Stufe (innerhalb der ersten vier Wochen und ab der fünften Woche Betriebszugehörigkeit) mit dem Erfordernis einer Kündigungserklärung zum Wochenschluß ebenso wie in der dritten Stufe (nach einer Betriebszugehörigkeit von drei Jahren) mit einer abweichenden Regelung der Wartezeit sowie mit einer Erhöhung der Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende verbessert.

Bereits dadurch wird ein selbständiger Regelungswille für diesen Personenkreis deutlich.

bb) Auch in den Kündigungsfristen selbst ergeben sich Unterschiede.

Die Grundkündigungsfrist bei gewerblichen Arbeitnehmern ist zwar in den ersten vier Wochen Betriebszugehörigkeit kürzer, aber im Vergleich zu dem für verfassungswidrig erklärten § 622 Abs. 2 BGB wird bereits nach einer Betriebszugehörigkeit von drei Jahren die Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende erhöht, während § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in der verfassungswidrigen Fassung dies erst nach fünf Jahren Betriebszugehörigkeit vorsieht. Zu diesem Zeitpunkt beträgt aber die tarifliche Kündigungsfrist bereits drei Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres (vgl. § 4.5.2 MTV), während dies gesetzlich erst nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit vorgesehen war. Eine weitere Ausdehnung zugunsten der gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber § 622 Abs. 2 BGB besteht darin, daß in den §§ 4.5.2 und 4.5.3 MTV sowohl die Wartezeiten als auch die Kündigungsfristen bei länger beschäftigten Arbeitern für die Arbeitgeberkündigung dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten angeglichen worden sind.

Eine Verschlechterung enthält der Tarifvertrag allerdings insoweit, als die gesetzliche Regelung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist innerhalb der ersten vier Wochen nicht übernommen wird, sondern insoweit durch die Festlegung einer Kündigungsfrist von einer Woche eine Abweichung zu den Kündigungsfristen der gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber § 622 Abs. 2 BGB enthält.

2. Bei dieser Rechtslage hat das Berufungsgericht zutreffend in eigener Kompetenz geprüft, ob die Regelung des § 4.5.1.1 MTV für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden im Vergleich zu der für Angestellte geltenden Fristenregelung des § 4.5.1.2 MTV mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar ist, an den auch die Tarifvertragsparteien uneingeschränkt gebunden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - AP Nr. 37, aaO = EzA § 622 n.F. BGB Nr. 41, zu II 2 a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

3. Der Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Kündigungsfristen für Arbeiter in Tarifverträgen befunden (vgl. zuletzt Urteile vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 389/91 - AP Nr. 35, aaO = EzA § 622 n.F. BGB Nr. 40; - 2 AZR 470/91 -, aaO; - 2 AZR 460/91 - AP Nr. 36, aa0 = EzA, aaO, Nr. 42, sämtlich zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Urteil vom 2. April 1992 - 2 AZR 516/91 - AP Nr. 38, aa0 = EzA § 622 n.F. BGB Nr. 43; Urteil vom 23. September 1992 - 2 AZR 231/92 - n.v. und Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Danach fehlt es an sachlichen Gründen für unterschiedliche Regelungen, wenn eine Schlechterstellung der Arbeiter nur auf einer pauschalen Differenzierung zwischen den Gruppen der Angestellten und der Arbeiter beruht. Sachlich gerechtfertigt sind dagegen hinreichend gruppenspezifisch ausgestaltete unterschiedliche Regelungen, die z.B. nur eine verhältnismäßig keine Gruppe nicht intensiv benachteiligen, oder funktions-, branchen- oder betriebsspezifischen Interessen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages mit Hilfe verkürzter Kündigungsfristen für Arbeiter entsprechen (z.B. überwiegende Beschäftigung von Arbeitern in der Produktion), wobei andere sachliche Differenzierungsgründe nicht ausgeschlossen sind. Dieser Prüfungsmaßstab gilt sowohl für unterschiedliche Grundfristen als auch für ungleich verlängerte Fristen für Arbeiter und Angestellte mit längerer Betriebszugehörigkeit und höherem Lebensalter. Zunächst vielleicht erhebliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit oder eines betrieblichen Interesses an einer flexiblen Personalplanung und -anpassung verlieren bei längerer Betriebszugehörigkeit erheblich an Gewicht (Senatsteilurteil vom 29. August 1991 - 2 AZR 220/91 (A) - AP Nr. 32 zu § 622 BGB, zu II 4 c cc der Gründe).

a) In diesem Zusammenhang greift die Rüge der Revision nicht durch, die Prüfungskompetenz der Arbeitsgerichte bei Tarifnormen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG sei wegen der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie letztlich nur auf Fälle der Willkür, verbunden mit und ausgehend von der Vermutung, daß die von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifnormen rechtswirksam und daher bereits durch ihre Existenz für die Arbeitsgerichte verbindlich seien, beschränkt.

b) Demgegenüber hält der Senat an der bisherigen Rechtsprechung zu einer differenzierenden Anwendung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG fest.

In seiner Entscheidung vom 21. März 1991 (- 2 AZR 616/90 - AP Nr. 31 zu § 622 BGB = EzA § 622 n.F. BGB Nr. 31, unter II 2 c der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) hat der Senat ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürften zwar die Tarifvertragsparteien den Grundrechten der Normunterworfenen einerseits keine engeren Grenzen ziehen, als dies dem Gesetzgeber erlaubt sei (seit BAGE 1, 258 = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG; BAG Urteil vom 6. Februar 1985 - 4 AZR 370/83 - AP Nr. 16 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung, m.w.N.), und weitergehende Eingriffsbefugnisse könnten insbesondere nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG hergeleitet werden. Allerdings müßte es den Tarifparteien wegen der durch die Verfassung garantierten Tarifautonomie überlassen bleiben, in eigener Verantwortung unter Umständen Zugeständnisse in einer Hinsicht mit Vorteilen in anderer Hinsicht auszugleichen (BAGE 28, 14, 18 f. = AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 der Gründe; BAGE 38, 118 = AP Nr. 47, aaO). Die Norm des Art. 9 Abs. 3 GG schütze die Koalitionen vor staatlichen Eingriffen und gegenüber Dritten. Es sei daher bereits im Ansatz verfehlt, das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuwägen und dem aus Art. 9 Abs. 3 GG das größere Gewicht zu verleihen. Zwar spreche bei allgemeinen tariflichen Regelungen die Vermutung für einen sachgerechten Interessenausgleich. Das gelte aber für die Frage der sachgerechten Differenzierung von Kündigungsfristen der Arbeitnehmer, wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 30. Mai 1990 ausgeführt hat (vgl. dazu BVerfGE 82, 126, 149 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB, zu C I 4 c der Gründe), nur eingeschränkt.

Der Senat hat also nicht undifferenziert und pauschal eine Richtigkeitsgewähr für die Sachgerechtheit von tariflichen Kündigungsfristenregelungen angenommen. Er hält daran fest, daß es einen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber für die Großgruppen aller Arbeiter und Angestellten oder die Tarifparteien nur für die Arbeitnehmer einer bestimmten Branche Regelungen treffen (BVerfGE 82, 126, 154 = AP, aa0); wegen der Gleichgewichtigkeit der Tarifparteien ist jedenfalls dann, wenn sich dafür konkrete Anhaltspunkte ergeben, davon auszugehen, daß bei einer Gesamtbetrachtung der Regelungen die Arbeitnehmerinteressen angemessen berücksichtigt werden; insoweit besteht eine materielle Richtigkeitsgewähr für die tariflichen Regelungen, indem sie die Vermutung für sich haben, daß sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln (Senatsurteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 389/91 - AP Nr. 35, aaO, zu II 5 a der Gründe). Die Revision weist im übrigen mit einigem Recht darauf hin, daß angesichts der mitgliedschaftlichen Legitimation der Tarifvertragsparteien anders als beim Gesetzgeber eine zusätzliche systembedingte Richtigkeitskontrolle vorliege. Allerdings vermag der Senat der Beklagten nicht dahin zu folgen, daß bei tariflichen Regelungen lediglich eine Willkürkontrolle zu erfolgen habe. Damit soll letztlich doch wieder dem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG eine Präferenz vor dem aus Art. 3 Abs. 1 GG eingeräumt werden, was angesichts der Gleichgewichtigkeit dieser Grundrechte abzulehnen ist (vgl. BAGE 1, 268 = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG).

Demgemäß greift die Rüge der Revision nicht, das Landesarbeitsgericht habe die Klärung unterlassen, ob und inwieweit Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich als Prüfungsmaßstab im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar und tauglich sei. Das Landesarbeitsgericht ist vielmehr ausdrücklich von diesen oben zitierten Grundsätzen bei seiner Entscheidung ausgegangen.

4. Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze jedoch auf den vorliegenden Fall nicht richtig angewendet.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst ausgeführt, ein die Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigender Grund ergebe sich weder aus den tariflichen Bestimmungen selbst noch aus den tatsächlichen Verhältnissen. Insoweit sei der von der Beklagten zum behaupteten beiderseitigen Interesse an einer schnellen Lösungsmöglichkeit geleistete Vortrag völlig unbestimmt gehalten. Es würden Angaben darüber fehlen, auf welche Betriebszugehörigkeitsdauer er sich beziehe und auch Zahlen würden nicht angeführt. Auch zu der behaupteten Fluktuation während der ersten Zeit der Beschäftigung bei Arbeitern und Angestellten sowie zu der Behauptung, die in der Metall- und Elektroindustrie beschäftigten Angestellten hätten mit einer längeren Zeit der Arbeitslosigkeit zu rechnen, würden konkrete Ausführungen und Zahlenangaben fehlen. Dasselbe gelte auch für den Vortrag der Beklagten, längere Kündigungsfristen für Arbeiter ab dem dritten Beschäftigungsmonat würden zwangsläufig zu höheren Kosten bei Sozialplänen führen.

Insoweit rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht gehe von verfehlten Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen aus.

aa) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 4. März 1993 (- 2 AZR 355/92 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu II 2 b der Gründe) ausgeführt, bei den Tarifvertragsnormen, die ein Arbeitsverhältnis regeln können, handele es sich nicht um staatliches Gesetzesrecht, sondern um kraft des Tarifvertragsgesetzes von den Tarifvertragsparteien gesetztes autonomes Recht, das als statutarisches Recht nach den Grundsätzen des § 293 ZPO zu behandeln sei (BAGE 4, 37, 39 = AP Nr. 4 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz, mit Anm. von Gumpert; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 293 Rz 4; Zöller/Geimer, ZPO, 17. Aufl., § 293 Rz 4). Das bedeute, daß die Beurteilung der tariflichen Kündigungsfristen letztlich nicht allein von der Frage der Darlegungs- und Beweislast abhänge; vielmehr hätten die Arbeitsgerichte von Amts wegen die näheren für die unterschiedlichen Kündigungsfristen maßgeblichen Umstände, die für und gegen eine Verfassungswidrigkeit sprächen, zu ermitteln, sofern eine Partei oder das Gericht selbst an deren Verfassungsmäßigkeit Zweifel hege. Andernfalls käme es - je nach Parteivortrag und ausreichendem oder nicht ausreichendem Bestreiten, evtl. von Tarifaußenseitern - zu völlig unterschiedlichen Vertragsbewertungen der Gerichte. Insofern sei die Rechtslage nicht anders zu beurteilen, als wenn überhaupt die Rechtmäßigkeit eines Tarifvertrages in Rede stehe, was ebenfalls von Amts wegen zu ermitteln sei (vgl. BAGE 7, 153 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG; BAG Urteil vom 18. November 1965 - 2 AZR 92/65 - AP Nr. 17 zu § 1 TVG; siehe auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 73 Rz 11; Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 73 Rz 9, m.w.N.).

bb) Das Berufungsgericht hätte hier (vgl. Senatsurteil vom 4. März 1993, aaO, zu II 2 b der Gründe) die Voraussetzungen der Wirksamkeit der Rechtsnorm von sich aus ermitteln müssen, nachdem der Kläger die Verfassungsmäßigkeit der Tarifnorm gerügt hat. Seine Schlußfolgerung, § 4.5.1.1 MTV sei verfassungswidrig, beruht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage, weil hierfür die für die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast gerade nicht gelten. Das Berufungsgericht hätte sich daher nicht mit der Feststellung der mangelnden Substantiierung hinsichtlich der einzelnen von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen zu einer stärkeren Fluktuation der Arbeiter, zu einem Flexibilitätsbedürfnis im produktiven Bereich, zu einer längeren Zeit der Arbeitslosigkeit von Angestellten sowie zu den erhöhten Sozialplankosten begnügen dürfen, vielmehr hätte es nach den Grundsätzen des § 293 ZPO weiter ermitteln müssen. Dies wird nachzuholen sein, wobei den Parteien außerdem Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben ist.

b) Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Sachgrundes der personalwirtschaftlichen Flexibilität im Hinblick auf eine Beschäftigung nahezu aller Arbeiter im produktiven Bereich - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - angenommen hat, dieser könne nur für betriebsbedingte Kündigungen anerkannt werden, trifft dies so nicht zu. Das Gericht folgt damit der unzutreffenden Ansicht des Klägers, der Sachgrund der personalwirtschaftlichen Flexibilität könne nur für betriebsbedingte Kündigungen anerkannt werden.

Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 30. Mai 1990 (AP, aaO, zu C I 4 g) ausgeführt, das Flexibilitätsargument decke die Ungleichbehandlung nicht nur im Hinblick auf die Normadressaten - Großgruppen der Arbeiter und Angestellten -, sondern auch in sachlicher Hinsicht nur teilweise ab. Es treffe allein für betriebsbedingte Kündigungen zu. Bei normaler Konjunkturlage seien jedoch fast 2/3 aller Kündigungen verhaltens- oder personenbedingt. Auch in Zeiten schlechter Konjunktur seien weniger als die Hälfte aller Kündigungen betriebsbedingt. Der Senat hat in den die Tarifverträge mit Wiedereinstellungs- oder Anrechnungsklauseln betreffenden Urteilen (vgl. u. a. Urteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - AP, aaO) ausgeführt, die betreffende Klausel sei zwar nur für betriebsbedingte Entlassungen vorgesehen; dies bestätige aber zumindest indirekt, daß auch die Tarifpartner ein Bedürfnis nach flexibler Personalwirtschaft grundsätzlich berücksichtigt hätten. Wenn sie dem durch die Grundkündigungsfrist generell, also nicht nur für betriebsbedingte Kündigungen, Rechnung getragen hätten, so spreche dies dafür, daß sie den Anteil der betriebsbedingten im Vergleich zu den verhaltens- und personenbedingten Kündigungen besonders hoch veranschlagt oder jedenfalls für ausschlaggebend angesehen hätten. Den Tarifpartnern sei insoweit im Rahmen der ihnen gewährten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) eine sachverständige Beurteilungskompetenz einzuräumen. Dies gilt allgemein für Tarifverträge, die die Kündigungsfristen unabhängig vom Kündigungsgrund einheitlich regeln, wie der Senat im Urteil vom 23. September 1992 (- 2 AZR 231/92 - nicht veröffentlicht) ausgeführt hat. Daran hält der Senat fest.

c) Darüber hinaus führt das Berufungsgericht zu dem Sachgrund der personalwirtschaftlichen Flexibilität im produktiven Bereich weiter aus, unterschiedliche Kündigungsfristen zwischen Arbeitern und Angestellten seien auch deswegen sachlich nicht gerechtfertigt, weil eine branchenspezifische Notwendigkeit für schnelle Personaldispositionen gerade bei Arbeitern nicht zu erkennen sei. Die Beklagte habe den Vortrag des Klägers, vom Manteltarifvertrag würden auch Arbeitgeber erfaßt, die in ihren Werken in der Produktion mehr Angestellte als Arbeiter beschäftigen würden, nicht bestritten. Diese Feststellung ist unerheblich, solange keine genaueren Zahlen- und Prozentangaben vorliegen, die Rückschlüsse darauf zulassen, ob es sich hierbei überhaupt um eine nennenswerte, repräsentative Zahl von Betrieben handelt. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 26, 265, 275 f.) prüft, ob eine größere Zahl von Betroffenen ohne rechtfertigenden Grund stärker belastet wird und mißt andererseits der Benachteiligung oder Bevorzugung einer verhältnismäßig kleinen Gruppe keine Bedeutung zu.

Auch die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Anteil der gewerblichen Arbeitnehmer bei den Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes 61,3 % ausmache und nahezu alle Arbeiter im produktiven Bereich eingesetzt seien, enthält keine ausreichende Grundlage für die vom Landesarbeitsgericht gezogene Schlußfolgerung einer sachfremden Differenzierung, weil hier zwischen den Begriffen "Überwiegende Beschäftigung der Arbeiter im produktiven Bereich" und den "vom Manteltarifvertrag im einzelnen erfaßten Branchen und den dort bestehenden Beschäftigungsstrukturen" zu trennen ist.

aa) Der Senat hat zwar im Urteil vom 23. Januar 1992 (- 2 AZR 470/91 - AP, aaO) für den Bereich der Textilindustrie Nordrhein bei einem Arbeiteranteil von 65 % und einem Angestelltenanteil von ca. 35 % der Beschäftigten sowie ganz überwiegender Beschäftigung der Arbeiter in der Produktion die erhöhte personalwirtschaftliche Flexibilität als Sachgrund für die unterschiedlichen Grundkündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte in jenem Bereich anerkannt. Er hat dort ausgeführt, auch wenn Umsatzentwicklungen frühzeitig erkennbar und bei der Personalbedarfsplanung zu berücksichtigen seien, ändere dies nichts daran, daß Anpassungen sich zunächst und unmittelbar im Produktionsbereich auswirkten, wenn auch der administrative Bereich auf Dauer ebenfalls nicht unberührt bleiben werde. Selbst wenn Auftragsbestände einen Zeitraum von mehreren Monaten abdeckten, könne dem eine ältere Belegschaft mit längeren Kündigungsfristen gegenüberstehen, was es gerade deshalb erforderlich mache, betriebsbedingte Kündigungen bei Arbeitern mit kürzerer Betriebszugehörigkeit verhältnismäßig rasch umsetzen zu können. Gerade weil bei längerer Betriebszugehörigkeit sachliche Differenzierungsgründe für unterschiedliche Wartezeiten immer weniger anzuerkennen seien, werde der Handlungsspielraum des Arbeitgebers so eingeengt, daß er jedenfalls bei den Grundkündigungsfristen um so eher erhalten bleiben müsse. Wenn hierbei keine völlige Gleichstellung mit den Angestellten erreicht werde, so sei dies unerheblich, da Art. 3 Abs. 1 GG keine "Gleichmacherei" verlange. Das Bundesverfassungsgericht habe in der Entscheidung vom 30. Mai 1990 (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB) geprüft, ob eine "beträchtliche" Ungleichbehandlung vorliege. Da hier die Ungleichbehandlung "abgemildert" worden sei, erscheine sie im Hinblick auf die branchenspezifische Schichtung von Arbeitern und Angestellten noch hinnehmbar.

bb) In den Urteilen vom 23. September 1992 (- 2 AZR 231/92 -, unveröffentlicht) und vom 15. Oktober 1992 (- 2 AZR 296/92 -, unveröffentlicht - beide Urteile betrafen die tariflichen Grundkündigungsfristen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen) hat jedoch der Senat darauf hingewiesen, ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität als Sachgrund für die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich der Grundkündigungsfristen bestehe nicht generell schon wegen des größeren Umfangs des Einsatzes von Arbeitern in jeder Produktion ohne Rücksicht auf die Verhältnisse in der jeweiligen Branche. Die Senatsurteile vom 23. Januar 1992 (- 2 AZR 470/91 - und - 2 AZR 460/91 - Textilindustrie sowie - 2 AZR 389/91 - Gartenbau -, AP Nr. 37, 36 und 35 zu § 622 BGB) sowie vom 2. April 1992 (- 2 AZR 516/91 - Bau-Hauptgewerbe, AP Nr. 38 zu § 622 BGB) beträfen Tarifverträge für Bereiche, deren Betriebe aus branchenspezifischen Gründen besonderen produkt-, mode-, witterungs- oder saisonbedingten Auftragsschwankungen ausgesetzt seien, wobei einige der einschlägigen Tarifverträge als gewissen Ausgleich für den geringeren Bestandsschutz der von den kurzen Grundkündigungsfristen betroffenen Arbeiter nach betriebsbedingter Entlassung im Fall der Wiedereinstellung innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Anrechnung der früheren Betriebszugehörigkeit (Textilindustrie Nordrhein) oder sogar die Wiedereinstellung (Gartenbau, Bau-Hauptgewerbe) vorsähen. Auch wenn der Senat das nicht als zwingende Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung angesehen und deshalb auch die kurzen Grundkündigungsfristen in dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Textilindustrie in Baden-Württemberg gebilligt hat, dürften jedoch die Besonderheiten, die sich aus der Produktion in Bereichen wie den vorstehend erwähnten ergeben, nicht pauschal auf alle Produktionsbereiche erweitert werden.

(1) Von einer solchen pauschalen Erweiterung auf alle Produktionsbereiche ist die Beklagte sowohl in ihrer Berufungs- als auch in ihrer Revisionsbegründung ausgegangen, wenn sie zuletzt ohne Rücksicht auf die Verhältnisse der jeweiligen (Unter-)Branche ausführt, in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden, die aus Unternehmen der Automobilindustrie, der Automobilzulieferer, der Elektroindustrie, des Maschinenbaus und des Werkzeugbaus zusammengesetzt sei, bestehe aufgrund der dort weitestgehend in der Produktion tätigen Arbeiter eine branchenspezifische Notwendigkeit kürzerer Grundkündigungsfristen für Arbeiter in all diesen Unternehmen. Die Ausführungen der Beklagten decken (noch) nicht die besonderen branchenspezifischen Verhältnisse des hier einschlägigen Manteltarifvertrages ab, dessen Geltungsbereich, wie auch die Ausführungen des Klägers in der Berufungsinstanz zeigen, Klein-, Mittel- und Großbetriebe verschiedener (Unter-)Branchen umfaßt und damit im Gegensatz zu den vom Senat bereits entschiedenen tariflichen Kündigungsfristen für keine spezifisch homogene Branche gilt. Insofern könnte aber einiges dafür sprechen, daß selbst bei unterschiedlichen Verhältnissen in den (Unter-)Branchen historisch gewachsenen Strukturen in den Koalitionen nach dem Industrieverbandsprinzip aufgrund der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) Rechnung zu tragen ist.

(2) Aber auch die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu - eine branchenspezifische Notwendigkeit für schnelle Personaldispositionen gerade bei Arbeitern sei nicht zu erkennen - im Zusammenhang mit den revisionsrechtlich verwertbaren Tatsachenfeststellungen (vgl. oben unter II 4 c) reichen nicht aus, um abschließend prüfen zu können, ob der Gesichtspunkt der personalwirtschaftlichen Flexibilität vorliegend ein geeignetes Kriterium für die Ungleichheit der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte ist.

Es bedarf daher vorliegend noch der weiteren Aufklärung, ob aufgrund der Verhältnisse im gesamten Geltungsbereich des Manteltarifvertrages, der Klein-, Mittel- und Großbetriebe umfaßt aus gleichen oder ähnlichen Gründen wie in den vorstehend erwähnten Branchen der Textilindustrie, der chemischen Industrie, des Gartenbaus sowie des Bau-Hauptgewerbes ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität besteht. Hierbei könnte es von Nutzen sein, zunächst den jeweiligen Anteil der verschiedenen (Unter-)Branchen, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages fallen, aufzuklären. Jedenfalls müßte geklärt werden, ob sich das Verhältnis der 61,3 % beschäftigten Arbeiter zu den Angestellten einheitlich für die (Unter-)Branchen im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages darstellt bzw. in welchem Umfange die gewerblichen Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Angestellten in der Produktion tätig sind und in welchem Umfange die einzelnen Branchen für den jeweiligen Personenkreis von der Auftragslage abhängig sind. Nur aufgrund derartiger vom Berufungsgericht festzustellender Tatsachen läßt sich abschließend klären, ob aus den gleichen oder ähnlichen Gründen wie in den vorstehend erwähnten Branchen im gesamten Geltungsbereich des Manteltarifvertrages ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität besteht.

5. Zu Unrecht meint die Revision, eine Verfassungsmäßigkeit der Grundkündigungsfrist ergebe sich auch aus einem "Gesamtvergleich" der tariflichen Regelungen über Kündigungsfristen in der Probezeit (§ 2.6 MTV), der Grundkündigungsfristen und der verlängerten Kündigungsfristen für ältere Arbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit (§ 4.4, § 4.5.2, § 4.5.3 MTV) mit den entsprechenden Regelungen für Angestellte (§ 2.6; § 4.4; § 4.5.2 und § 4.5.3 MTV) sowie aus der Tarifgeschichte hinsichtlich der einzelnen Tarifnormen. Insoweit nimmt die Revision ein "kompensatorisch, ausgewogenes, fein ziseliertes System" von Kündigungsfristen an, woraus gefolgert werden müsse, die Tarifvertragsparteien hätten sich bei der Festlegung der unterschiedlichen Kündigungsfristen von sachlichen Erwägungen leiten lassen.

a) Dieses Vorgehen widerspricht der Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 23. September 1992 (- 2 AZR 231/92 -, n.v.) und vom 15. Oktober 1992 (- 2 AZR 296/92 -, n.v.) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, daß eine Gesamtschau der tariflichen Kündigungsregelung und insbesondere eine Einbeziehung der tariflichen Regelungen über die verlängerten Kündigungsfristen für ältere Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit kein für sich allein entscheidendes Kriterium für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Grundkündigungsfrist für Arbeiter sein könne. Mit dieser Würdigung werde ein Kriterium, das für die Eigenständigkeit einer tariflichen Regelung (vgl. unter II 1 b aa und bb) von Bedeutung sein könne, zu pauschal als Maßstab für sachliche Differenzierungsgründe übernommen.

b) Allerdings könnte es, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen sachlicher Differenzierungsgründe bei der in Rede stehenden Arbeiter-Kündigungsfrist im Vergleich zu der für Angestellte geltenden Frist bestehen, zusätzlich als Indiz gewertet werden, daß die Tarifpartner mit den für Arbeiter und Angestellte gleichermaßen geltenden verlängerten Kündigungsfristen (§ 4.5.2 MTV) bereits einen großen Schritt in Richtung einer Angleichung der Kündigungsfristen gegangen sind und daher bei der Grundfrist aus möglicherweise wohlerwogenen sachlichen Gründen differenziert haben. Es fällt ferner auf, daß die Regelungen über die sogenannte Unkündbarkeit (§ 4.4 MTV) ebenfalls für beide Arbeitnehmergruppen gilt.

Hillebrecht Bitter Bröhl

Brocksiepe Walter

 

Fundstellen

Haufe-Index 438189

BAGE 74, 167-184 (LT1-2)

BAGE, 167

BB 1994, 75

DB 1994, 378-380 (LT1-2)

NJW 1994, 1302

NJW 1994, 1302 (L)

NZA 1994, 221

NZA 1994, 221-225 (LT1-2)

RzK, I 3e Nr 35 (LT1-2)

AP § 622 BGB (LT1-2), Nr 42

AR-Blattei, ES 1010.5 Nr 37 (LT1-2)

AuA 1994, 367 (LT1-2)

EzA § 622 nF BGB, Nr 45 (LT1-2)

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