Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Grundkündigungsfrist für Arbeiter

 

Orientierungssatz

1. Hinweise des Senats: "Vgl das auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmte Senatsurteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - EzA § 622 nF BGB Nr 40."

2. § 20 Nr 1 Buchst a des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29. Februar 1988 (MTV) enthält eine eigenständige Regelung der Grundkündigungsfrist für Arbeiter.

3. § 20 Nr 1 Buchst a MTV ist dann verfassungsgemäß, wenn sich die Grundkündigungsfrist für Arbeiter aufgrund sachlicher Kriterien (branchenspezifische Interessen, Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität, Umfang des Einsatzes der Arbeiter in der Produktion) von der für Angestellte geltenden Fristenregelung des § 20 Nr 1 Buchst b unterscheidet.

4. Ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität als Sachgrund für die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich der Grundkündigungsfristen besteht jedoch nicht generell schon im Hinblick auf den Umfang des Einsatzes von Arbeitern in jeder Produktion ohne Rücksicht auf die Verhältnisse in der jeweiligen Branche.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 01.08.1991; Aktenzeichen 4 Sa 475/91)

ArbG Bochum (Entscheidung vom 16.01.1991; Aktenzeichen 5 Ca 2028/90)

 

Tatbestand

Der am 29. August 1947 geborene Kläger war seit dem 29. September 1986 im Werk B der Beklagten als Stapelfahrer beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie vom 29. Februar 1988 (MTV-Metall; künftig MTV) Anwendung, der, soweit hier von Interesse, folgende Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält:

§ 2

...

2. Mit gewerblichen Arbeitnehmern kann eine Pro-

bezeit bis zu vier Wochen vereinbart werden.

Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsver-

hältnis mit einer Frist von zwei Tagen gekün-

digt werden.

Mit Angestellten kann eine Probezeit bis zu

drei Monaten vereinbart werden. Innerhalb der

Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer

Frist von einem Monat zum Monatsschluß gekün-

digt werden.

...

Protokollnotiz zu § 3 Nr. 2

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, daß

bei einer gesetzlichen Änderung der Kündigungs-

fristen und der Berechnung der Betriebszugehörig-

keitszeiten Verhandlungen über diese tariflichen

Bestimmungen aufgenommen werden.

...

§ 20

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. Abgesehen von den Fällen des § 2 Nr. 2 kann

das Arbeitsverhältnis mit folgenden Fristen

gekündigt werden:

a) bei gewerblichen Arbeitnehmern mit einer

Frist von 14 Tagen,

b) bei Angestellten mit einer Frist von sechs

Wochen zum Quartalsschluß.

2. Das Arbeitsverhältnis der Montagezeitarbeiter

kann während der ersten sechs Monate der Be-

schäftigung - auch auf verschiedenen Montage-

stellen - mit einer Frist von zwei Tagen ge-

kündigt werden. Danach gilt die Kündigungs-

frist der Nr. 1, sofern die Montage nicht be-

endet ist.

3. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis

eines Arbeitnehmers, so beträgt die Kündi-

gungsfrist:

a) bei gewerblichen Arbeitnehmern

nach einer Betriebszugehörigkeit von

5 Jahren

einen Monat zum Monatsende,

nach einer Betriebszugehörigkeit von

10 Jahren

zwei Monate zum Monatsende,

nach einer Betriebszugehörigkeit von

15 Jahren

drei Monate zum Monatsende.

Bei der Berechnung der Betriebszugehörig-

keit werden Zeiten, die vor Vollendung des

35. Lebensjahres liegen, nicht berücksich-

tigt.

Die Vereinbarung beiderseits geltender län-

gerer Kündigungsfristen durch Einzelvertrag

ist zulässig.

...

4. Einem Arbeitnehmer, der das 55., aber noch

nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem

Betrieb/Unternehmen 10 Jahre angehört, kann

nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

...

Protokollnotiz zu § 20 Nr. 1 und 3

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, daß

bei einer gesetzlichen Änderung der Kündigungs-

fristen und der Berechnung der Betriebszugehörig-

keitszeiten Verhandlungen über diese tariflichen

Bestimmungen aufgenommen werden.

Am 8. Oktober 1990 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 22. Oktober 1990 ordentlich. Hiergegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Er hat geltend gemacht, daß die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis aber nicht mit Ablauf der von der Beklagten eingehaltenen Frist beendet worden. Insoweit hat er sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB) berufen. Die zweiwöchige tarifliche Grundkündigungsfrist für Arbeiter sei verfassungswidrig, weil danach Arbeiter ohne sachlichen Grund gegenüber den Angestellten benachteiligt würden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien be-

stehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung

der Beklagten vom 8. Oktober 1990 nicht aufgelöst

worden ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Auch die von ihr eingehaltene tarifliche Kündigungsfrist sei nicht zu beanstanden. Diese sei von den Gerichten für Arbeitssachen in eigener Kompetenz auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.

Für die unterschiedliche Fristenregelung liege ein ausreichender Sachgrund vor. In der Produktion bestehe ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität. Technische und wirtschaftliche Veränderungen wirkten sich in diesem Betriebsbereich unmittelbar aus. Personelle Folgemaßnahmen würden zuerst bei den in aller Regel hier beschäftigten Arbeitern erforderlich, so daß Entlassungen oder Änderungskündigungen kurzfristiger möglich sein müßten als in anderen Bereichen. Demgegenüber träten solche Anpassungserfordernisse im administrativen Bereich im allgemeinen erst später auf, so daß dort längere Kündigungsfristen vertretbar seien. Ein weiterer Sachgrund sei darin zu sehen, daß Angestellte typischerweise höher qualifiziert seien als Arbeiter und deshalb im allgemeinen geringere Aussichten hätten, einen neuen, geeigneten Arbeitsplatz zu finden. In der Metall- und Elektroindustrie bestünden typische Unterschiede in Tätigkeit und Qualifikation zwischen Arbeitern und Angestellten. Nur noch ein Drittel der dort beschäftigten Arbeitnehmer seien Angestellte. Sie übten fast ausnahmslos Tätigkeiten aus, die eine für Angestellte typische Qualifikation erforderten, während nahezu die Hälfte der Arbeiter Angelernte oder Hilfsarbeiter seien.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Oktober 1990 nicht zum 22. Oktober 1990 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Dezember 1990 fortbestanden hat. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt, jedoch die tarifliche Fristenregelung für verfassungswidrig erachtet und angenommen, bis zur gesetzlichen Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeiter müsse auf die gesetzliche Regelfrist von sechs Wochen zum Quartalsende für Angestellte (§ 622 Abs. 1 Satz 2 BGB) zurückgegriffen werden.

Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger hat die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der tariflichen Kündigungsregelung für zutreffend gehalten, jedoch die Ansicht vertreten, die Entscheidung über den Auflösungszeitpunkt müsse bis zur normativen Regelung des § 622 BGB, längstens bis zum 30. Juni 1993 ausgesetzt werden.

Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, wie bereits in der Berufungsinstanz, nur noch die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Oktober 1990 zum 22. Oktober 1990, dem von der Beklagten vorgesehenen Kündigungstermin, oder zum 31. Dezember 1990, dem vom Arbeitsgericht angenommenen Kündigungstermin aufgelöst worden ist. Denn der Kläger hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts hingenommen, soweit dieses die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten hat und er hierdurch beschwert ist.

II. Das Berufungsgericht hat die für den Kläger in Betracht kommende Grundkündigungsfrist des § 20 Nr. 1 Buchst. a MTV von 14 Tagen für verfassungsgemäß angesehen. Zur Begründung hat es im wesentlich ausgeführt:

Der MTV enthalte zu den Kündigungsfristen eine eigenständige Regelung. Den Protokollnotizen zu § 2 Nr. 2 und § 20 Nr. 1 und 3 MTV sei zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die gesetzliche Regelung nicht automatisch übernehmen, sondern über die Neugestaltung der Kündigungsregelung verhandeln wollten, sobald sich gesetzlich etwas geändert habe.

Die Gesamtregelung in § 2 Nr. 2, § 20 Nr. 1 bis 3 MTV über die Kündigungsfristen und in § 20 Nr. 4 MTV über den Ausschluß der ordentlichen Kündigung zeige, daß es sich hier um branchenspezifische eigenständige Regelungen handele. Kürze Kündigungsfristen für Arbeiter seien in der metallverarbeitenden Industrie sachlich begründet, weil in der Produktion ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität bestehe. Technische und wirtschaftliche Veränderungen wirkten sich in diesem Bereich unmittelbar auf die Betriebe aus. Personelle Folgemaßnahmen würden zuerst bei den Arbeitern erforderlich, so daß Entlassungen und Änderungskündigungen kurzfristiger möglich sein müßten als in anderen Bereichen. Demgegenüber träten solche Anpassungserfordernisse in den Verwaltungs- und Konstruktionsbereichen erst später auf, so daß dort längere Kündigungsfristen vertretbar seien. Da in diesen Bereichen nur wenige Arbeiter eingesetzt würden, sei es nicht erforderlich, für diese längere Kündigungsfristen als für die übrigen Arbeiter zu vereinbaren. Die Tarifvertragsparteien seien insoweit zu einer typisierenden Regelung befugt.

Die kürzeren Kündigungsfristen während der Probezeit seien dadurch begründet, daß bei Arbeitern das Fehlen der Eignung schneller feststellbar sei.

Ebenso lehnten sich die verlängerten Kündigungsfristen an die gesetzlichen Fristen des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB und des § 2 Abs. 1 AngKSchG an. Gerade aus der Regelung, daß nach § 20 Nr. 3 Buchst. a MTV ein Arbeiter bereits nach einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende erwerbe, während ihm nach den gesetzlichen Bestimmungen erst nach 20 Jahren mit einer Frist von drei Monaten - dann allerdings zum Quartalsende - gekündigt werden könne, lasse sich ableiten, daß § 20 MTV eine eigenständige, konstitutive Regelung der Kündigungsfristen enthalte. Die erhebliche Abweichung der verlängerten Kündigungsfristen für Arbeiter im Verhältnis zu denen der Angestellten sei darauf zurückzuführen, daß bei Arbeitern Grundfrist und verlängerte Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 3 BGB, bei Angestellten dagegen nur die Grundkündigungsfrist tarifdisponibel seien.

Deshalb sei die Kündigungsregelung für Arbeiter aber nicht verfassungswidrig. Gerade bei den verlängerten Kündigungsfristen sei nämlich zu beachten, daß die sogenannte Unkündbarkeitsregelung des § 20 Nr. 4 Abs. 1 MTV Arbeitern wie Angestellten zugute komme. Während der Angestellte bis zum Eintritt der Unkündbarkeit bereits eine Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Quartalsende erdient habe, könnte einem Arbeiter ohne die Unkündbarkeitsregelung bereits mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Die Unkündbarkeitsregelung zeige in besonderem Maße, daß die Tarifvertragsparteien ihre tariflichen Kündigungsregelungen sorgfältig abgewogen und die besondere Schutzwürdigkeit älterer Arbeitnehmer beachtet hätten. Ein fünfzigjähriger Arbeitnehmer mit einer mehr als zwanzigjährigen Betriebszugehörigkeit könne z. B. noch fristgerecht entlassen werden, wenn auch nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende (§ 20 Nr. 3 Buchst. b MTV). Demgegenüber zähle ein 55 Jahre alter Arbeitnehmer, der dem Betrieb gerade zehn Jahre angehöre, zu den unkündbaren Arbeitnehmern.

Die Zusammenschau aller Besonderheiten zeige, daß es sich bei den Kündigungsregelungen des MTV um eigenständige Vorschriften handele, die branchenspezifischen Interessen dienten und mit denen die Tarifvertragsparteien nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt hätten, weil unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden dürften. Im vorliegenden Fall habe somit das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Oktober 1990 mit Ablauf des 22. Oktober 1990 fristgerecht gemäß § 20 Nr. 1 Buchst. a MTV sein Ende gefunden.

Da es sich um eine eigenständige Regelung tariflicher Kündigungsfristen handele, sei eine Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO nicht in Betracht gekommen.

III. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision zu Recht. 1. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, der kraft Verbandszugehörigkeit beider Parteien für das Arbeitsverhältnis geltende MTV enthalte auch in § 20 Nr. 1 Buchst. a eine eigenständige Regelung der Grundkündigungsfrist für Arbeiter.

a) Bei tariflichen Normen, die inhaltlich mit gesetzlichen Normen übereinstimmen oder auf sie verweisen, ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob die Tarifvertragsparteien hierdurch eine selbständige, d. h. in ihrer normativen Wirkung von der außertariflichen Norm unabhängige eigenständige Regelung treffen wollten. Dieser Wille muß im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung treffen oder eine gesetzliche Regelung übernehmen, die sonst nicht für die betroffenen Arbeitsverhältnisse gelten würde. Für einen rein deklaratorischen Charakter der Übernahme spricht hingegen, wenn einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich übernommen werden. In einem derartigen Fall ist bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß es den Tarifvertragsparteien bei der wörtlichen Übernahme des Gesetzestextes darum gegangen ist, im Tarifvertrag eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden. Sie haben dann die unveränderte gesetzliche Regelung im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit deklaratorisch in den Tarifvertrag aufgenommen, um die Tarifgebundenen möglichst umfassend über die zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten (vgl. Senatsbeschluß vom 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - AP Nr. 24 zu § 622 BGB, zu II 2 c aa der Gründe).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat in dem Beschluß vom 28. Februar 1985 (BAGE 49, 21 = AP Nr. 21 zu § 622 BGB) die inhaltlich mit der Regelung des § 20 Nr. 3 Buchst. a MTV über die verlängerten Kündigungsfristen für ältere Arbeiter übereinstimmende Fristenregelung des § 13 Nr. 9 in dem dem MTV vom 29. Februar 1988 vorausgegangenen MTV vom 30. April 1980 (MTV 1980) als eigenständige Regelung angesehen, weil abweichend von § 622 Abs. 2 BGB die Kündigungsfrist bereits nach einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren auf drei Monate verlängert wurde. Demgegenüber entspricht die hier einschlägige Grundkündigungsfrist des § 20 Nr. 1 Buchst. a MTV - ebenso wie zuvor die gleichlautende Vorschrift des § 13 Nr. 7 a MTV 1980 - inhaltlich der gesetzlichen Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zutreffend hat jedoch das Berufungsgericht bereits in der Protokollnotiz zu § 20 Nr. 1 und 3 MTV einen trotz der Inhaltsgleichheit mit der gesetzlichen Regelung für eine von dieser unabhängige eigenständige Regelung sprechenden Umstand gesehen.

Darin haben die Tarifvertragsparteien ohne Ausnahme für die gesamte Kündigungsregelung vereinbart, daß bei einer gesetzlichen Regelung der Kündigungsfristen und der Berechnung der Betriebszugehörigkeitszeiten Verhandlungen über diese tariflichen Bestimmungen aufgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesverfassungsgericht zwar bereits § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB - Berechnung der Beschäftigungsdauer erst von der Vollendung des 35. Lebensjahres an - für verfassungswidrig erklärt (Beschluß vom 16. November 1982 - 1 BvL 16/75 und 1 BvL 36/79 - BVerfGE 62, 256 = AP Nr. 16 zu § 622 BGB). Seine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der übrigen Fristenregelung des § 622 Abs. 2 BGB stand jedoch noch aus. Des weiteren hatte der erkennende Senat in dem Beschluß vom 28. Februar 1985 (aaO) entschieden, daß Kündigungsrechtsstreitigkeiten bis zu einer gesetzlichen Neuregelung der verfassungswidrigen Bestimmungen des § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB auszusetzen seien, soweit die Entscheidung hiervon abhänge. Schließlich war Verlautbarungen aus dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu entnehmen, daß der Gesetzgeber erst die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten wollte. Im Hinblick auf diese Rechtslage hatten die Tarifvertragsparteien die Protokollnotiz vereinbart. Ein bestimmtes Ergebnis wurde damit nicht programmiert (vgl. Ziepke, Komm. zum MTV 1988, 3. Aufl., § 20 Anm. 33). Zu Recht hat das Berufungsgericht dieser nicht nur auf die Regelung des § 20 Nr. 3 MTV über die verlängerten Kündigungsfristen beschränkten, sondern auch auf die Grundkündigungsfrist nach Nr. 1 bezogenen Vereinbarung entnommen, daß die Tarifvertragsparteien die gesetzliche Kündigungsregelung für Arbeiter weder ganz noch teilweise (etwa beschränkt auf die Grundkündigungsfrist) automatisch übernehmen, sondern in vollem Umfang ihrer eigenen Regelungskompetenz vorbehalten wollten. In dieser rechtlichen Würdigung besteht in der Revisionsinstanz auch zwischen beiden Parteien Einvernehmen.

2. Bei dieser Rechtslage hat das Berufungsgericht zutreffend in eigener Kompetenz geprüft, ob die Regelung des § 20 Nr. 1 Buchst. a MTV über die Grundkündigungsfrist für Arbeiter im Vergleich zu der für Angestellte geltenden Fristenregelung des § 20 Nr. 1 Buchst. b MTV mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG vereinbar sei, an den auch die Tarifvertragsparteien uneingeschränkt gebunden sind (BAG Beschlüsse vom 28. Februar 1985 und 28. Januar 1988, jeweils aaO).

3. Der Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Kündigungsfristen für Arbeiter in Tarifverträgen befunden (vgl. zuletzt Urteile vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 389/91 - EzA § 622 n. F. BGB Nr. 40; - 2 AZR 470/91 - EzA, aaO, Nr. 41, letztere auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; - 2 AZR 460/91 - EzA, aaO, Nr. 42 sowie Urteil vom 2. April 1992 - 2 AZR 516/91 - EzA, aaO, Nr. 43). Danach fehlt es an sachlichen Gründen für unterschiedliche Regelungen, wenn eine Schlechterstellung der Arbeiter nur auf einer pauschalen Differenzierung zwischen den Gruppen der Angestellten und der Arbeiter beruht. Sachlich gerechtfertigt sind dagegen hinreichend gruppenspezifisch ausgestaltete unterschiedliche Regelungen, die z. B. nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe nicht intensiv benachteiligen, oder funktions-, branchen- oder betriebsspezifischen Interessen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages mit Hilfe verkürzter Kündigungsfristen für Arbeiter entsprechen (z. B. überwiegende Beschäftigung von Arbeitern in der Produktion), wobei andere sachliche Differenzierungsgründe nicht ausgeschlossen sind. Dieser Prüfungsmaßstab gilt sowohl für unterschiedliche Grundfristen als auch für ungleich verlängerte Fristen für Arbeiter und Angestellte mit längerer Betriebszugehörigkeit und höherem Lebensalter. Zunächst vielleicht erhebliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit oder eines betrieblichen Interesses an einer flexiblen Personalplanung und -anpassung verlieren bei längerer Betriebszugehörigkeit erheblich an Gewicht (Senatsurteil vom 29. August 1991 - 2 AZR 220/91 A - EzA, aaO, Nr. 35, zu II 4 c cc der Gründe).

4. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht richtig auf den vorliegenden Fall angewendet.

a) Seiner Begründung kann schon im Ansatz nicht gefolgt werden. aa) Das Berufungsgericht nimmt, wie es in seiner zusammenfassenden Schlußbetrachtung nochmals ausdrücklich betont (Berufungsurteil S. 15), einen "Gesamtvergleich" der tariflichen Regelungen über die Kündigungsfristen in der Probezeit, die Grundkündigungsfrist und die verlängerten Fristen für ältere Arbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit mit der dem Angestelltenkündigungsschutzgesetz entsprechenden Regelung des § 20 Nr. 3 b MTV für Angestellte vor.

Dieses Vorgehen widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats.

bb) Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Eigenständigkeit der Kündigungsregelung verweist, ist dies allein ein Kriterium für die Kompetenz der Fachgerichte zur Überprüfung der tariflichen Regelung auf ihre Verfassungsmäßigkeit, nicht aber für die sachliche Überprüfung im Rahmen dieser Kompetenz, worauf die Revision zutreffend hinweist. Zunächst erhebliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit oder eines betrieblichen Interesses an einer flexiblen Personalplanung, die unterschiedliche Grundkündigungsfristen rechtfertigen, können bei längerer Betriebszugehörigkeit derart an Gewicht verlieren, daß sie keinen sachlichen Grund mehr für verlängerte Kündigungsfristen abgeben, die an längere Betriebszugehörigkeit und höheres Lebensalter anknüpfen (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - 2 AZR 323/84 A - AP Nr. 29 zu § 622 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu IV 2 der Gründe).

cc) Der Senat hat deshalb in dem vorbezeichneten Urteil die mit § 20 Nr. 3 a MTV inhaltsgleiche Regelung des § 13 Nr. 9 a MTV 1980 über die verlängerten Kündigungsfristen für ältere Arbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit für verfassungswidrig angesehen, weil bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit nicht, wie bei den Angestellten, auf die Vollendung des 25., sondern des 35. Lebensjahres abgestellt wurde und die Wartezeiten für die Staffelung der verlängerten Kündigungsfristen weitgehend der verfassungswidrigen Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprachen und eine deutliche Verschlechterung gegenüber der Rechtsstellung der Angestellten enthielten. Für die Verschlechterung der Rechtsstellung der älteren Arbeiter sind jedenfalls hinsichtlich der unterschiedlichen Wartezeiten keine sachlichen Differenzierungsgründe ersichtlich. Branchenspezifische Unterschiede können zwar für die unterschiedlichen Fristen, nicht aber für die differenzierenden Wartezeiten erheblich sein. Der Senat hat weiter angenommen, daß die Verfassungswidrigkeit und damit Unwirksamkeit der längeren Wartefristen für ältere Arbeiter insgesamt zur Unwirksamkeit der Kündigungsregelung für ältere Arbeiter nach § 13 Nr. 9 Buchst. a MTV 1980 führe, weil die Regelung der Dauer der für die längeren Fristen erforderlichen Betriebszugehörigkeit sachlich so eng mit der Regelung der Fristen verbunden sei, daß damit die Grundlage für die Regelung insgesamt entfalle (vgl. § 139 BGB).

Für die inhaltlich unveränderte Kündigungsregelung des § 20 Nr. 3 Buchst. a MTV kann nichts anderes gelten. Denn die Tarifvertragsparteien haben in Kenntnis der sich aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 (aaO) und dem Beschluß des Senats vom 28. Februar 1985 (aaO) ergebenden Rechtslage die bisherige Kündigungsregelung des MTV 1980 unverändert wieder vereinbart und sich nur in der Protokollnotiz zu § 20 Nr. 1 bis 3 MTV bei einer gesetzlichen Änderung dieses Komplexes zur Aufnahme von Verhandlungen verpflichtet (Ziepke, aaO, § 20 Anm. 12).

Hieraus folgt, daß eine Gesamtschau der tariflichen Kündigungsregelung und insbesondere eine Einbeziehung der Regelung des § 20 Nr. 3 Buchst. a MTV kein Kriterium für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgebenden Bestimmung des § 20 Nr. 1 a MTV über die Grundkündigungsfrist für Arbeiter (nach Ablauf der Probezeit) sein kann.

b) Entscheidend sind vielmehr allein die vom Berufungsgericht angeführten sachlichen Kriterien (branchenspezifische Interessen, Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität, Umfang des Einsatzes der Arbeiter in der Produktion). Auch diese Ausführungen des Berufungsgerichts vermögen jedoch seine Entscheidung nicht zu tragen.

aa) Das Berufungsgericht stellt allein auf den Sachgrund der personalwirtschaftlichen Flexibilität im produktiven Bereich ab. Es übernimmt insoweit (Berufungsurteil S. 12 letzter Absatz, S. 13 erster Absatz) wörtlich den Sachvortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung. Seine Ausführungen enthalten, entgegen der Ansicht der Revision, die tatsächliche Feststellung (Berufungsurteil S. 13 erster Absatz), daß in der metallverarbeitenden Industrie die Arbeiter in aller Regel, d. h. somit ganz überwiegend, in der Produktion und nur wenige im Verwaltungs- und Konstruktionsbereich eingesetzt seien. Im übrigen zieht es aus dieser Feststellung Folgerungen, indem es ausführt, technische und wirtschaftliche Veränderungen wirkten sich zuerst in der Produktion aus mit der Folge, daß Entlassungen und Änderungskündigungen von Arbeitern kurzfristiger möglich sein müßten als in anderen Bereichen.

bb) Jedoch rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht habe diese Feststellung ohne tatsächliche oder empirische Grundlage getroffen. Sie macht damit in der Sache eine Verletzung des § 286 ZPO geltend. Anders als in mehreren vom Senat entschiedenen Fällen (z. B. Senatsurteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - aaO, zu II 2 der Gründe, betreffend die Textilindustrie Nordrhein) ist im vorliegenden Fall zwischen den Parteien nicht unstreitig, daß im Tarifbereich die Arbeiter ganz überwiegend in der Produktion tätig sind. Der Kläger hatte sich vielmehr in der Berufungsbeantwortung die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht. In dessen Urteil ist ausgeführt, nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 30. Mai 1990, aaO, zu C I 4 h der Gründe) sei bei den Großgruppen der Arbeiter und Angestellten eine eindeutige Zuordnung nach den Kriterien Produktions- und Dienstleistungssektor nicht möglich. Das gelte, so führt das Arbeitsgericht weiter aus, insbesondere im Hinblick auf die technischen Angestellten für die Metallindustrie ebenfalls, wenngleich vielleicht in etwas geringerem Umfang. Zudem umfasse der Geltungsbereich des MTV Klein-, Mittel- und Großbetriebe. Deshalb ließen sich keine homogenen Gruppen der Arbeiter und Angestellten aus diesem Fachbereich bilden, die zumindest überwiegend mit den Arbeitnehmern aus dem Produktions- bzw. Verwaltungsbereich deckungsgleich wären.

Damit war der Vortrag der Beklagten, im gesamten Tarifbereich seien die Arbeiter überwiegend in der Produktion beschäftigt, streitig. Die Beklagte hatte für ihr Vorbringen Beweis durch Auskunft des Vorstands der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen angetreten. Dieser Beweis hätte erhoben werden müssen. Bezweifelt der Arbeitnehmer das Vorliegen sachlicher Gründe für die tarifvertraglich vorgenommene Differenzierung, so ist es Sache des Gerichts, seine Prüfung selbst ohne weitergehenden Sachvortrag des Arbeitnehmers konkret auf die in Rede stehende Tarifnorm unter Auswertung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (aaO) zu bestimmen und auf den entsprechenden Sachvortrag der Parteien, gegebenenfalls unter Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien, einzugehen (Senatsurteil vom 21. März 1991 - 2 AZR 616/90 - aaO, zu II 2 b der Gründe). Dies gilt vorliegend umso mehr, als zu dieser Frage beiderseitiger Parteivortrag vorliegt. Deshalb besteht kein Anlaß, grundsätzlich auf die Frage der Darlegungs- und Beweislast für die sachliche Rechtfertigung unterschiedlicher Kündigungsfristen einzugehen (vgl. dazu Koch, NZA 1991, 50, 52; Marschollek, DB 1991, 1069, 1072; jeweils m. w. N.).

5. Da der Gesichtspunkt der personalwirtschaftlichen Flexibilität für alle Kündigungen ohne Rücksicht auf den Kündigungsgrund als geeignetes Kriterium für die Ungleichheit der Grundkündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte anzuerkennen ist (vgl. unter 5 c), muß der Rechtsstreit zurückverwiesen werden, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu entsprechender Sachaufklärung, gegebenenfalls auf der Grundlage weiteren Parteivortrags, zu geben.

a) Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung ihr vorinstanzliches Vorbringen noch dahin näher erläutert, der Geltungsbereich des MTV umfasse ausschließlich Betriebe des produzierenden Gewerbes. Nach verbandsinternen Erhebungen seien dort 70 % Arbeiter und 30 % Angestellte beschäftigt. Im Produktionsbereich seien nahezu sämtliche Arbeiter, dagegen von den Angestellten nur die die 3 % umfassende Gruppe der Meister sowie 1 % sonstiger Angestellte eingesetzt. Dieses Vorbringen ist erheblich.

Der Senat hat in dem Urteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - (aaO) für den Bereich der Textilindustrie Nordrhein bei einem Arbeiteranteil von 65 % und einem Angestelltenanteil von ca. 35 % der Beschäftigten sowie ganz überwiegender Beschäftigung der Arbeiter in der Produktion die erhöhte personalwirtschaftliche Flexibilität als Sachgrund für die unterschiedlichen Grundkündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte in jenem Bereich anerkannt. Der Senat hat dort ausgeführt, auch wenn Umsatzentwicklungen frühzeitig erkennbar und bei der Personalbedarfsplanung zu berücksichtigen seien, ändere dies nichts daran, daß Anpassungen sich zunächst und unmittelbar im Produktionsbereich auswirkten, wenn auch der administrative Bereich auf Dauer ebenfalls nicht unberührt bleiben werde. Selbst wenn Auftragsbestände einen Zeitraum von mehreren Monaten abdeckten, könne dem eine ältere Belegschaft mit längeren Kündigungsfristen gegenüberstehen, was es gerade deshalb erforderlich mache, betriebsbedingte Kündigungen bei Arbeitern mit kürzerer Betriebszugehörigkeit verhältnismäßig rasch umsetzen zu können. Gerade weil bei längerer Betriebszugehörigkeit sachliche Differenzierungsgründe für unterschiedliche Wartezeiten immer weniger anzuerkennen seien, werde der Handlungsspielraum des Arbeitgebers so eingeengt, daß er jedenfalls bei den Grundkündigungsfristen umso eher erhalten bleiben müsse. Wenn hierbei keine völlige Gleichstellung mit den Angestellten erreicht werde, so sei dies unerheblich, da Art. 3 Abs. 1 GG keine "Gleichmacherei" verlange. Das Bundesverfassungsgericht habe in der Entscheidung vom 30. Mai 1990 (aaO) geprüft, ob eine "beträchtliche" Ungleichbehandlung vorliege. Da hier die Ungleichbehandlung "abgemildert" worden sei, erscheine sie im Hinblick auf die branchenspezifische Schichtung von Arbeitern und Angestellten noch hinnehmbar.

b) Ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität als Sachgrund für die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich der Grundkündigungsfristen besteht jedoch nicht generell schon im Hinblick auf den Umfang des Einsatzes von Arbeitern in jeder Produktion ohne Rücksicht auf die Verhältnisse in der jeweiligen Branche. Die Senatsurteile vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 und 2 AZR 460/91 - (Textilindustrie) - 2 AZR 389/91 - (Gartenbau) sowie vom 2. April 1992 - 2 AZR 516/91 - (Bauhauptgewerbe); jeweils aaO, betrafen Tarifverträge für Bereiche, deren Betriebe aus branchenspezifischen Gründen besonderen (produkt-, mode-, witterungs- oder saisonbedingten) Auftragsschwankungen ausgesetzt sind. Einige der einschlägigen Tarifverträge sehen als gewissen Ausgleich für den geringeren Bestandsschutz der von den kurzen Grundkündigungsfristen betroffenen Arbeiter nach betriebsbedingter Entlassung im Fall der Wiedereinstellung innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Anrechnung der früheren Betriebszugehörigkeit (Textilindustrie Nordrhein) oder sogar die Wiedereinstellung (Gartenbau, Bauhauptgewerbe) vor. Der Senat hat jedoch solche Regelungen nicht als zwingende Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung angesehen und deshalb auch die kurzen Grundkündigungsfristen in dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Textilindustrie in Baden-Württemberg gebilligt, der, wie auch vorliegend der MTV, solche Regelungen nicht vorsieht (Urteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - aaO). Die Tarifvertragsparteien sind zwar durch § 622 Abs. 3 BGB nicht zu Regelungen ermächtigt, die dem Gesetzgeber selbst durch die Verfassung verboten sind. Es macht jedoch einen Unterschied, ob der Gesetzgeber für die Großgruppen aller Arbeiter und Angestellten oder die Tarifvertragsparteien nur für die Arbeitnehmer einer bestimmten Branche Regelungen treffen. Wegen der Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragsparteien ist jedenfalls dann, wenn sich dafür konkrete Anhaltspunkte ergeben, davon auszugehen, daß bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelung die Arbeitnehmer-Interessen angemessen berücksichtigt wurden. Insoweit besteht materielle Richtigkeitsgewähr für die tarifliche Regelung (vgl. das vorbezeichnete Senatsurteil; ferner Senatsurteil vom 21. März 1991 - 2 AZR 616/90 - AP Nr. 31 zu § 622 BGB, zu II 2 b der Gründe; auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

Jedoch dürfen die Besonderheiten, die sich aus der Produktion in Bereichen wie den vorstehend erwähnten ergeben, nicht pauschal auf alle Produktionsbereiche erweitert werden, wovon offensichtlich das Berufungsgericht ausgegangen ist. Es bedarf deshalb noch der weiteren Aufklärung, ob die Verhältnisse im gesamten Geltungsbereich des MTV, der, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, Klein-, Mittel- und Großbetriebe verschiedener Branchen umfaßt, oder jedenfalls in der Branche, der die Beklagte angehört, aus gleichen oder ähnlichen Gründen wie in den vorstehend erwähnten Branchen ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität besteht.

c) Zu Unrecht meint die Revision, der Sachgrund der personalwirtschaftlichen Flexibilität könne nur für betriebsbedingte Kündigungen anerkannt werden. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 30. Mai 1990 (aaO, zu C I 4 g) ausgeführt, das Flexibilitätsargument decke die Ungleichbehandlung nicht nur im Hinblick auf die Normadressaten - die Großgruppen der Arbeiter und Angestellten -, sondern auch in sachlicher Hinsicht nur teilweise ab. Es treffe allein für betriebsbedingte Kündigungen zu. Bei normaler Konjunkturlage seien jedoch fast 2/3 aller Kündigungen verhaltens- oder personenbedingt. Auch in Zeiten schlechter Konjunktur seien weniger als die Hälfte aller Kündigungen betriebsbedingt. Der Senat hat in den vorstehend zitierten, die Tarifverträge mit Wiedereinstellungs- oder Anrechnungsklauseln betreffenden Urteilen (vgl. Urteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - aaO, betr. Textilindustrie Nordrhein) ausgeführt, die betreffende Klausel sei zwar nur für betriebsbedingte Entlassungen vorgesehen. Dies bestätige aber zumindest indirekt, daß auch die Tarifpartner ein Bedürfnis nach flexibler Personalwirtschaft grundsätzlich berücksichtigt hätten. Wenn sie dem durch die Grundkündigungsfrist generell, also nicht nur für betriebsbedingte Kündigungen, Rechnung getragen hätten, so spreche dies dafür, daß sie den Anteil der betriebsbedingten im Vergleich zu den verhaltens- und personenbedingten Kündigungen für die Textilindustrie besonders hoch veranschlagt oder jedenfalls für ausschlaggebend angesehen hätten. Den Tarifpartnern sei insoweit im Rahmen der ihnen gewährten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) eine sachverständige Beurteilungskompetenz einzuräumen. Dies gilt allgemein für Tarifverträge, die die Kündigungsfristen unabhängig vom Kündigungsgrund einheitlich regeln.

Hillebrecht Triebfürst Bitter

Dr. Bächle Dr. Wolter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI437648

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