Versehentlich längere Kündigungsfrist ist bindend

Kündigt ein Arbeitgeber unter Angabe eines versehentlich zu lang gewählten konkreten Beendigungstermins „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, kann die Auslegung der Kündigungserklärung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichwohl erst zu dem genannten Zeitpunkt ergeben.

Das LAG Hamm hatte unlängst über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Arbeitgeberin in ihrem Kündigungsschreiben eine zu lange ordentliche Kündigungsfrist zu Grunde gelegt hatte.

Klägerin arbeitete als Haushaltshilfe

In dem konkreten Fall arbeitete die Klägerin bei der Beklagten seit 2014 als Haushaltshilfe. Die beklagte Arbeitgeberin vermutete, dass die Klägerin mehrfach Haushaltsgegenstände entwendet hätte und kündigte der Frau daraufhin mit Schreiben vom 14.02.2020 fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin.

Das Kündigungsschreiben hatte folgenden Wortlaut:

 „Hiermit kündige ich das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin, das ist der 30. April 2020.“

Der nächstmögliche Termin wäre allerdings bereits der 15.03.2020 gewesen.

Kündigung in privaten Haushalten mit Grundkündigungsfrist möglich

Nach neuerer Rechtsprechung des BAG vom 11.06.2020 (2 AZR 660/19) finden die gemäß § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfristen in privaten Haushalten keine Anwendung. Die Grundkündigungsfrist (§ 622 Abs. 1 BGB) von vier Wochen wäre somit zum 15.03.2020 die einzuhaltende Kündigungsfrist gewesen.

ArbG: Ausdrücklich genannter Kündigungstermin ist maßgeblich  

Das Arbeitsgericht hatte im Rahmen des von der Klägerin initiierten Kündigungsschutzverfahrens erstinstanzlich festgestellt, das Arbeitsverhältnis habe nicht durch die außerordentliche Kündigung sein Ende gefunden. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die behaupteten Diebstähle hinreichend darzulegen und zu beweisen.

Mangels Anwendbarkeit des KSchG sei das Arbeitsverhältnis jedoch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung beendet. Dabei sei das Kündigungsschreiben dahingehend auszulegen, dass der Beendigungstermin trotz der sich rechtlich an sich ergebenden kürzeren Kündigungsfrist erst der im Kündigungsschreiben genannte Termin 30.04.2020 sei.

Arbeitgeberin hielt an kürzerer Kündigungsfrist fest

Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, ihr nach außen kenntlich gemachter Wille, das Arbeitsverhältnis frühestmöglich zu beenden, sei vom Arbeitsgericht nicht hinreichend beachtet worden. Dies bedeute eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber Arbeitgebern, die lediglich fristlos kündigten und deren Kündigungsschreiben dann in eine ordentliche Kündigung zum korrekten Zeitpunkt umgedeutet würde.

Es kommt bei der Auslegung auf den explizit genannten Kündigungstermin an

Das LAG Hamm wies die von der Arbeitgeberin im Hinblick auf den Beendigungszeitpunkt eingelegte Berufung zurück. Das Arbeitsverhältnis, so das LAG, werde nicht bereits zum 15.03.2020 aufgelöst, sondern erst zum 30.04.2020. Die aus Sicht des Empfängerhorizonts vorzunehmende Auslegung des Kündigungsschreibens führe zu dem Ergebnis, dass die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum explizit genannten Datum habe beenden können.

Nach der Rechtsprechung des BAG stehe das Bestimmtheitsgebot einer Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen, falls eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem bestimmten Datum erklärt worden sei. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen, als in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt habe.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

(LAG Hamm, Urteil v. 16.06.2021, 10 Sa 122/21).

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