Ehrenrühriges Gerücht per WhatsApp an Kollegin versandt – fristlose Kündigung
Für einen Arbeitnehmer, dem fälschlicherweise nachgesagt wird, er sei ein verurteilter Vergewaltiger, dürfte das Betriebsklima sich schlagartig verändern. Das betrifft ebenso das Unternehmen, das diesen Mitarbeiter beschäftigt.
Rufschädigende Gerüchte über Mitarbeiter beeinträchtigen das Umfeld nachhaltig
Eine Anfang 30-jährige hat sich nach einem Treffen mit Bekannten in einem Café zum Tratsch via WhatsApp hinreißen lassen. Sie hatte von ihrem neuen Job als kaufmännische Angestellte erzählt, den sie zwei Tage zuvor angetreten hatte. Daraufhin äußerten ihre Bekannten, dass ein bestimmter Mitarbeiter dieser Firma, der gleichzeitig der Vater des Geschäftsführers ist, angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sei. Das stimmt nicht, wie die junge Frau allerdings erst viel später erfuhr.
Aufgeschnapptes Gerücht ungeprüft per WhatsApp an den neuen Arbeitsplatz getragen
Diese „Neuigkeit“ gab die frisch Angestellte brühwarm per WhatsApp an eine ihrer neuen Kolleginnen weiter:
„Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er soll ein verurteilter Vergewaltiger sein, deswegen will ganz L. nichts mehr mit ihm zu tun haben.“
…, ich werde jetzt ALLES unternehmen, dass wir BEIDE dort rauskommen.“
Auf die Frage nach Details zur Verifizierung der Behauptungen, antwortete sie:
„Keine Ahnung, das haben die Leute nicht dazu gesagt, aber ganz EHRLICH für so jemanden werde ich nicht arbeiten. Und DU auch nicht.“
Kollegin informierte die Geschäftsleitung
Die Kollegin informierte in einem kurzfristig angesetzten Gespräch mit dem Geschäftsführer und dessen Vater beide über die WhatsApp-Kommunikation. Im Anschluss wurde die neue Mitarbeiterin fristlos, hilfsweise mit einer (Probezeit-)Frist von zwei Wochen ordentlich gekündigt.
Klage gegen fristlose Kündigung
Die außerordentliche Kündigung wollte die Gekündigte nicht gegen sich gelten lassen und ging vor das Arbeitsgericht. In Stuttgart bekam sie noch Recht, das LAG Baden-Württemberg allerdings hielt die Kündigung von heute auf morgen für die richtige Reaktion und ließ sie – ohne Zulassung der Revision – durchgehen.
Straftatbestand der üblen Nachrede verwirklicht
Nach Ansicht des LAG hatte die Gekündigte sich der üblen Nachrede (§ 186 StGB) strafbar gemacht. Der Tatbestand ist erfüllt,
- wenn ehrenrührige Tatsachen behauptet oder verbreitet werden,
- und zwar gegenüber mindestens einem Dritten,
- wobei dem Täter nicht klar sein muss, dass seine Behauptungen unwahr sind.
Ehrverletzung wiegt zu schwer, als dass das Verhalten zu tolerieren oder rechtfertigen wäre
Das LAG hat geprüft, ob das Verhalten der Angestellten in irgendeiner Weise zu rechtfertigen ist. Es hat dafür eine Abwägung zwischen
- dem Recht der gekündigten Mitarbeiterin zur freien Meinungsäußerung sowie der Sorge um ihr eigenes Wohl und das ihrer Kolleginnen auf der einen Seite und
- dem Recht der persönlichen Ehre des Betroffenen auf der anderen Seite
vorgenommen. Die bereits feststehende Verabschiedung aus dem Arbeitsverhältnis, der falsche Ansprechpartner in Person der Kollegin zur Lösung bzw. Aufklärung des Problems sowie die äußerst schwerwiegende Ehrverletzung für das Gerüchteopfer ließen die Klägerin im Ergebnis scheitern.
Arbeitsverhältnis war zu kurz, um „Bonuspunkte“ geerntet zu haben
Da die mitteilungsfreudige Mitarbeiterin erst wenige Tage angestellt war, hatte sie zu eigenen Gunsten noch keinen „Vertrauensvorschuss“ verdient, der eine ordentliche Kündigung vorzugswürdig erscheinen ließ. Ebenso wenig war eine vorherige Abmahnung erforderlich. Bei Begehung von Straftaten ist es offensichtlich, dass das ein Arbeitgeber sie nicht dulden würde, v.a. wenn sie wie hier in das Arbeitsverhältnis hineinranken und nicht völlig losgelöst in der Freizeit begangen werden.
(LArbG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.3.2019, 17 Sa 52/18).
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Hintergrund:
Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG, Urteile v. 9.6.2011, 2 AZR 323/10 und v. 10.6.2010, 2 AZR 541/09).
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