Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Anwesenheit des Betroffenen in der HV des Bußgeldverfahrens richtet sich nach § 73 OWiG.
2. Gem. § 73 Abs. 1 OWiG besteht die Pflicht des Betroffenen, in der HV zu erscheinen. Der Betroffene kann aber einen Entbindungsantrag stellen.
3. Die Entbindung von der Anwesenheitspflicht setzt gem. § 73 Abs. 2 OWiG voraus, dass eine Äußerung des Betroffenen zur Sache vorliegt oder dieser erklärt, dass er sich nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.
4. Hat das Gericht den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen entbunden, kann er sich gem. § 73 Abs. 3 OWiG in der HV durch einen schriftlich zur Vertretung bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen. Ggf. kann eine Abwesenheitsverhandlung durchgeführt werden.
5. Hat das Gericht den Betroffenen nicht vom Erscheinen in der HV entbunden, erscheint der Betroffene aber dennoch in der HV ohne genügende Entschuldigung nicht, ist das Gericht nach § 74 Abs. 2 OWiG verpflichtet/gezwungen, den Einspruch durch Urteil zu verwerfen.
 

Rdn 1489

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeines, Teil B Rdn 1476.

 

Rdn 1490

1. Die Anwesenheit des Betroffenen in der HV des Bußgeldverfahrens richtet sich nach § 73 OWiG.

 

☆ Ebenso wie für die HV des Strafverfahrens gilt auch in der HV des OWi-Verfahrens für den Betroffenen eine Anwesenheitspflicht (→  Anwesenheitspflicht des Angeklagten , Teil A Rdn  411 ). § 231 gilt im Bußgeldverfahren nicht (OLG Bamberg VRR 2012, 276).Anwesenheitspflicht (→ Anwesenheitspflicht des Angeklagten, Teil A Rdn 411). § 231 gilt im Bußgeldverfahren nicht (OLG Bamberg VRR 2012, 276).

 

Rdn 1491

2. a) Gem. § 73 Abs. 1 OWiG besteht die Pflicht des Betroffenen, in der HV zu erscheinen (zur Anwesenheitspflicht ausländischer "Verkehrssünder" Mitsch ZIS 2011, 502). Nach § 73 Abs. 2 OWiG ist das Gericht aber verpflichtet, den Betroffenen auf seinen Antrag hin von dieser Verpflichtung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert hat oder erklärt, dass er sich in der HV nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist (dazu Teil B Rdn 1487 ff.; s. z.B. BayObLG StraFo 1998, 315 [Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Zweck der Identifizierung]).

 

Rdn 1492

Liegen die Voraussetzungen für die Entbindung vor (vgl. Teil B Rdn 1487 ff.), muss das Gericht den Betroffenen von der Anwesenheitspflicht entbinden. Das Gericht hat in dieser Frage kein Ermessen (vgl. so schon BayObLG DAR 2001, 371; aus neuerer Zeit u.a. KG VRS 113, 63; NStZ 2011, 584; VA 2017, 50; OLG Bamberg DAR 2013, 90; NZV 2013, 612; VRR 2013, 350; OLG Düsseldorf VA 2016, 176; OLG Hamburg, Beschl. v. 5.3.2018 – 6 RB 3/18, NZV 2018, 242; OLG Hamm DAR 2016, 595; OLG Jena, Beschl. v. 11.7.2019 – 1 OLG 131 SsBs 24/19; OLG Hamburg, Beschl. v. 5.3.2018 – 6 RB 3/18, NZV 2018, 242; OLG Karlsruhe StraFo 2010, 494; VA 2016, 176; OLG Köln StraFo 2009, 76 m.w.N.; 2013, 50; OLG Naumburg VA 2015, 195; OLG Schleswig SchlHA 2011, 311 [Dö/Dr]; jew. m.w.N.; i.Ü. allg. Meinung der Obergerichte; s. die Nachw. bei Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 2574; Göhler/Seitz/Bauer, § 73 Rn 5). Die Ablehnung des Entbindungsantrags ohne nachvollziehbare Gründe verletzt den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör und kann/muss mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden, und zwar mit der Verfahrensrüge (st.Rspr. der OLG; u.a. OLG Bamberg zfs 2008, 413 m.w.N.; OLG Dresden NZV 2013, 613; OLG Köln zfs 2004, 335; OLG Rostock, Beschl. v. 27.4.2011 – Ss OWi 50/11 I 63/11; Burhoff VRR 2007, 250, 255; Krenberger zfs 2013, 374; Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 2578 f.; Burhoff/Junker, OWi, Rn 3161 ff.). Zulässig ist über § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG die Rechtsbeschwerde dann ggf. auch im sog. zulassungsfreien Raum (dazu u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.2020, DAR 2021, 106; Staub DAR 2021, 113).

 

☆ Die Frage der Antragstellung muss der Verteidiger mit dem Mandanten, der möglicherweise von weit her zur HV anreisen muss, sorgfältig erörtern (zu einem Antragsmuster Teil B Rdn  1518 ).Antragstellung muss der Verteidiger mit dem Mandanten, der möglicherweise von weit her zur HV anreisen muss, sorgfältig erörtern (zu einem Antragsmuster Teil B Rdn 1518).

Besteht der Richter trotz eines begründeten Entbindungsantrages auf dem Erscheinen des Betroffenen in der HV, kann das die Besorgnis der Befangenheit begründen (AG Fulda StRR 2011, 401; AG Recklinghausen StRR 2010, 363 [Ls.]; → Ablehnungsgründe, Befangenheit, Verhalten/Äußerungen des Richters, Teil A Rdn 97).

 

Rdn 1493

b)aa) Der Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Erscheinenspflicht in der HV kann frühestens zusammen mit der Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid wirksam gestellt werden (OLG Bamberg StraFo 2016, 348). Ein Antrag des Betroffenen hat nur Wirkung für die konkret bevorstehende HV. Nach einer Aussetzung der HV muss der Antrag ggf. wiederholt wer...

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