Rz. 35

Soll der Rechtsanwalt zunächst einen Vertrag beurkunden lassen und prüft er dann, ob die notarielle Urkunde das von dem Auftraggeber Gewollte richtig wiedergibt, liegt dieselbe Angelegenheit vor.[29] Dieselbe Angelegenheit liegt auch vor, soweit der Rechtsanwalt zunächst am Vergleich und dann an seiner Durchführung mitwirkt.[30] In beiden Fällen handelt es sich m.E. um Abwicklungstätigkeiten, die zum Rechtszug gehören und keine neuen Vergütungsansprüche auslösen, § 19 Abs. 1 S. 1 RVG.

 

Rz. 36

Beim Übergang von Eheaufhebungsantrag zum Scheidungsantrag handelt es sich um dieselbe Angelegenheit.[31] Die Werte sind zu addieren, siehe dazu § 4 Rdn 374, da es sich bei Eheaufhebung und Scheidung nicht um denselben "Streitgegenstand" handelt und die wirtschaftlichen Folgen auch gänzlich andere sein können. Dieselbe Angelegenheit liegt auch bei wechselseitigen Scheidungsanträgen vor,[32] eine Addition findet hier nicht statt, eine Ehe kann nur einmal geschieden werden.

 

Rz. 37

Werden Scheidungsanträge getrennt eingereicht und die Verfahren dann verbunden, liegt dieselbe Angelegenheit erst ab Verbindung vor.[33] Für die zunächst getrennt eingereichten Anträge entstehen die Verfahrensgebühren jeweils gesondert, sondern in diesen Verfahren auch entsprechende anwaltliche Tätigkeiten erbracht wurden.[34]

 

Rz. 38

Bei Abtrennung einer Folgesache bleibt das Verfahren dieselbe Angelegenheit und es fallen die Gebühren nur einmal aus dem zusammengerechneten Verfahrenswert an,[35] vgl. dazu auch § 21 Abs. 3 RVG zur Unterscheidung zwischen solchen Folgesachen, die als isoliertes Verfahren fortzuführen sind und solchen, die trotz Abtrennung im Verbund bleiben (siehe Rdn 44 u. 54 ff. in diesem Kapitel).

 

Rz. 39

Bei wechselseitig beantragtem Zugewinnausgleich ist von verschiedenen Gegenständen auszugehen und eine Wertaddition vorzunehmen,[36] siehe dazu auch § 4 Rdn 266 u. 618 ff. in diesem Werk. Zugewinnausgleich und Auseinandersetzung gemeinsamen Immobiliarvermögens der Eheleute bilden dieselbe Angelegenheit, wenn kein gesonderter Auftrag zur Auseinandersetzung der Eigentumsgemeinschaft bestand und die Übertragung des Miteigentums vergleichsweise anstelle der Zahlung einer Ausgleichsforderung erfolgt.[37]

 

Rz. 40

Sofern beide Elternteile in einem Sorgerechtsverfahren gegenüber dem Jugendamt vertreten werden, liegt dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG vor, es entsteht eine Erhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG, da der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist.[38]

 

Rz. 41

Wird ein Ehescheidungsverfahren von beiden Beteiligten nicht betrieben und hat der VKH-Anwalt eine Vergütung bereits erhalten, bekommt er nach einer Entscheidung des OLG Schleswig[39] dieselbe Vergütung nicht noch einmal, wenn das Verfahren mehrere Jahre später fortgeführt wird. Es liegt dieselbe Angelegenheit vor; die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG findet keine Anwendung. Anders sieht dies das OLG Zweibrücken,[40] wobei hier der Antrag zwischenzeitlich zurückgenommen worden war.

Zitat

"Wird ein Scheidungsantrag zurückgenommen und wird später erneut die Scheidung beantragt, liegen zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, so dass die Verfahrensbevollmächtigten ihre Vergütung jeweils gesondert erhalten. Es kommt nicht darauf an, ob seit Rücknahme des ersten Scheidungsantrags bis zur Einreichung des neuen Scheidungsantrags mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind."

[29] BGH AnwBl 1985, 257.
[30] LG Heidelberg MDR 1994, 518.
[31] KG FamRZ 2011, 667 = AGS 2011, 65 m. Anm. Thiel.
[32] KG MDR 1975, 1028.
[33] OLG Bamberg JurBüro 1976, 775.
[34] Zum Thema Verfahrensverbindung/-trennung siehe auch: BGH, Beschl. v. 14.4.2010 – IV ZB 6/09 = JurBüro 2010, 414; Jungbauer, Rechtsanwaltsvergütung, 6. Aufl., § 8 Rn 475 ff.; Enders, RVG für Anfänger, 20. Aufl., Rn E 795; Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., VV 3100 Rn 41; Schneider/Volpert, RVG, 9. Aufl., § 15 Rn 182; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 15 Rn 28; jeweils mit Berechnungsbeispielen.
[35] OLG Oldenburg AGS 2011, 125; OLG Düsseldorf AGS 2001, 27 = JurBüro 2000, 413; a.A. bei zuvor abgetrennten und ausgesetzten, dann aber wiederaufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren OLG Celle NJW 2010, 3791 = FamRZ 2011, 240 = AGS 2010, 533 m. Anm. Thiel: Neue Angelegenheit, auf die zuvor entstandene Gebühren anzurechnen sind; OLG Karlsruhe JurBüro 1999, 420; AG Hainichen AGS 2010, 536 m. Anm. N. Schneider; bewilligte PKH gilt aber weiter: OLG Rostock AGS 2010, 547.
[37] Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 9. Aufl., § 15 Rn 76.
[38] KG, Beschl. v. 5.10.2017 – 25 WF 47/17, BeckRS 2017, 127940 = NJW-Spezial 2017, 733 = FamRZ 2018, 702.
[39] OLG Schleswig, Beschl. v. 28.1.2013 – 15 WF 363/12 = BeckRS 2013, 03503 = FD-RVG 2013, 343922.
[40] OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.12.2016 – 6 WF 248/16, BeckRS 2016, 112797 (Leitsatz der Redaktion) = AGS 2017, 72 = NZFam 2017, 131.

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