Rz. 88

Ist zwischen den Parteien umstritten, welcher Fahrzeugführer bei Grün eingefahren ist und kann dies nicht aufgeklärt werden, verbleibt es bei den Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge und es ist eine Haftungsteilung auf Basis von 50 % anzunehmen.[63]

 

Rz. 89

Muster 4.32: Einwand der Erfüllung bei ungeklärter LZA

 

Muster 4.32: Einwand der Erfüllung bei ungeklärter LZA

Kann ein Rotlichtverstoß nicht nachgewiesen werden, verbleibt es bei zwei als gleich groß anzusetzenden Betriebsgefahren und es ist eine Haftungsteilung in Höhe von 50 % vorzunehmen (OLG Frankfurt, Urt. v. 9.10.2012 – 22 U 109/11 = NJW–RR 2013, 664; OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2001 – 10 U 126/01 = OLGR Karlsruhe 2002, 61; LG Essen, Urt. v. 8.10.2015 – 3 O 509/14 – juris).

 

Rz. 90

Ein Fall überragenden Fehlverhaltens liegt dagegen vor, wenn der Querverkehr bei Rot oder auch der letzten Gelbphase in den Kreuzungsbereich einfährt, obwohl er rechtzeitig hätte anhalten können. Trifft den Einfahrenden kein Verschulden, liegt ein überragendes Fehlverhalten vor, welches jegliche Betriebsgefahr des bei Grün anfahrenden Kfz des Unfallgegners konsumiert.[64] Der bei Rot Einfahrende haftet grundsätzlich alleine.[65] Dies gilt auch gegenüber einer Straßenbahn, deren Fahrzeugführer unter Rücksichtnahme auf eine den Unfall vermeidende Notbremsung verzichtet.[66] Gleiches gilt, wenn der Querverkehr in die Kreuzung in der allerletzten Gelbphase einfährt und es dann zur Kollision mit dem bei Grün anfahrenden Verkehr kommt.

 

Rz. 91

Muster 4.33: Alleinhaftung bei Rotlichtverstoß

 

Muster 4.33: Alleinhaftung bei Rotlichtverstoß

Wer bei roter LZA in den Kreuzungsbereich einfährt, begeht einen schwerwiegenden Verstoß gegen § 37 StVO. Hinter diesem überragenden Fehlverhalten tritt die Betriebsgefahr des im Querverkehr einfahrenden Fahrzeugs in vollem Umfang zurück (OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2019 – I 7 U 73/18 – juris; OLG München, Urt. v. 9.5.2014 – 10 U 3652/13 = VRR 2014, 322; OLG Hamm, Urt. v. 20.3.1996 – 32 U 108/95 = OLGR Hamm 1996, 97; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.9.1993 – 9 U 75/92 = DAR 1994, 21).

 

Rz. 92

Je nach den Abstufungen der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge kann sich dann die Quote zu Lasten des Einfahrenden verschieben. Ihn trifft dann ein erheblicher Haftungsanteil, wenn er mit einem sog. fliegenden Start in die Kreuzung einfuhr. Treffen ein "fliegender Start" und ein Rotlichtverstoß des Querverkehrs zusammen, so bleibt jedoch mit 75 % der überwiegende Haftungsanteil bei dem Querverkehr bestehen. Die Mithaftung des Querverkehrs ergibt sich dabei unter dem Gesichtspunkt der durch die durchgehende Einfahrt erhöhten Betriebsgefahr. Zusätzlich kann dabei auch noch ein Verschulden eingreifen: Das Grünlicht entbindet nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 5 StVO nicht von jeglicher Sorgfaltspflicht, so dass sich insbesondere derjenige, der eine Lichtzeichenanlage kurz nach dem Umschalten auf "Grün" passiert ("fliegender Start") nicht ohne weiteres darauf verlassen darf, dass der Kreuzungsbereich bereits frei ist und keine Nachzügler die Kreuzung noch überqueren wollen. Das Hineinfahren in eine unübersichtliche Kreuzung mit fliegendem Start ist nur erlaubt, wenn sich der Einfahrende vorher davon überzeugt hat, dass die Kreuzung von bevorrechtigtem Querverkehr frei ist.[67] Jedoch ist von dem bei "Grün" Anfahrenden nicht zu fordern, dass er auch noch den Bereich hinter der Ampelanlage des Querverkehrs beobachtet; insoweit kann er darauf vertrauen, dass diejenigen Verkehrsteilnehmer, die sich in diesem Bereich befinden, das Haltegebot der Rotlicht zeigenden Ampel beachten werden. Fahrlässig handelt der Fahrzeugführer jedoch, wenn er bei Einsetzen des grünen Lichtes trotz Sichtbehinderung mit unvermindert hoher Geschwindigkeit in eine verkehrsreiche Kreuzung einfährt.[68]

 

Rz. 93

Muster 4.34: Mithaftung trotz Rotlichtverstoß bei fliegendem Start

 

Muster 4.34: Mithaftung trotz Rotlichtverstoß bei fliegendem Start

Selbst wenn der Querverkehr bei einer Rot anzeigenden Lichtzeichenanlage in die Kreuzung einfährt, verbleibt bei dem Anfahrenden mit einem "fliegenden Start" ein Haftungsanteil, der i.d.R. mit 25 % zu beurteilen ist (OLG Zweibrücken, Urt. v. 19.12.1980 – 1 U 98/08 = VersR 1981, 581; KG Berlin, Urt. v. 14.12.1978 – 12 U 2666/78 =VersR 1979, 356). Auch ohne Verschulden ist die Betriebsgefahr des im Wesentlichen mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfahrenden Fahrzeugs bereits deshalb erhöht, weil die Wahrscheinlichkeit, dass diese Einfahrt zu einem Verkehrsunfall führt verhältnismäßig groß. Dies deshalb, da es recht häufig vorkommt, dass Teilnehmer des Querverkehrs noch bei gerade beginnendem "Rot" in die Kreuzung gelangen. Zudem muss noch mit möglichen Verkehrsteilnehmern gerechnet werden, welche die Kreuzung erst allmählich "räumen" (OLG Hamm, Urt. v. 25.4.2002 – 27 U 200/01 = SP 2002, 407).

 

Rz. 94

Eine besondere und schwierig zu beurteilende Konstellation liegt vor, wenn der An- bzw. Einfahrende mit einem im Kreuzungsraum verbliebenen Fahrzeug des Querverkehrs ko...

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