Rz. 18

Eine Mahnung ist eine Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner (aus Beweisgründen bevorzugt schriftlich), die geschuldete Leistung zu erbringen. Zusammen mit der Mahnung kann und sollte eine angemessene Frist zur Leistung gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB gesetzt werden.[29] Nach dem BGH erfordert eine wirksame Fristsetzung indes keine Bestimmung der maßgeblichen Zeitspanne nach dem Kalender oder in konkreten Zeiteinheiten; vielmehr könne die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden (Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung).[30]

War die Frist unangemessen kurz, wird eine angemessene Nachfrist automatisch in Lauf gesetzt.[31]

Beim VOB/B-Vertrag wird das Erfordernis der angemessenen Nachfrist unter § 5 Abs. 4 VOB/B ausdrücklich benannt (siehe Rdn 39 ff.).

 

Rz. 19

Gem. § 286 Abs. 2 BGB bedarf es keiner Mahnung, wenn

1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2. der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt (= bestimmbare Frist),
3. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4. aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

Alle vorstehenden Fälle sind für die Bauvertragspraxis von Relevanz.

 

Rz. 20

Sofern im Bauvertrag ein bestimmter, kalendermäßig festgelegter (z.B. Arbeitsbeginn am 25.5.2008, Fertigstellung am 30.10.2010) oder anhand eines bestimmten Ereignisses kalendermäßig berechenbarer Termin vereinbart ist (z.B. Arbeitsbeginn zehn Tage nach Abruf, Fertigstellung 20 Wochen nach Zugang der Baugenehmigung), tritt mit dem Ablauf des Termins die Fälligkeit der betreffenden Leistung und gleichzeitig – bei Überschreitung des Termins durch den Auftragnehmer – ohne Mahnung Schuldnerverzug ein.

 

Rz. 21

Berechen- bzw. bestimmbare Termine verwendet man in der Baupraxis aus rechtlicher Sicht immer dann, wenn eine Einzelgewerkvergabe stattfindet und man die "Fortsetzung" von Verzügen zwischen den einzelnen Auftragnehmern als Auftraggeber vermeiden will. Ein Auftraggeber kommt in Mitwirkungsverzug (zum Annahmeverzug des Gläubigers vgl. Rdn 87 ff. und Rdn 111 ff.) gegenüber dem Nachfolgeunternehmer (z.B. Fliesengewerk), wenn ein Vorgewerk (z.B. Estrich) nicht rechtzeitig fertig gestellt wird. Kann der Auftraggeber bei einem VOB/B-Bauvertrag per Abruf über § 5 Abs. 2 VOB/B den Leistungsbeginn steuern, so kann er vermeiden, dass sich der Verzug des Vorgewerks auf das Nachfolgegewerk auswirkt. Der Auftraggeber kann den Verzug "abpuffern", wie es die Baupraxis nennt, d.h. der Auftraggeber kommt nicht sofort, sondern erst nach einem gewissen Zeitraum in Mitwirkungsverzug.

 

Rz. 22

Eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Auftragnehmers liegt vor, wenn seine Weigerung als sein "letztes Wort" aufzufassen ist. Hieran werden von der Rechtsprechung strenge Anforderungen gestellt.[32]

 

Rz. 23

Folgende Beispiele für die Erfüllungsverweigerung und die besonderen Gründe für den sofortigen Verzugseintritt wurden in der Rechtsprechung zum Bauvertrag entschieden:

Macht der Auftragnehmer den Baubeginn davon abhängig, dass der Auftraggeber einen unberechtigten Nachtrag anerkennt, so liegt darin eine ernsthafte, endgültige und unberechtigte Erfüllungsverweigerung.[33] Etwas anderes gilt dann, wenn der Auftraggeber die Beauftragung eines berechtigten und prüfbar angebotenen Nachtrags grundlos verweigert.[34]
Wenn der mit der Lieferung und dem Einbau von Betonfertigteilen beauftragte Auftragnehmer darauf besteht, diese Teile nach einer vertragswidrigen Betonrezeptur zu fertigen, ist der Auftraggeber berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen.[35]
Wenn der Auftragnehmer die Leistung ausdrücklich angekündigt hat und dennoch nicht leistet (sog. "Selbstmahnung").[36]
Wenn sich bereits aus dem Vertragsinhalt ergibt, dass die geschuldete Leistung besonders dringlich ist,[37] was z.B. bei einem Reparaturauftrag für einen Wasserrohrbruch der Fall sein kann. Dies berechtigt jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen zur Kündigung (besondere Schwere ist erforderlich). Solche Fälle werden in der Baupraxis mit "Gefahr in Verzug" beschrieben.
Eine fristlose Kündigung ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Auftragnehmer trotz Abmahnungen mehrfach und nachhaltig gegen eine Vertragspflicht verstößt und wenn sein Verhalten ein hinreichender Anlass für die Annahme ist, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Haupt- oder Nebenpflichten aus einem Vertrag verletzt worden sind.[38]
Wenn der Auftragnehmer die Pflichtverletzung hartnäckig bestreitet.
Wenn der Auftragnehmer erklärt, er könne die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen, und wenn dieser Zeitpunkt nach Ablauf einer angemessenen Frist liegt.
 

Rz. 24

Nicht ausreichend ist es ...

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