Rz. 39

Die VOB/B stellt als solche keine gesetzliche Regelung dar, sondern enthält nur sog. "Allgemeine Geschäftsbedingungen",[64] d.h. Regelungen, die durch die ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien oder durch einen Hinweis einer der Parteien auf deren Geltung Vertragsbestandteil werden. Unter der Überschrift "Ausführungsfristen" in § 5 VOB/B finden sich die Regelungen

1. zur Fälligkeit der Leistung (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/B) und
2. zum Verzug (§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B).
3. Die Rechtsfolgen, wie z.B. die Kündigung, sind in § 8 VOB/B geregelt,
4. der Schadensersatzanspruch in § 6 Abs. 6 VOB/B.
 

Rz. 40

Zentralnorm in der VOB/B für Ansprüche des Auftraggebers bei Verzögerung der Leistungserbringung durch den Auftragnehmer ist § 5 Abs. 4 VOB/B. Dieser regelt drei Fälle einer möglichen Leistungsverzögerung und weicht damit von der gesetzlichen Systematik ab:

1. Verzögerung des Ausführungsbeginns durch den Auftragnehmer (§ 5 Abs. 4 Alt. 1 VOB/B),
2. Verzug des Auftragnehmers mit der Vollendung der Leistung (§ 5 Abs. 4 Alt. 2 VOB/B),
3. Verletzung der Abhilfeverpflichtung des Auftragnehmers im Falle unzureichenden Einsatzes von Arbeitsmitteln (§ 5 Abs. 4 Alt. 3 VOB/B).
 

Rz. 41

§ 5 Abs. 4 VOB/B enthält zwei Rechtsfolgen:

1. Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach § 6 Abs. 6 VOB/B bei Aufrechterhaltung des Vertrages,
2. Möglichkeit zur Setzung einer angemessenen Frist zur Vertragserfüllung mit Androhung der Auftragsentziehung und zur Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B im Falle des ergebnislosen Fristablaufs.
 

Rz. 42

In der VOB/B steht beim Verzug die Vertragskündigung im Vordergrund und nicht der Rücktritt vom Vertrag.

[64] BGH v. 16.12.1982 – VII ZR 92/82 – BauR 1983, 161.

a) Verzögerung des Ausführungsbeginns (§ 5 Abs. 4 Alt. 1 VOB/B)

 

Rz. 43

Inwieweit ein Ausführungsbeginn bestimmt ist, hängt von den vertraglichen Regelungen ab (siehe dazu Rdn 4 ff.).

 

Rz. 44

§ 5 Abs. 1 VOB/B lautet:

 

Die Ausführung ist nach den verbindlichen Fristen (Vertragsfristen) zu beginnen, angemessen zu fördern und zu vollenden. In einem Bauzeitenplan enthaltene Einzelfristen gelten nur dann als Vertragsfristen, wenn dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart ist.

 

Rz. 45

Hinsichtlich der Vereinbarung von Ausführungsfristen i.S.v. kalendermäßig bestimmten Terminen oder Ausführungsdauern, die bestimmbar sind,[65] wird auf die Ausführungen unter I. 1. A) bb) verwiesen (siehe Rdn 18). Um Ausführungsfristen oder die Gesamtbauzeit als bindende Vertragsfrist ansehen zu können, bedarf es daher einer entsprechend klaren vertraglichen Vereinbarung.

 

Rz. 46

Ebenso wie beim BGB-Bauvertrag enthält die VOB/B mit § 5 Abs. 2 eine Regelung, wonach der Auftraggeber den Bau- bzw. Ausführungsbeginn nach Vertragsabschluss noch festlegen kann. Damit liegt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gem. § 315 BGB vor (siehe dazu Rdn 12). Dies ergibt sich indirekt daraus, dass nach § 5 Abs. 2 VOB/B

der Auftraggeber dem Auftragnehmer auf Verlangen Auskunft über den voraussichtlichen Beginn der Bauausführung zu erteilen hat und
der Auftragnehmer dann innerhalb von zwölf Werktagen nach Aufforderung seitens des Auftraggebers mit der Bauausführung zu beginnen und dem Auftraggeber den Beginn anzuzeigen hat.
 

Rz. 47

Die Frist von 12 Werktagen kann in Verträgen modifiziert werden, da sie ohnehin nicht für alle Gewerke zutrifft, d.h. die notwendige Vorarbeit widerspiegeln kann.

 

Rz. 48

§ 5 Abs. 2 VOB/B beinhaltet für den Auftragnehmer nicht unerhebliche Risiken, während der Auftraggeber dadurch sehr effektiv Nachteile vermeiden und insbesondere bei der Einzelgewerkvergabe seine Baustelle steuern kann (vgl. hierzu Rdn 3 und 21). Der Auftragnehmer muss in der Zeit, bis der Abruf erfolgt, immer leistungsbereit binnen zwölf Werktagen sein. Erhält er in der Zwischenzeit einen lukrativeren Auftrag, kann er gegenüber dem Auftraggeber nicht vertragsbrüchig werden. Bei Großbaustellen und damit verbundenem Großgeräteeinsatz führt dies zudem zu erheblichen Kosten, weil die Geräte nicht anderweitig eingesetzt werden können.

 

Rz. 49

 

Praxistipp

Der Auftragnehmer sollte daher im Vertrag zwingend den zeitlichen Rahmen für die Abrufverpflichtung des Auftraggebers festlegen lassen.

 

Rz. 50

Es ist in der VOB/B nicht explizit geregelt, welche Folgen sich für den Auftraggeber ergeben, wenn er den Abruf der Leistungen nicht oder verspätet vornimmt, es liegt aber nach Überschreitung der Grenzen des § 315 BGB Mitwirkungsverzug vor.[66]

Aus dem Bauvertrag können sich z.B. Anhaltspunkte für den Abruf aus dem Rahmenterminplan ergeben. Wurde dort als Ausführungszeitraum 06–09/2008 geregelt, dann kommt der Auftraggeber ab dem zwölften Tag vor dem 1.6.2008 mit dem Abruf in Verzug.

 

Rz. 51

Nach der Rechtsprechung[67] kann der Auftragnehmer sogar nach § 9 VOB/B den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber die ihm obliegende Nebenpflicht verletzt, dem Auftragnehmer auf Anfrage eine nach Treu und Glauben zumutbare Frist für die Ausführung des Bauvorhabens zu nennen bzw. die vertragliche Leistung abzurufen (zum Mitwirkungs- bzw. Annahmeverzug des Gläubiger...

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