Die Leistungszeitbestimmung im Bauvertrag
In einer Grundsatzentscheidung hat das OLG Saarbrücken sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie konkret der Beginn der Leistungszeit in einem Bauvertrag benannt sein muss, um den Schuldner der Leistung im Fall eines verspäteten Beginns der Bauausführung in Verzug zu setzen.
Beginn der Ausführungszeit von diversen Ereignissen abhängig
Im konkreten Fall hatte der Beklagte die Klägerin mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Mehrfamilienhauses zu einem Pauschalfestpreis von 1.000.000 Euro beauftragt. Im Bauvertrag war bestimmt, dass
- die Ausführungszeit 12 Monate beträgt,
- beginnend 4 Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung,
- spätestens 4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn.
- Schlechtwettertage, behördliche Behinderungen des Baufortschritts sowie Zusatzaufträge und Sonderwünsche des Bauherrn sollten jeweils zu einer angemessenen Verlängerung der Ausführungsfrist führen.
Auftraggeber verweigerte Teil der vereinbarten Zahlung
Nach Fertigstellung der Arbeiten klagte das beauftragte Bauunternehmen u. a. auf Zahlung einer restlichen Auftragssumme in Höhe von knapp 190.000 Euro nebst Verzugszinsen. Der Beklagte erklärte die Aufrechnung wegen verzögerter Auftragsdurchführung und machte Gegenforderungen u. a. in Form von Mietausfallschäden und Zinsschäden etwa in Höhe der Klageforderung geltend.
Auftraggeber machte Verzugsschäden geltend
Rechtlich stützte der Beklagte die geltend gemachten Gegenforderungen im wesentlichen auf Verzugsgesichtspunkte. Die Parteien hätten in dem zugrundeliegenden Bauauftrag fixe Ausführungsfristen vereinbart. Die Klägerin habe weder den vertraglich vereinbarten Beginn der Ausführungsfrist noch die vereinbarten Fertigstellungstermine eingehalten. Die geltend gemachten Mietausfälle und Zinsschäden seien ausschließlich Folge der verspäteten Fertigstellung.
Klage auf Werklohnforderung überwiegend erfolgreich
Das erstinstanzlich zuständige LG hat der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben und die im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Gegenansprüche der Beklagten zurückgewiesen. Die Berufung des Beklagten hatte – abgesehen von einem Teil der erstinstanzlich zuerkannten Zinsen – keinen Erfolg.
Gerichte verneinten Verzugsvoraussetzungen
Entscheidend für den Erfolg der Klage war die Auffassung der Gerichte, dass entgegen der Ansicht des Beklagten die Voraussetzungen eines Verzugs der Klägerin nicht gegeben waren. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB sei für die Inverzugsetzung des Schuldners einer fälligen Leistung grundsätzlich eine Mahnung erforderlich. Eine solche Mahnung habe der Beklagte zu keinem Zeitpunkt ausgesprochen. Die vom Kläger vorgetragenen mehrfachen mündlichen Nachfragen nach dem Fertigstellungstermin seien nicht geeignet, eine Mahnung, also eine eindeutige und bestimmte Leistungsaufforderung darzulegen.
Mahnung war nicht entbehrlich
Entgegen der Auffassung des Beklagten war eine formale Mahnung nach der Bewertung der Gerichte nicht gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bedarf es einer Mahnung nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des Senats nur erfüllt, wenn ein Kalendertag für den Zeitpunkt der Leistungserbringung unzweideutig festgelegt ist (BGH, Urteil v. 16. 12. 1994, V ZR 114/93). Daran fehlte es hier, weil nach dem geschlossenen Bauvertrag die Ausführungsfrist an ein Ereignis, nämlich die Erteilung der Baugenehmigung bzw. den Abruf der Leistung durch den Bauherrn, geknüpft war, dessen zeitlicher Eintritt bei Vertragsabschluss noch ungewiss war. Eine kalendermäßige Bestimmung des Fertigstellungszeitpunkts habe also gerade nicht vorgelegen.
Leistungszeit „8 Monate nach Baugenehmigung“ ist hinreichend bestimmt
Auch gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB war eine Mahnung nach Auffassung der Gerichte nicht entbehrlich geworden. Hiernach bedarf es einer Mahnung nicht, wenn die Leistungszeit von einem Ereignis abhängt und sich die Leistungszeit von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Diese Regelung erfasst die Fälle, in denen die Werkleistung innerhalb bestimmter Fristen nach Abruf durch den Besteller oder nach Eintreten eines sonstigen Umstandes fertig zu stellen ist. Diese Voraussetzung hat der BGH im Falle der Bestimmung eines Fertigstellungstermins „8 Monate nach Baugenehmigung“ als erfüllt angesehen (BGH, Urteil v. 5.11.2015, VII ZR 43/15).
Kombination verschiedener Optionen führt zur Unbestimmtheit
Nicht mehr hinreichend bestimmt ist nach Auffassung des OLG eine solche Klausel, wenn sie mit anderen Sachverhalten durch eine „und/oder“-Verknüpfung kombiniert wird. Genau dies war nach der Bewertung des Senats vorliegend der Fall. Nach dem Bauvertrag war die Ausführungsfrist „4 Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung“ mit der alternativen Option „4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn“ kombiniert. Damit war der Beginn der Leistungszeit von verschiedenen alternativen Faktoren abhängig, zudem durch den Bauherrn als Vertragspartei beeinflussbar und damit für den Auftragnehmer nach Auffassung des Senats nicht mehr ausreichend exakt bestimmbar.
Mangelnde Bestimmtheit der Leistungszeit durch weitere Imponderabilien
Dieses Ergebnis wird nach Auffassung des OLG zusätzlich dadurch gestützt, dass es im Bauverlauf zu diversen Leistungsänderungen im Sinne eine Erweiterung des ursprünglichen Leistungsumfangs gekommen ist. Auch dies habe nach dem Bauvertrag zu einer Verlängerung der vereinbarten Ausführungszeit führen sollen, sodass auch insoweit die Leistungszeit nicht mehr eindeutig bestimmt werden konnte. Auch deshalb erscheint es nach dem Diktum des OLG nicht mehr gerechtfertigt, einen Verzugseintritt ohne vorherige Mahnung mit den daran angeknüpften schwerwiegenden Verzugsfolgen anzunehmen.
Berufung zurückgewiesen
Mit dieser Argumentation hat das OLG die Berufung des Beklagten gegen das der Zahlungsklage stattgebende Urteil der Vorinstanz im Wesentlichen zurückgewiesen.
(Saarländisches OLG, Urteil v. 11.10.2023, 2 U 196/22)
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