Rz. 82

Der konkrete Zugewinnausgleichsanspruch ist zu berechnen, um die Höhe des steuerbefreiten Erwerbs zu ermitteln. Dabei kommt es zu Abweichungen von den zivilrechtlichen Regeln der §§ 1373 ff. BGB:

Bei der Berechnung des Zugewinns bleiben von den Vorschriften der §§ 13731383 und 1390 BGB abweichende güterrechtliche Vereinbarungen in einem Ehevertrag (wie etwa die Modifikation des Zugewinns bezüglich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhaltenen Vermögens oder Regelungen zur Fälligkeit der Zugewinnausgleichsforderung) unberücksichtigt, § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG. Der Freibetrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG ist auch dann zu gewähren, wenn der gesetzliche Güterstand dahingehend modifiziert ist, dass der Zugewinnausgleich sowohl im Fall der Scheidung als auch im Falle des Todes des ausgleichverpflichteten Ehegatten komplett ausgeschlossen sein soll.[65] In diesem Fall müssen allerdings zumindest die Verfügungsbeschränkungen nach den §§ 1365 und 1369 BGB bestehen bleiben, da sonst Gütertrennung eintritt und § 5 Abs. 1 ErbStG nicht (mehr) anwendbar ist.[66]
Die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB findet bei der Berechnung des Zugewinns keine Anwendung, § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG. Nach § 1377 Abs. 3 BGB wird für den Fall, dass kein Verzeichnis des Anfangsvermögens vorliegt, vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt. Durch die Unbeachtlichkeit der Regelung wird eine an die tatsächliche wirtschaftliche Bereicherung des erbenden Ehegatten anknüpfende Besteuerung gewährleistet.
Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag (also nach dessen Aufhebung) (wieder-)vereinbart, gilt als Zeitpunkt des Eintritts des Güterstandes (§ 1374 Abs. 1 BGB) der Tag des Vertragsabschlusses, § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG. Eine rückwirkende Vereinbarung einer Zugewinngemeinschaft bei einer gütertrennenden Ehe bleibt erbschaftsteuerlich mithin unbeachtlich. Dies gilt aber nicht bei der güterrechtlichen Lösung, also bei einem tatsächlich durchgeführten Zugewinnausgleich gem. § 5 Abs. 2 ErbStG (siehe Rdn 94>).
Im Zivilrecht sind der Berechnung der Anfangs- und Endvermögen der Ehegatten stets die Verkehrswerte zugrunde zu legen. § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG deckelt zu Lasten des Erben für die Erbschaftsteuer das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags auf den nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen maßgebenden Wert (vor Abzug einer etwaigen Steuerbefreiung nach §§ 13 ff. ErbStG). Da seit 1.1.2009 die Besteuerung auf der Grundlage des gemeinen Werts, also des Verkehrswerts, stattfindet (siehe § 8 Rdn 11 ff.>), greift § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG praktisch nicht mehr.[67] Dies gilt aber nicht im Rahmen der güterrechtlichen Lösung, also bei einem tatsächlich durchgeführten Zugewinnausgleich gem. § 5 Abs. 2 ErbStG (siehe Rdn 94>).
Gem. § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG[68] wird eine nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten beseitigt, die dadurch entsteht, dass bei der Berechnung der Ausgleichsforderung nicht berücksichtigt wurde, ob für das im Endvermögen enthaltene Nachlassvermögen erbschaftsteuerliche Steuerbefreiungen gewährt wurden. Steuerbefreiungen in diesem Sinne sind etwa Befreiungen für denkmalgeschützte Erwerbsgegenstände (siehe § 6 Rdn 101 ff.>), für das Familienheim (siehe § 6 Rdn 1 ff.>) oder für steuerentlastetes Unternehmensvermögen, §§ 13a13c ErbStG. Würde etwa ein Familienheim vom längerlebenden Ehegatten erbschaftsteuerfrei erworben und dieses gleichzeitig im Endvermögen des Erstversterbenden berücksichtigt, kann es zum steuerfreien Erwerb von weiterer Erbmasse im Rahmen der Steuerbefreiung g des fiktiven Zugewinns kommen, was vermieden werden soll. Die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung ist nach dem Verhältnis zwischen dem um die Steuerbefreiungen geminderten Wert des Endvermögens zum Wert des Endvermögens zu mindern.
Bei Entfallen oder rückwirkender Minderung sowie erstmaliger Gewährung oder rückwirkender Erhöhung einer Steuerbefreiung (z.B. Verstoß gegen die Behaltensfrist beim Familienheim, siehe § 6 Rdn 12>) wird die abzugsfähige Zugewinnausgleichsforderung neu berechnet bzw. kommt es zu einer nachträglichen Änderung Erbschafsteuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
 

Hinweis

Wird der Erbschaftsteuerbescheid bzgl. der Höhe einer bis dato gewährten Steuerbefreiung rückwirkend vom Finanzamt geändert, ist künftig stets zu prüfen, ob dies dazu führt, dass sich ein höherer fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch ergibt.

 

Rz. 83

Ein Zugewinnausgleich zu Lebzeiten i.S.d. § 5 Abs. 2 ErbStG (siehe § 1 Rdn 141>) ist von dieser Regelung nicht erfasst. Gleiches gilt für den Fall, dass der Zugewinnausgleich nach § 1371 BGB erfolgt (güterrechtliche Lösung, siehe Rdn 89>), der überlebende Ehegatte also weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird oder das Erbe ausschlägt (und den sog. kleinen Pflichtteil geltend macht).

 

Rz. 84

Im Übrigen verbleibt es bei der (fiktiven) Berechnung bei den zivilrechtlichen Regelungen zum Zugewinnausglei...

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