Rz. 27

Der Vererbung unterliegen dabei nicht die einzelnen Gegenstände als solche, sondern die rechtliche Position an ihnen.[34] Dabei mag es sich um dingliche Rechte wie das Eigentum[35] oder um sonstige Rechte handeln (zur Vererblichkeit von schuldrechtlichen Ansprüchen und Vertragsbeziehungen siehe noch § 4 Rdn 5 ff.). Vererbt werden folglich nach dem Grundsatz der Universalsukzession alle Rechtspositionen des Erblassers.

 

Rz. 28

Für den digitalen Nachlass bedeutet das: War der Erblasser Eigentümer eines Speichermediums, so vererbt er das Eigentum hieran an seine(n) Erben gemäß § 1922 BGB (vgl. Rdn 5), so wie er auch das Eigentum an einem Buch i.R.d. Universalsukzession vererbt. Dabei kommt es zunächst (siehe § 1 Rdn 28) nicht darauf an, ob auf dem Speichermedium Dateien des Erblassers gespeichert sind oder nicht. Denn ein Speichermedium (Tonband, Notizbuch USB-Stick, Festplatte etc.) erfährt durch das Speichern von Dateien als solches keine substantielle Veränderung, die an den Eigentumsverhältnissen etwas ändert.[36] Zwar mag die Magnetschicht eines Tonbands, die Oberfläche einer CD oder Festplatte durch die Speicherung von Bits und Bytes, durch die veränderte Struktur von Nullen und Einsen physikalisch verändert werden. Diese Veränderung ist aber Voraussetzung und Kernstück der bestimmungsgemäßen Benutzung eines Speichermediums,[37] will es nicht funktionsloses Material sein. Für seine Funktion als Speichermedium ist es typisch, dass es sowohl zum einmaligen Speichern von Dateien als auch zum wiederholten Aufnehmen und Löschen verschiedener Dateien verwendet werden kann.

 

Rz. 29

Der Eigentümer des Speichermediums darf mit diesem nach Belieben verfahren. Die auf einem Speichermedium gespeicherten Dateien sind über das Eigentum des Erblassers am Datenträger insoweit deliktsrechtlich geschützt, als nur er über eine Veränderung der Daten auf dem Speichermedium entscheiden darf (siehe § 1 Rdn 28). Ist dies lebzeitig so, so geht mit dem Übergang des Eigentums am Speichermedium nach § 1922 BGB folglich auch das Recht auf die Erben über, über die Löschung oder Veränderung der Dateien zu bestimmen und die in den Dateien verkörperten Inhalte einzusehen (siehe Rdn 6).

 

Rz. 30

Ein an den als Datei gespeicherten Inhalten evtl. bestehendes Immaterialgüterrecht geht ebenfalls nach § 1922 BGB mit auf die Erben über, wenn der Erblasser Inhaber eben dieses Immaterialgüterrechts war (siehe Rdn 9 ff.). Stand das Immaterialgüterrecht an den Daten nicht dem Erblasser, sondern einem Dritten zu, so kann und muss dieser, da das Eigentum am Speichermedium und an den Dateien gerade nicht der Inhaberschaft an den Inhalten folgt (siehe § 1 Rdn 33 ff.),[38] seine Rechte nunmehr gegen die Erben als Rechtsnachfolger geltend machen (im Einzelnen § 3 Rdn 7, 16, 30).

 

Rz. 31

Festgehalten werden kann also an dieser Stelle, dass alle rechtlichen Positionen, die der Erblasser innehatte, nach § 1922 BGB auch auf die Erben übergehen. War der Erblasser Eigentümer des Speichermediums, so geht das Eigentum an diesem im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über, und zwar samt der darauf gespeicherten Dateien und Inhalte (siehe Rdn 8 ff., 12 ff.). Wenn Dritte Rechte an den Inhalten für sich beanspruchen, müssen sie diese gegen die Erben geltend machen wie bisher gegen den Erblasser. Dies setzt voraus, dass die Erben über § 1922 BGB Zugriff auf Speichermedium, Dateien und Inhalte haben. Ohne einen solchen Rechtsübergang fehlt nach dem Tod des Erblassers ein Anspruchsgegner für die Dritten. Hatten aber Dritte keine Rechte an den auf dem Speichermedium des Erblassers gespeicherten Inhalten, sondern standen diese Rechte dem Erblasser zu, so gehen sie nach § 1922 BGB auf die Erben über, ohne dass diese Herausgabe-/Löschungs- oder sonstigen Ansprüchen hinsichtlich der Inhalte ausgesetzt sind (siehe Rdn 16).

[34] Staudinger/Marotzke, § 1922 BGB Rn 236.
[35] NK-BGB/Kroiß, § 1922 BGB Rn 8.
[36] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), NJW 2016, 317.
[37] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), NJW 2016, 317.
[38] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), dort Rn 20, NJW 2016, 317.

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