Rz. 33

Da das Recht an den Inhalten vom Eigentum an einem Datenträger zu trennen ist, führt auch die Berechtigung am Inhalt der auf einem Datenträger gespeicherten Daten nicht automatisch zu einer Berechtigung am Datenträger und den darauf gespeicherten Dateien.[63] Der BGH hat das kürzlich in einem prominenten Fall ausgeführt:[64]

 

Rz. 34

Geklagt hatte der ehemalige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Kohl. Er verlangte von dem von ihm mit der Erstellung seiner Memoiren beauftragten "Ghostwriter" die Herausgabe von Tonbändern, auf die dieser mit dem Einverständnis Helmut Kohls die ausführlichen gemeinsamen Gespräche aufgezeichnet hatte. Die Vorinstanz, das OLG Köln, hatte dem Klagebegehren stattgegeben, und zwar mit der Begründung, Helmut Kohl habe einen Anspruch auf Herausgabe der Tonbänder, weil er durch die Aufzeichnung seiner Stimme jeweils eine neue bewegliche Sache hergestellt und so gem. § 950 BGB Eigentum an den Tonbändern erlangt habe.[65]

 

Rz. 35

Dem ist der BGH zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung gefolgt.[66] So hat der BGH insbesondere ausgeführt, dass die Speicherung von Inhalten auf einem Speichermedium nicht zu einer Veränderung der Funktion des Speichermediums führt, weshalb durch die Speicherung keine neue Sache hergestellt wird und § 950 BGB keine Anwendung findet.[67] Selbst bei Aufnahmen, die nach dem Willen der Beteiligten nicht mehr gelöscht werden sollen, bspw. wie im vorliegenden Fall aufgrund ihrer historischen Bedeutung, führt die Speicherung nicht zu einer Verbindung von Inhalt und Speichermedium, denn, so der BGH weiter:

Zitat

"Ihre Bedeutung und Einmaligkeit zeichnen nur die Inhalte, aber nicht die Tonbänder als Speichermedien aus und besagen über die eigentumsrechtliche Zuordnung des Speichermediums nichts. Die Berechtigung an den Inhalten folgt anderen Regeln als das Eigentum an den Speichermedien. Ihre Anwendung muss nicht zu denselben Ergebnissen führen (vgl. MüKoBGB/Füller, 6. Aufl., § 950 Rn 4). Auch das Urheberrecht gewährt dem Werkschöpfer nur Ausschließlichkeitsrechte am (immateriellen) geistigen Eigentum, nicht aber ein Recht auf Eigentum oder Besitz an den einzelnen Werkstücken (vgl. BGH, Urteile vom 26.10.1951 – I ZR 93/51, NJW 1952, 661, 662 und vom 27.9.1990 – I ZR 244/88, BGHZ 112, 243, 247). Der an den Inhalten Berechtigte kann zwar auch Eigentümer des Tonbands sein, auf dem sie gespeichert sind, etwa wenn er es käuflich erworben hat. Notwendig ist das aber nicht. Entschließt er sich etwa dazu, dieselben Inhalte nicht auf einem eigenen Tonband zu speichern, sondern beispielsweise auf einem über das Internet zugänglichen Speicherplatz in einem entfernten Rechenzentrum (sog. Cloud), bleibt er weiterhin alleiniger Berechtigter der gespeicherten Inhalte. Er wird dadurch indessen weder rechtsgeschäftlich noch kraft Gesetzes Miteigentümer der Speichermedien in der Computeranlage des Dienstleisters, der ihm darauf den Speicherplatz eingeräumt hat. Diese Anlage verändert durch die bestimmungsgemäße Benutzung als virtueller Speicher weder ihre Substanz noch ihre Funktion. Ebenso läge es, wenn der Beklagte die Gespräche mit dem Kläger statt in analoger Form auf einem Tonband in digitaler Form auf seinem Notebook oder Smartphone gespeichert hätte. Auch dann stünden dem Kläger zwar die Rechte an den Inhalten, aber nicht das Eigentum an dem Notebook oder Smartphone des Beklagten zu."

[63] So aber Staudinger/Kunz (2017), § 1922 BGB Rn 607 mit näherer Begründung in den Rn 607 ff.; ähnlich wohl auch Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; deutlich anders aber ders., MMR 2013, 486, 487: "Datenträgereigentum und Dateneigentum [müssen] auseinanderfallen können". Das Datenträgereigentum kann "höchstens als eines von mehreren Kriterien wirken". Aus unserer Sicht zu Unrecht beruft sich Kunz für ihre Ansicht zudem auf Bräutigam/Herzog, in: DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013, S. 19 f, 48, 55.
[64] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), NJW 2016, 317.
[65] OLG Köln, Urt. v. 1.8.2014 – 6 U 20/14, GRUR-RR 2014, 419; in diese Richtung wohl auch Staudinger/Kunz (2017), § 1922 BGB Rn 610 f., die sich für eine Analogie zu § 946 oder § 947 Abs. 2 BGB ausspricht.
[66] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), dort Rn 19 f, NJW 2016, 317.
[67] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), dort Rn 19, NJW 2016, 317. Eine Ausnahme sieht der BGH nur dann, wenn "ein Tonband – ebenso wie ein CD-Rohling – durch das Aufnehmen oder Speichern von Tondokumenten […] seine typische Funktion verändert. Das wäre etwa dann der Fall, wenn eine unbespielte Musikkassette in einem Musikverlag mit Musiktiteln oder einem Hörbuch bespielt wird, die in dieser Form vertrieben werden sollen."

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge