Rz. 666

Abfindungsregelungen, die bereits im Anstellungsvertrag zwischen den Parteien vereinbart werden, kommen in der Praxis verschiedentlich vor. I.d.R. verfolgen sie den Zweck, Nachteile beim Kündigungsschutz auszugleichen. Für das Unternehmen können solche Vereinbarungen eine wirkungsvolle Möglichkeit sein, Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen.

 

Rz. 667

In Geschäftsführer-Verträgen sind Abfindungsregelungen zwar nicht die Regel, aber auch nicht unüblich. Denn der Geschäftsführer hat gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG grds. keinen Kündigungsschutz (vgl. aber auch zur neueren Tendenz oben § 16 Rdn 237 ff.) und daher im Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung keinen Anspruch auf eine Abfindung i.S.d. §§ 9, 10 KSchG (vgl. aber zur ggf. möglichen Anwendung materiellen Arbeitsrechts oben § 16 Rdn 153 ff., § 16 Rdn 165; zur Vereinbarung materiellen Kündigungsschutzes oben § 16 Rdn 247). Dem begegnet die vertragliche Regelung einer Abfindungszahlung durch die GmbH im Dienstvertrag (sog. antizipierte Abfindungsvereinbarung).

 

Rz. 668

In Vorstands-Verträgen sind in aller Regel keine Abfindungen für den Fall der Nicht-Verlängerung des auf max. fünf Jahre befristbaren Vorstandsvertrages enthalten. Solche Abfindungszusagen wären regelmäßig unwirksam. Denn diese würden unter Umständen die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates bzgl. des Abschlusses eines neuen Vorstandsvertrages beeinflussen (s. § 16 Rdn 658; § 16 Rdn 659 ff.). Allerdings empfahl der Deutsche Corporate Governance-Kodex in Nr. 4.2.3. Abs. 4 u. 5 der Fassung 2017 (www.dcgk.de), dass bereits bei Abschluss von Vorstandsverträgen für den Fall der vorzeitigen Beendigung geregelt sein sollte, dass der Betrag neben dem Kriterium der Restlaufzeit zusätzlich nicht den Wert von zwei Jahresvergütungen übersteigen soll. Seit der Kodex-Fassung vom 16.12.2019, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 20.3.2020, ist indes die ausdrückliche zeitliche Empfehlung auf den Vertragsabschluss nicht mehr enthalten. Gleichwohl kann dies unverändert Sinn machen. Inhaltlich gibt es keine Änderung der Kodex-Empfehlung. Unverändert sollen gem. Ziffer G. 13 Deutscher Corporate Governance Kodex i.d.F. v. 28.4.2022 (veröffentlicht im Bundesanzeiger am 27.6.2022, www.dcgk.de) Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags vergüten.

 

Rz. 669

Bei Arbeitnehmern und leitenden Angestellten, dient eine vertragliche Abfindungsvereinbarung zugunsten des Arbeitnehmers insb. der Festlegung der Abfindungshöhe im Fall einer sozialwidrigen Arbeitgeberkündigung, da das ArbG im Streitfall ansonsten an die Grenze des § 10 KSchG gebunden wäre. Die Bindung des Gerichtes entfällt, wenn der Anstellungsvertrag eine höhere Abfindung vorsieht. Damit begibt sich der Arbeitnehmer nicht des Rechtes, die Sozialwidrigkeit der Kündigung feststellen zu lassen und entsprechend weiterbeschäftigt zu werden. Die Abfindungsvereinbarung greift nur im Fall des arbeitgeberseitigen oder arbeitnehmerseitigen Auflösungsantrages (vgl. Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Teil B Rn 181).

 

Rz. 670

Auch in weiteren Fällen zeigt sich die Praxisrelevanz der Vereinbarung einer Abfindung im Anstellungsvertrag:

 

Beispiel

Ein junges Unternehmen will einen wichtigen Mitarbeiter eines Konkurrenzunternehmens, der kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in seinem Anstellungsvertrag hat, abwerben. Der Mitarbeiter ist 49 Jahre alt und seit 20 Jahren bei dem Konkurrenzunternehmen beschäftigt. Ihn reizt zwar die neue Herausforderung und das etwas höhere Gehalt, er ist jedoch zum Wechsel nur bereit, wenn ihm für den Fall einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung ein Äquivalent für seine lange Betriebszugehörigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber geboten wird. Dies kann im Wege einer vertraglichen Abfindungsvereinbarung geregelt werden.

 

Rz. 671

Eine Vertragsklausel, wonach der Arbeitnehmer im Fall einer vertraglich eingeräumten kürzeren fristgemäßen Eigenkündigung an den Arbeitgeber eine "Abfindung" zu zahlen hat, wird i.d.R. eine unzulässige Kündigungsbeschränkung zulasten des Arbeitnehmers sein (vgl. BAG v. 6.9.1989 – 5 AZR 586/88, DB 1990, 434 = NZA 1990, 147). Ein Arbeitgeber darf die Zahlung von bereits in vollem Umfang verdienter Arbeitsvergütung nicht an Voraussetzungen knüpfen, die dazu führen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unter Verlust erarbeiteten Verdienstes ausgesprochen werden kann (vgl. LAG Düsseldorf v. 23.1.2003 – 11 Sa 1217/02, DB 2003, 1580; BAG v. 8.9.1998 – 9 AZR 223/97, NZA 1999, 420 unzulässige Kündigungserschwerung). Umgekehrt stellt die Vereinbarung einer vom Arbeitgeber zu zahlenden "Abfindung" für den Fall einer Arbeitgeberkündigung aus wichtigem Grund eine unzulässige Einschränkung des außerordentlichen Arbeitgeber-Kündigungsrechts i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar, die wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig ist ...

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