Rz. 3

Am 28.5.1998 war das EU-Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (sog. Brüssel II-Abkommen)[4] unterzeichnet worden. Dieses wurde jedoch aufgrund des Inkrafttretens der Brüssel II-Verordnung (siehe Rdn 4) nie ratifiziert.

 

Rz. 4

Ihm folgte die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten vom 29.5.2000 (sog. Brüssel II-Verordnung – Europäische Ehe- und Sorgerechts-Verordnung – EheVO 2000),[5] die am 1.3.2001 in Kraft trat und in der Kontinuität der bei den Verhandlungen über das Brüssel II-Abkommen erzielten Ergebnisse stand (vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 der Brüssel II-Verordnung). Das Brüssel II-Abkommen und die Brüssel II-Verordnung wiesen inhaltlich keine relevanten Unterschiede auf.[6]

 

Rz. 5

Die Brüssel II-Verordnung hatte jedoch selbst auch keinen langen Bestand: Sie ist Ende Februar 2005 außer Kraft getreten und durch die "Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000" (sog. Brüssel IIa-Verordnung [Europäische Ehe- und Sorgerechts-Verordnung] – fortan: EUEheVO 2003)[7] ersetzt worden (vgl. Art. 71 Abs. 1 EUEheVO 2003 und deren Erwägungsgrund Nr. 28).

 

Rz. 6

Die EUEheVO 2003 (die zum 1.8.2004 in Kraft getreten ist, Art. 72 S. 1) findet gem. Art. 72 S. 2 i.V.m. Art. 64 grundsätzlich auf Verfahren und öffentliche Urkunden/Vereinbarungen Anwendung, die nach dem 1.3.2005 eingeleitet, aufgenommen oder getroffen wurden. Ausnahmsweise ermöglicht Art. 64 Abs. 2 und 3 EUEheVO 2003 nach Maßgabe der dort normierten Voraussetzungen eine Anwendung der Verordnung auch auf die Vollstreckung von Entscheidungen, die in vor dem eigentlichen Inkrafttreten eingeleiteten oder abgeschlossenen Verfahren ergangen sind.

 

Rz. 7

Am 1.3.2005 ist in Deutschland (mit Ausnahme der §§ 12 Abs. 3 und 47 Abs. 2 IntFamRVG, die bereits zum 1.2.2005 in Kraft getreten sind) das am 31.1.2005 verkündete "Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG)" vom 26.1.2005[8] in Kraft getreten. Es dient nach seinem § 1 Nr. 1 u.a. der Durchführung der EUEheVO 2003 (vgl. auch § 56 IntFamRVG, der Übergangsvorschriften zur EUEheVO 2003 trifft).

 

Rz. 8

Die EUEheVO 2003 erweitert gegenüber der Brüssel II-Verordnung nur den sachlichen Anwendungsbereich. Sie erfasst über die Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen (Art. 1 Abs. 1 lit. a – Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe, entsprechend Brüssel II-Verordnung) auch alle Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Ausübung, Übertragung sowie vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung) über eheliche oder nichteheliche Kinder (Art. 1 Abs. 1 lit. b EUEheVO 2003, wohingegen die Brüssel II-Verordnung sich auf Verfahren beschränkte, die hinsichtlich der gemeinsamen Kinder von Ehegatten aus Anlass einer Ehesache durchgeführt wurden). Neben der Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs bringt die EUEheVO 2003 folgende weitere wesentliche Neuerungen:

Schaffung gemeinschaftsspezifischer Regeln über die internationale Zuständigkeit im Falle einer Kindesentführung (vgl. Art. 10 EUEheVO 2003) sowie
Abschaffung der Vollstreckungserklärung bei der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die Rückgabe des Kindes nach einer Entführung sowie von Entscheidungen über das Umgangsrecht (vgl. Art. 11 Abs. 8 und Art. 40 ff. EUEheVO 2003).
 

Rz. 9

Beachte: Im Zuge einer geplanten Reform – Vorschlag für eine VO des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die eheliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung)[9] – soll im Bereich des Kindschaftsrechts das Verfahren der Kindesrückgabe präziser ausgestaltet und die Vollstreckung von Umgangstiteln vereinfacht sowie die Zusammenarbeit bei der Unterbringung von Kindern im Ausland verbessert werden.[10] Das Europäische Parlament hat den VO-Vorschlag am 14.3.2019 gebilligt.

[4] ABl EG Nr. C 221 vom 16.7.1998, S. 1.
[5] ABl EG Nr. L 160 vom 30.5.2000, S. 19. Vgl. auch den Vorschlag der Kommission zum Erlass der Brüssel II-Verordnung in ABl EG Nr. C 247 vom 31.8.1999, S. 1.
[6] Dazu NK-BGB/Gruber, EheVO 2003, Vorbem. Rn 2 unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 6 zur Verordnung.
[7] ABl EG Nr. L 338 vom 23.12.2001, S. 1.
[8] Verkündet als Art. 1 des Gesetzes zum internationalen Familienrecht (BGBl I, 162). Dazu Gruber, FamRZ 2005, 1603.
[9] KOM (2016), 411.
[10] MüKo-BGB/Heiderhoff, Vorbem. Brüssel IIa-VO R...

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