Rz. 76

Checkliste

1. Qualifikation der Rechtsfrage

Nur dann, wenn die Rechtsfrage erbrechtlich zu qualifizieren ist, ist auch eine erbrechtliche Kollisionsnorm anzuwenden ("Wie lautet die gesetzliche Erbfolge?", "Ist der Erbvertrag wirksam?" – Nicht aber: "Welche Rechte stehen der Witwe wegen Auflösung des Güterstands zu?" oder "Wer ist aufgrund des Todes des Mieters berechtigt, in den Mietvertrag einzutreten?").

2. Auffinden der einschlägigen Rechtsgrundlage

Eintritt des Erbfalls vor dem 1.8.1986: Art. 24 ff. EGBGB i.d.F. vom 1.1.1900 (siehe Rdn 21)
Eintritt des Erbfalls vor dem 17.8.2015: EGBGB i.d.F. vom 1.9.1986 (siehe Rdn 37 ff.)
Eintritt des Erbfalls nach dem 16.8.2015: EuErbVO (siehe Rdn 26 ff.)
Immobilien des deutschen Erblassers in der Türkei oder in einem Nachfolgestaat der Sowjetunion: Deutsch-Türkisches Nachlassabkommen (siehe § 2 Rdn 205) bzw. Deutsch-Sowjetischer Konsularvertrag (siehe § 2 Rdn 209)
Erblasser war Türke oder Iraner: Deutsch-Türkisches Nachlassabkommen (siehe § 2 Rdn 205) bzw. Deutsch-Persisches Niederlassungsabkommen (siehe § 2 Rdn 201)
Formwirksamkeit eines einseitigen oder eines gemeinschaftlichen Testaments: Haager Übereinkommen vom 5.10.1961 (siehe § 4 Rdn 12)

3. Anknüpfung des Erbstatuts (bei Anwendbarkeit der EuErbVO)

Vorliegen einer Rechtswahl (Art. 22 Abs. 1 EuErbVO)

→ Geltung des Rechts des Staates, dessen Recht gewählt wurde

Fehlen bzw. Unwirksamkeit der Rechtswahl

→ Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.v. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO

→ keine erhebliche engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates (vgl. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO)

4. Prüfen von Rück- und Weiterverweisungen

Verweisung auf das Recht eines Drittstaates (Staat, für den die EuErbVO nicht gilt)

→ Anwendung des IPR dieses Drittstaates (ausgenommen: Verweisung beruht auf Art. 21 Abs. 2 oder Art. 22 EuErbVO)

→ Verweist das IPR des Drittstaates auf das deutsche Recht oder das Recht eines anderen Mitgliedstaates: Anwendung des deutschen materiellen Erbrechts (Sachrechts) bzw. des materiellen Erbrechts dieses Mitgliedstaates

→ Verweist das IPR des Drittstaates auf das Recht eines weiteren Drittstaates: weitere Prüfung (siehe § 2 Rdn 77)

Verweisung auf das deutsche Recht oder auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates

→ Anwendung des deutschen materiellen Erbrechts (Sachrecht) bzw. des materiellen Erbrechts des anderen Mitgliedstaates i.S.d. EuErbVO

5. Sonderanknüpfung bei Verfügungen von Todes wegen

Erbverträge: Art. 25 EuErbVO
Testamente: Art. 24 EuErbVO
Formstatut: Art. 27 EuErbVO

6. Selbstständige Anknüpfung von Vorfragen

Z.B.:

Abstammung und Verwandtschaft: → Art. 19 EGBGB
Adoption: → Art. 22 EGBGB bzw. § 108 FamFG
Ehe: → Art. 13 EGBGB
eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft bzw. gleichgeschlechtliche Ehe: → Art. 17b Abs. 1 EGBGB
ehelicher Güterstand: → Art. 15 EGBGB
ggf. fortfahren bei der Prüfung des nach den Stufen 1–4 bestimmten Erbstatuts

7. Korrekturen bei der Rechtsanwendung

Bei "unangemessenem" Ergebnis: Korrektur mittels "Anpassung" oder ordre public.
 

Weitere Informationen und Materialien, wie z.B. Muster, Formulare, amtliche Texte und Internetadressen, befinden sich auf der beiliegenden CD-ROM.

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