Rz. 77

Das IPR des Aufenthaltsstaates kann auch das Recht eines weiteren Drittstaates für anwendbar erklären. Gemäß Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO ist nach Verweisung auf das Recht eines Drittstaates die Verweisung des IPR dieses Drittstaates auf das Recht eines weiteren Drittstaates zu befolgen, wenn dieser sein eigenes Recht anwenden würde.

 

Rz. 78

 

Beispiel 4

Der Erblasser stammt aus Kalifornien. Er lebte zuletzt in Tiflis, um dort den Aufbau eine Dependance einer internationalen Wirtschaftsprüfersozietät zu begleiten. In seinem Nachlass befinden sich u.a. eine Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft in Form einer Kommanditgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf und ein Weingut in der Bourgogne. Für seine Ehefrau hat er eine Eigentumswohnung in Istanbul gekauft.

 

Rz. 79

In Beispielsfall 4 verweist Art. 22 EuErbVO wohl wegen des mehrjährigen Aufenthalts in Tiflis auf das georgische Recht. Art. 55 S. 1 georg. IPRG wiederum erklärt das Heimatrecht des Erblassers für anwendbar. Es gilt daher das Recht der USA, mangels eines einheitlichen Zivilrechts das kalifornische Recht. Hierbei handelt es sich gem. Art. 4 Abs. 1 georg. IPRG[68] um eine Gesamtverweisung, die auch das in Kalifornien geltende IPR umfasst. Das kalifornische internationale Erbrecht verweist für die Vererbung beweglicher Nachlassgegenstände auf das Recht des Staates, in dem der Erblasser zuletzt sein domicile hatte (siehe Rdn 67). Beruflich bedingte Versetzungen für eine beschränkte Dauer dürften aber noch zu keiner Begründung eines domicile of choice führen, da es hier an der Absicht zu bleiben fehlt.

 

Rz. 80

Gemäß Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO ist die Verweisung des georgischen IPR auf das kalifornische Recht zu befolgen, wenn das kalifornische IPR auf das kalifornische Recht verweisen würde. Dieser Fall ist hier gegeben, da das kalifornische Recht für die Erbfolge des beweglichen Nachlasses sich für anwendbar erklärt. Damit vererbt sich der bewegliche Nachlass nach dem kalifornischen Erbrecht.

 

Rz. 81

Für die Vererbung der Immobilien gilt im kalifornischen IPR das jeweilige Belegenheitsrecht. Insoweit stellt sich mithin die Frage, ob es sich bei der Beteiligung an der in Deutschland errichteten Immobiliengesellschaft um "unbewegliches Vermögen" handelt. Dies wäre wegen der Qualifikationsverweisung auf das deutsche Belegenheitsrecht der Immobilie nach dem deutschen Recht zu beantworten und damit zu verneinen (vgl. auch Rdn 69 zur Erbengemeinschaft).[69] Die Gesellschaftsanteile vererben sich mithin im Beispielsfall 4 nach dem kalifornischen Recht.

 

Rz. 82

Das Weingut in der Bourgogne hingegen wäre nach dem französischen Belegenheitsrecht als Immobilie zu qualifizieren. Insoweit ergäbe sich daher eine Verweisung auf die französische lex rei sitae. Insoweit nimmt daher das kalifornische Recht die Verweisung nicht an, sondern spricht eine weitere Verweisung aus. Dabei sei unterstellt, dass das georgische IPR, welches die Verweisung auf das kalifornische Recht ausgesprochen hat, diese Weiterverweisung befolgen würde. Würde man hier Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO streng anwenden, so ergäbe sich die Folgerung, dass auf die Verweisung des Aufenthaltsrechts (Georgien) auf das Recht eines weiteren Drittstaates (Kalifornien) dieser sein eigenes Recht nicht anwenden würde. Die Befolgung der Weiterverweisung ist durch Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO also bei literaler Auslegung ausgeschlossen.[70] Allerdings lässt Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO die Beachtung einer nach dem anzuwendenden Recht ausgesprochenen Verweisung zu, wenn die ausländischen Rechtsvorschriften auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates weiterverweisen. Auch wenn mit dieser Klausel wohl ausschließlich die Fälle gemeint waren, in denen das durch die Regeln der EuErbVO bestimmte Recht unmittelbar auf das Recht eines Mitgliedstaates verweist, so spricht der Wortlaut m.E. dennoch nicht dagegen, auch die Fälle, in denen die Verweisung des Art. 22 EuErbVO erst über eine Weiterverweisung zum Recht eines rückverweisenden Staates (also eines dritten Drittstaates) führt, einzubeziehen. Dafür spricht im vorliegenden Fall das Ziel des Entscheidungseinklangs. Denn würde man wegen der Weiterverweisung durch das kalifornische IPR im vorliegenden Fall die Verweisungskette bereits im georgischen Recht abbrechen, so käme man zu einem Ergebnis, das weder der Rechtslage in Georgien noch der kalifornischen Perspektive entsprechen würde. Daher sind unter Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO nicht nur die Fälle der direkten Rückverweisung, sondern auch die Fälle der mittelbaren Rückverweisung zu erfassen.[71]

 

Rz. 83

Noch unsicherer stellt sich die Situation in Bezug auf die in Istanbul belegene Eigentumswohnung dar. Hier würde das kalifornische Recht auf das türkische Belegenheitsrecht verweisen. Das türkische IPR wiederum geht ebenfalls von der Geltung der lex rei sitae für Immobilien aus und würde sich selbst für anwendbar erklären. Nach dem EGBGB war in solchen Fällen über Art. 3a Abs. 2 schon aus diesem Grunde türkisches Erbre...

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