Rz. 12

Für die Ermittlung des auf die Formwirksamkeit eines Testaments anwendbaren Rechts gilt das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht vom 5.10.1961 (Testamentsformübereinkommen),[11] welches für Deutschland am 1.1.1966 in Kraft getreten ist.[12] Das Abkommen gilt aktuell in 16 Mitgliedstaaten der EU, darunter auch in den drei Mitgliedstaaten, in denen die EuErbVO nicht in Kraft getreten ist. In den Mitgliedstaaten der EU, die das Testamentsformabkommen ratifiziert haben, ist das Abkommen gem. Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO weiterhin vorrangig vor der EuErbVO anwendbar. In den übrigen Mitgliedstaaten, die das Abkommen nicht ratifiziert haben, gelten die einschlägigen Kollisionsnormen des Abkommens über Art. 27 Abs. 1 EuErbVO, der diese weitgehend wörtlich wiedergibt, entsprechend.

 

Rz. 13

Eine Ausnahme ergibt sich gem. Art. 1 Abs. 2 lit. f EuErbVO für mündliche Verfügungen von Todes wegen. Diese sind vom Anwendungsbereich der EuErbVO hinsichtlich der Formwirksamkeit ausgenommen. Nachdem in Österreich das mündliche Testament schon vor einigen Jahren als ordentliche Testamentsform abgeschafft worden ist, betrifft diese Ausnahme wohl nur noch die sog. Nottestamente. Für die Staaten, die das Haager Testamentsformübereinkommen ratifiziert haben, richtet sich die Formwirksamkeit dann nach den Regelungen dieses Abkommens – es sei denn, diese haben den entsprechenden Vorbehalt in Art. 10 des Haager Testamentsformübereinkommens[13] eingelegt. Für Letztere und die Mitgliedstaaten, die das Haager Testamentsformabkommen nicht ratifiziert haben, gelten die Regeln des nationalen IPR zur Formwirksamkeit von Testamenten,[14] und – soweit diese im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der EuErbVO aufgehoben worden sind – die allgemeinen Regelungen über die Bestimmung des auf die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften anwendbaren Rechts.

 

Rz. 14

Das Testamentsformübereinkommen hält einen bunten Strauß von nebeneinander (alternativ) anwendbaren Anknüpfungen bereit (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt). Eine letztwillige Verfügung ist danach hinsichtlich ihrer Form gültig, wenn diese den Formerfordernissen auch nur einer der folgenden Rechte entspricht:

das Recht des Ortes, an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat (Ortsform; Art. 1 Abs. 1 lit. a Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. a EuErbVO);
das Recht irgendeines der Staaten, dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, angehörte (Art. 1 Abs. 1 lit. b Fall 1 Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. b EuErbVO);
das Recht irgendeines der Staaten, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte (Art. 1 Abs. 1 lit. b Fall 2 Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. b EuErbVO);
das Recht eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, seinen Wohnsitz hatte (Art. 1 Abs. 1 lit. c Fall 1 Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. c EuErbVO). Ob der Erblasser an einem bestimmten Ort einen Wohnsitz hatte, regelt das an diesem Ort geltende Recht (Art. 1 Abs. 3 Testformübk);
das Recht eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz hatte (Art. 1 Abs. 1 lit. c Fall 2 Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. c EuErbVO);
das Recht eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 1 Abs. 1 lit. d Fall 1 Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. d EuErbVO);
das Recht eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 1 Abs. 1 lit. d Fall 2 Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. d EuErbVO);
das Recht des Ortes, an dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit die Verfügungen des Testaments dieses Vermögen betreffen (Art. 1 Abs. 1 lit. e Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. e EuErbVO).
 

Rz. 15

Die Formwirksamkeit des Testaments nach einer einzigen der so bestimmten Rechtsordnungen soll genügen, um diesem überall Wirksamkeit zu verschaffen (favor testamenti).[15] Freilich muss das Testament sämtliche Erfordernisse für die Formwirksamkeit nach einer der dort genannten Rechtsordnungen einhalten.

 

Rz. 16

Die praktisch bedeutendste Anknüpfung befindet sich in Art. 1 Abs. 1 lit. a des Testamentsformübereinkommens (= Art. 27 Abs. 1 lit. a EuErbVO). Diese verweist auf das am Errichtungsort geltende Recht. Das verwirklicht die Grundsätze des Vertrauensschutzes und erleichtert die Errichtung international wirksamer Testamente in besonderer Weise. Des Weiteren genügt die Beachtung des am Wohnsitz, am gewöhnlichen Aufenthalt oder im Heimatstaat – jeweils zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments – geltenden Rechts. Kaum mit Gründen des Vertrauensschutzes lässt sich dagegen rechtfertigen, dass neben dem Zeitpunkt der Errichtung auch künftige Entwicklungen (wie die Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt zum Zeitpunkt des Erbfalls) berücksichtigt werden müssen (Art. 1 Abs. 1 lit. b bis d Testformübk = Art. 27 Abs. 1 lit. b bis d EuErbVO). Diese zusät...

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