Wann kommen Verdachtskündigung oder Druckkündigung in Betracht?

Verdachtskündigung und Druckkündigung sind Sonderfälle, weil betroffenen Arbeitnehmer nicht immer oder nicht mit Sicherheit ein Verschulden zur Last fällt. Daher ist es für Arbeitgeber nicht nur ethisch heikel, aktiv zu werden. Auch weil die Kündigungsvarianten rechtlich kompliziert und angreifbar sind, sollten sie nur äußerst zurückhaltend ausgesprochen werden.

Bei den beiden Kündigungsformen fehlt es oft an der letzten klarheit oder der eigenen Überzeugung für den aktiv werdenden Arbeitgeber. Um so wichtiger ist in diesem Fall kompetente Rechtsberatung.

Wann kommt die Verdachtskündigung in Betracht?

Die Verdachtskündigung ist quasi die Vorstufe zur Tatkündigung. Kann die Tat nach allen, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mitteln und Ermittlungen nicht nachgewiesen werden, ist der Vorfall, der im Raum steht, jedoch so schwerwiegend, dass man ihn nicht auf sich beruhen lassen kann (z.B. sexuelle Belästigung von Arbeitskollegen, Veruntreuungen von Führungskräften, Diebstahl, Verrat von Geschäftsgeheimnissen), steht dem Arbeitgeber die Verdachtskündigung zur Verfügung.

Diese ist, das lässt sich unschwer erahnen, mit Bedacht auszusprechen ist, denn die Gefahr, den Arbeitnehmer zu Unrecht zu beschuldigen, ist groß. Man verlangt daher

  • einen sehr schwerwiegenden, dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Pflichtverletzung,
  • der zu einem Vertrauensbruch beim Arbeitgeber führt.

Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht (BAG, Urteil v. 18.6.2015, 2 AZR 256/14).

Verdachtskündigung ohne Anhörung ist unwirksam

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den verdächtigen Arbeitnehmer innerhalb der Regelfrist von einer Woche mündlich oder schriftlich anzuhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 2 AZR 611/17). Ohne eine solche Anhörung ist die Verdachtskündigung unwirksam, es sei denn der Arbeitnehmer ist von vornherein nicht bereit, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern oder er ist z.B. wegen Inhaftierung für den Arbeitgeber nicht greifbar.

Wie bei jeder Kündigung, muss auch hier die Prüfung der Wirksamkeit mit einer umfassenden Interessenabwägung abschließen. Hierbei gelten die gleichen Kriterien wie bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen, also insbesondere Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltsverpflichtungen und sonstige persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie die Dauer des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses.

→ Drohung mit fristloser Verdachtskündigung – Aufhebungsvertrag anfechtbar?

Was sind die Voraussetzungen einer Druckkündigung?

Streitig ist schon, ob es sich bei den Gründen für eine Druckkündigung um einen verhaltens- oder personenbedingten oder sogar  betriebsbedingten Kündigungsgrund handelt. Dies muss im Einzelfall entschieden werden. Regelmäßig sieht sich der Arbeitgeber in Fällen der Druckkündigung zur Kündigung gezwungen, weil Dritte ihm gegenüber Nachteile bei Untätigkeit androhen.

Im Fall der Druckkündigung ist es der Arbeitgeber, der unter Druck steht. Dieser Druck kann von der der Belegschaft, einer Gewerkschaft, dem Betriebsrat, einer Aufsichtsbehörde, einem Sponsor oder einem Kunden des Arbeitgebers ausgehen.

  •  Diese verlangen vom Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dauerhafte Nichtbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers und
  • drohen ihm für den Fall, dass er dem nicht nachkommt, Nachteile an, z.B. die Eigenkündigung oder den Abbruch von Geschäftsbeziehungen. 

An die Zulässigkeit einer objektiv nicht gerechtfertigten Druckkündigung hat das BAG in ständiger Rechtsprechung strenge Anforderungen gestellt. Beim Verlangen der Belegschaft bzw. eines Teils der Belegschaft auf Entlassung eines Arbeitnehmers darf der Arbeitgeber diesem nicht ohne weiteres nachgeben, um den Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen.

Kein Fall der Druckkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Druck nur zum Anlass für eine herkömmliche personen- oder verhaltensbedingte Kündigung nimmt. Deren Maßstäbe gelten deshalb unverändert fort.

Druckkündigung setzt kein Verschulden des Arbeitnehmers voraus

Die Druckkündigung setzt kein Verschulden voraus. Sie ist daher nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt. So muss beim Arbeitgeber allererste Priorität der Versuch haben, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und außerdem alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den Druck auf andere Weise zu beseitigen. Das gebietet seine Fürsorgepflicht.

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, dem Druck anders Herr darf der Arbeitgeber ausnahmsweise betriebsbedingt kündigen, wenn sonst seine Existenz vernichtet oder er zumindest wirtschaftlich schwer geschädigt würde. Voraussetzung für eine wirksame Kündigung ist, dass allein sie geeignet ist, um Schäden abzuwenden (BAG v. 19.6.1986, 2 AZR 563/85). Der Druck kann so weit gehen, dass er ein eigentlich rechtswidrige Kündigung ermöglicht, selbst wenn ihr das Gericht ablehnend gegenübersteht

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