Work-Life-Balance: Interview Thomas Sattelberger

61 Jahre brauchte Thomas Sattelberger nach eigenem Bekunden, um zu begreifen, dass andere Menschen in Sachen Zeitgestaltung andere Vorstellungen haben. Viel zu arbeiten, will er sich aber von niemandem verbieten lassen. Allerdings sei er in dieser Hinsicht ein Auslaufmodell.

SVerstörend wirkt Ihre neu entdeckte Begeisterung für Work-Life-Balance. Menschen, die Sie gut kennen, berichten vom Gegenteil in Ihrem Alltag.

Sattelberger: Ich glaube, da habe ich mich gegenüber anderen geändert. Als ich verstanden hatte, dass das Thema Vielfalt mit Zeitsouveränität zu tun hat, habe ich vor anderthalb Jahren einen Kehrtwechsel anderen gegenüber vollzogen und deren Ansprüche an ihr Privatleben akzeptiert. Zeitsouveränität heißt aber auch, dass man auch mir nicht reinreden soll, wenn ich viel arbeiten will.

Eine naheliegende Erkenntnis, für die Sie 63 Jahre alt werden mussten. Wer hat Sie in Ihrem Arbeitseifer gesteuert?

Sattelberger: Ich fand das ganz normal, dass Menschen viel arbeiten. Ich habe nie richtig reflektiert, dass andere Menschen in Sachen Zeitgestaltung auch andere Vorstellung haben können. Da wundere ich mich über mich selber. Da hat mir eine tiefschürfende Runde mit unserer Diversity-Beauftragten und 20 Frauen die Augen geöffnet.

Für Sie selbst ist das Privatleben von geringer Bedeutung?

Sattelberger: Ich genieße die Arbeit. Wenn ich wie jüngst während des Urlaubs in Südafrika am Pool liege und ein Referat bei der Bertelsman-Stiftung vorbereite oder das Personalmarketingkonzept meines Bereiches bearbeite, ist das Lust. Dann ein Gläschen Wein und eine Stunde Laufband. Dieses Hybride hat mir immer gefallen.

Das Dilemma Work und Life löst sich bei Ihnen durch maximalen Spaß bei der Arbeit?

Sattelberger: Meist. Wobei ich ja für mich alleine kein egozentrisches Leben führe. Ich bin seit vielen Jahren verliebt. Da organisieren wir gezielt unsere Gemeinsamkeiten. Es gibt aber schon eine Dominanz des lustvollen Arbeitens bei mir. Mir ist aber bewusst: So wie ich arbeite und führe, da bin ich ein Auslaufmodell.

Was wäre das Gegenmodell?

Sattelberger: Jemand, der nicht erst im Alter von 60 Jahren zu solchen Erkenntnissen kommt. Der als junge Führungskraft über die verschiedenen Lebensphasen hindurch die jeweils passende Souveränität bewahrt. Ich bin ja klassischer Konzernmanager. Da hab ich alle Sozialisationsprozesse der Industriegiganten durchlebt. Auch wenn ich immer wieder mal rebelliert habe. Da gibt es jüngere Manager, die da wesentlich konsequenter sind. Die sehr bewusst Signale setzen, dass für sie ihr privates Leben relevant ist. Die Respekt davor haben, dass andere ihr eigenes Leben führen.