Philosophie und Pläne: Interview Thomas Sattelberger

Vollgepflastert mit Terminen hat sich Thomas Sattelberger den  Ruhestand. Denn langweilen will er sich nicht. Langeweile zu verbreiten scheint ihm aber ebenso schlimm, was er als Warnung an die Berufskollegen versteht. HR dürfe nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Von Dirk Baeckers postheroischem Management halten Sie nichts, oder? Ihr Managerleben und Ihre Rhetorik drücken immer wieder aus: Aufruhr, Kampf. Das klingt doch alles sehr heroisch.

Sattelberger: Diese Theorie wurde auch schon in meinem Buch „Lernende Organisation“ vor zwanzig Jahren ausgebreitet. Sie ist allerdings nur insofern relevant, wenn sich Führungskräfte als Heroen aufführen und die Massen manipulieren. Andere zu besiegen ist etwas anderes als Beiträge zu Größerem zu leisten. Sokrates sagte: „Werde der, der Du bist“. In diesem Sinne ist jeder selbstverantwortliche und selbstreflexive Mensch heroisch. Da ist eine Ordensfrau im Kongo nicht weniger heroisch als der Manager im Industriekonzern. Um es klar zu sagen: Ich bin kein Held.

Aber Sie kämpfen gerne.

Sattelberger: Kämpfen in der Arena im Schweiße des Angesichtes ist das eine, der Heroe steht mit der Fahne auf der Spitze des Berges und schaut herunter auf die Massen. Da steckt ja meist die Niederlage vieler anderer dahinter.

Nach Ihrem Ausscheiden müssen Sie Ihr Leben neu gestalten. Treffen wir Sie demnächst im Rewe einkaufen?

Sattelberger: Da haben Sie mich schon früher treffen können. Ich habe natürlich Sorge gehabt, in ein Loch zu fallen. In der mir eigenen Planungswut habe ich aber dafür gesorgt, dass es keine Löcher gibt. Ich habe mich bis in den Herbst vollgepflastert und bin kaum noch manövrierfähig.

Welche Aufgaben werden das sein?

Sattelberger: Zum einen das Treiben der MINT-Initiative der BDA/BDI. Da geht es jetzt an den Feinschliff. Zum anderen bin ich Vorsitzender des Kuratoriums für das Deutschlandstipendium. Das ist ja ein altes Anliegen von mir, dass wir für Hochschulen eine Alumni- und Stipendienkultur aufbauen. Zum dritten übernehme ich den Stiftungsvorsitz der Zeppelinuniversität in Friedrichshafen. Und zum vierten arbeite ich verantwortlich bei dem Neustart der Initiative Qualität der Arbeit, kurz INQA, mit. 

Haben Sie kein Projekt „Mehr Privatleben“ in Ihrem Plan?

Sattelberger: Doch. Ich nehme mehr Urlaub, ich werde auch nicht mehr sieben Tage die Woche arbeiten.

Sie waren und sind eine prägende Figur im Personalmanagement. Wer wird der neue Sattelberger?

Sattelberger: Kein Kommentar. Da muss noch viel reifen.

Braucht das Personalmanagement überhaupt einen Antreiber?

Sattelberger: Ja. Die HR-Funktion versinkt in der gesellschaftlichen, öffentlichen Bedeutungslosigkeit. Ich kann nur hoffen, dass sich da jemand aus der zweiten Reihe herausschält. Jemand der kämpft, aber nicht absolutistisch, eingebildet. Jemand der nicht nur schwätzt, sondern auch große HR-Architekturen bei sich im Unternehmen baut. Meine Hoffnung liegt bei denen, die 20 oder 30 Jahre jünger sind.

Wie sind Sie zu einer prägenden Figur im Personalmanagement geworden? Unsere These: Erstens sind Sie eine charismatische Persönlichkeit, die reden kann. Zweitens haben Sie Ihre Themen laut gesetzt und mit Ihrem Unternehmen verbunden. Und Sie haben, drittens, Ihre Ideen in Ihren Publikationen konzeptionell dargelegt.

Danke. Da kommt noch was dazu. Ich habe exzellente Routine wie die Pest gehasst. Ich war in vier großen Unternehmen in 40 Jahren – also kein Jobhopper. Aber ich habe immer wieder im kalten Wasser als Lehrling angefangen, aber mit immer schnelleren Lernkurven. Automobilbau, Wehrtechnik,  Luftfahrt, Reifenherstellung, Elektronik, Telekommunikation – diese Vielfalt habe ich bewusst in meinen Lebenslauf eingebaut. Nur so verhindert man, zum Oberklon der Klone zu werden. Übrigens gibt’s ja auch viele Unternehmen, die langweilen sich an ihrem guten Personaler.

Das Interview führten Reiner Straub und Randolf Jessl, Redaktion Personalmagazin.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitszeitmodell