Zeitarbeit zur Integration in den Arbeitsmarkt

Deutschland leidet unter Personalmangel. Derzeit werden etwa 1,2 Millionen Arbeitskräfte, davon zwei Drittel Fachkräfte, gesucht. Ohne Migranten wären die Engpässe deutlich dramatischer. In der Zeitarbeits­branche ist ihr Einsatz Alltag: Knapp 40 Prozent der Leiharbeitnehmenden haben einen Migrations­hintergrund, und der Anteil der Geflüchteten unter ihnen ist in den vergangenen Jahren auf etwa 20 Prozent gestiegen. 

Mit der Einstellung von Geflüchteten tragen Personaldienstleister wesentlich zur nachhaltigen Integration bei und leisten damit einen wichtigen Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft. Daran besteht kein Zweifel: Den Menschen, die in den vergangenen Jahren Schutz in Deutschland gesucht haben, ermöglicht eine Erwerbstätigkeit die für die Integration essenzielle soziale Teilhabe – sei es der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen oder die Bestätigung, einen Wertbeitrag für die Gemeinschaft zu erbringen. Darum ist es eine gute Nachricht, dass nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Jahr 2021 in Deutschland durchschnittlich rund 420.000 Personen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Das entspricht etwa einem Drittel der hier lebenden anerkannten Asylsuchenden. Minderjährige bilden ein weiteres Drittel der aus Kriegsgebieten Zugewanderten. Und vom übrigen Drittel sind "nur" noch rund 200.000 Menschen arbeitslos. Diese vom Ausländerzentralregister stammenden Zahlen beziehen sich auf die Top-Acht-Asylherkunftsländer Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.

Zentrale Anlaufstelle für Fragen zur Beschäftigung von Migranten

Die Zeitarbeit ist seit Jahren der mit Abstand wichtigste Zugang für Schutzsuchende in den Arbeitsmarkt. So lag laut neuesten Angaben der Bundesagentur für Arbeit der Anteil der Zeitarbeit an den Beschäftigungsaufnahmen Geflüchteter insgesamt im Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 bei 34,5 Prozent. Keine andere Branche hat auch nur annähernd so viele Flüchtlinge integriert. "Allerdings ist die Beschäftigung von Schutzsuchenden keine Routine. Sie erfordert ein großes Engagement und interkulturelle Sensibilität", betont Michael Kienert, Leiter Arbeitsmarktprojekte und Inklusion der Manpower-Group. "Als 2015 und 2016 die große Flüchtlingswelle Deutschland erreichte, haben wir deshalb zusammen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Forschungsprojekt aufgesetzt, um die nötigen Kompetenzen aufzubauen." In der Folge wurde eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, die sämtliche Fragen seitens der Personaldisponentinnen und -disponenten, der Kunden und der Geflüchteten beantwortet und Unternehmen dabei unterstützt, Instrumente, Verfahren und Konzepte zu entwickeln, um die Integration von Flüchtlingen nachhaltig und kontinuierlich zu gewährleisten.

"Als sehr hilfreich erwies sich, dass das interkulturelle Verständnis in unseren Niederlassungen bereits gut ausgebildet war", erinnert sich Kienert. "Wir Personaldienstleister können auf große Erfahrungen mit Migranten und Personengruppen, die es schwerer auf dem Arbeitsmarkt haben, zurückgreifen." Dennoch gab es einige unerwartete Hürden zu überwinden.

Erfolgreicher Sprachtest obligatorisch

"Die Menschen, die zu uns kommen, um Schutz zu suchen, sind größtenteils recht jung, fast die Hälfte hat ihr 25. Lebensjahr noch nicht erreicht, und sie sind sehr motiviert", berichtet Kienert. "Doch sehr vielen fehlt zunächst die nötige Sprachkenntnis. Weniger als 20 Prozent haben ein Hochschulstudium oder eine berufliche Ausbildung abgeschlossen, die allerdings dann oft nicht mit deutschen Standards vergleichbar ist." Vor allem ein bestandener Deutsch-Test der Stufe B1 ist eine Voraussetzung dafür, dass Flüchtlinge und Migranten einer Arbeit in Deutschland nachgehen dürfen. Denn selbst wer Maschinen bedient, mit denen er nicht spricht, muss in der Lage sein, mit Kollegen zu kommunizieren oder Vorschriften zur Arbeitssicherheit zu verstehen.

"Dass etwa 90 Prozent der Geflüchteten keine Deutschkenntnisse haben, war für uns erst einmal ein Dämpfer", so Kienert. "Doch hat sich die Lage rasch entspannt, insbesondere dank der Hilfe der Behörden." Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, bietet beispielsweise bundesweit Integrationskurse an, die einen Orientierungs- sowie einen Sprachteil umfassen und von den Geflüchteten nach eigenen Angaben rege genutzt werden. Auch die Bundesagentur für Arbeit unterstützt durch Fördermittel, Beratungsangebote und vieles mehr. Die Mitwirkung der Kunden spielte und spielt laut Kienert ebenfalls eine große Rolle, damit die Integration gelingt: "Sie richten ihren Schichtplan so aus, dass die Flüchtlinge ihre Sprach- und Qualifikationskurse besuchen können und tauschen sich regelmäßig mit uns aus, um die Einbindung dieser Menschen zu verbessern." Ein nicht zu unterschätzender Punkt sei beispielsweise die interne Kommunikation, sprich die eigene Belegschaft für die Neuankömmlinge zu sensibilisieren und sie bestmöglich bei der Aufnahme der neuen Teammitglieder zu unterstützen. "Einige Schutzsuchende sind durch ihre Erfahrungen in den Kriegsregionen traumatisiert", sagt Kienert. "Das äußert sich manchmal erst nach Monaten oder Jahren. Eine bestimmte Situation, ein falsches Wort kann bei ihnen Ängste und überraschende Abwehrreaktionen auslösen. Damit muss man umgehen lernen. Es ist wichtig, Vertrauen aufzubauen, Interesse zu signalisieren, sie im Blick zu haben und sich regelmäßig  nach ihrem Befinden zu erkundigen."

Zeitarbeit dient Migranten als Einstieg in den Arbeitsmarkt

Zur Betreuung Geflüchteter gehört aber noch viel mehr. Das beginnt bei alltäglichen Dingen – wie dem Weg zur Arbeit. Für schon länger hier Lebende mag die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs eine Selbstverständlichkeit sein, für jemanden, der gerade erst aus einer dörflichen Region zu uns gekommen ist, ist es das nicht. Darum organisieren Personaldienstleister unter anderem Fahrdienste – in ländlichen Gegenden ist dies für viele Zeitarbeitsfirmen schon lange üblich – oder Personaldisponenten fahren den Arbeitsweg probeweise mit den neuen Beschäftigten. "Wir kümmern uns auch um die Krankenversicherung und andere Dinge des Alltags. Oder wir suchen nach Bildungsträgern, wenn eine Qualifikationsmaßnahme für einen Job erforderlich ist, wie der Führerscheinerwerb als Gabelstaplerfahrer oder Schulungen in Microsoft Office für die Buchhaltung", so Kienert. "Dafür haben wir bundesweit Spezialistinnen und Spezialisten, die Auskunft geben und wir verfügen über ein extra Qualifizierungsbudget, das wir nutzen können."

Überhaupt misst Kienert der Berufsaus- und -weiterbildung eine große Bedeutung bei. "Wir möchten, dass die Flüchtlinge eine langfristige Perspektive bekommen und wir sehen, dass die meisten Übernahmen durch unsere Kunden im hoch- oder höherqualifizierten Bereich stattfinden", sagt er. Allerdings seien nur wenige der Ankömmlinge sofort für eine Fortbildung geeignet, auch wegen der Sprachbarriere. "Es dauert in der Regel einige Jahre, bis sie sich das zutrauen", sagt Kienert.

Deshalb kämen für den ersten Einstieg in den Arbeitsmarkt vor allem die einfachen Berufe infrage. Das seien mehrheitlich Helfertätigkeiten in der Produktion, im Lager, Kommissionierarbeiten oder einfache Jobs im Elektrohandwerk. Dennoch sind diese Leiharbeitsstellen für die Geflüchteten von großem Vorteil. Kienert: "So sammeln sie Berufserfahrung, verbessern ihr Deutsch, lernen unsere Kultur näher kennen, finden sozialen Anschluss. All das ist für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie bei der Suche nach einem regulären festen Job hilfreich." Die Zeitarbeit wird deshalb zu Recht als Integrationssprungbrett bezeichnet. Die Überlassung des Arbeitnehmers erlaubt wiederum den Arbeitgebern, das mit der Einstellung verbundene Risiko für einige Zeit auf das Zeitarbeitsunternehmen "abzuwälzen", welches durch seine Expertise besser in der Lage ist, es einzuschätzen und zu tragen. Kienert: "Dadurch wird die Eingangshürde erheblich gesenkt, was die Integration beschleunigt. Allein die Manpower-Group hat in den zurückliegenden Jahren Tausenden von Schutzsuchenden Jobs verschafft. Im Jahr 2021 waren es circa 1.700 Menschen."

Reform der Höchst­über­lassungsdauer nötig

Hinderlich ist in diesem Zusammenhang allerdings die nach wie vor vom Gesetzgeber auferlegte Höchstüberlassungsdauer, an die sich Zeitarbeitsunternehmen zu halten haben. Sie ist auf 18 Monate begrenzt und kann in Ausnahmefällen um einige Monate verlängert werden. "Eigentlich war sie eingeführt worden, um die Arbeitnehmende vor dauerhaften Leihbeschäftigungsverhältnissen zu schützen. Eine Berufsausbildung dauert meist wesentlich länger, was dazu führt, dass Kunden, die grundsätzlich offen dafür sind, die bei ihnen beschäftigten Flüchtlinge weiter zu qualifizieren, das dann leider unterlassen", erläutert Kienert. "Zudem müssen sie bei länger laufenden Projekten zeit- und kostenaufwendig neue Mitarbeitende einarbeiten, was wir ihnen gern ersparen würden. Und für die Flüchtlinge, die nicht mehr weiterarbeiten dürfen, bedeutet das häufig nicht nur finanzielle Nachteile, sie fallen dann auch in ein Loch. Denn sie haben sich an die Arbeitsumgebung gewöhnt, an den Umgang mit den Kollegen, fühlen sich wohl und müssen dann wieder neu starten, was ihnen nicht so leicht fällt wie deutschen Kandidaten, die in unserem Kulturkreis beheimatet sind." Hier wäre aus seiner Sicht dringend eine Reform nötig. In Österreich beispielsweise gibt es für Mitarbeitende von Personaldienstleistern keine Überlassungshöchstdauer. Die Alternative, also eine Ausnahmeregelung für Flüchtlinge, ist allerdings rechtlich nicht möglich, weil sie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zuwiderlaufen würde.

Um politisch etwas zu bewegen, ist die Manpower-Group zu diesen Themen in kontinuierlichem Austausch mit den anderen großen Personaldienstleistern, die zudem im Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) miteinander verbunden sind. "Es gibt aber auch viele Arbeitsüberlassungsprojekte, die wir gemeinsam umsetzen", berichtet Kienert. "Wenn wir etwa den Bedarf von Kunden allein nicht decken können, holen wir uns Unterstützung vom Wettbewerb – und umgekehrt. Zudem teilen wir unsere Erfahrungen und unser Know-how, etwa wenn es um Förderungen geht, um die Suche nach Bildungsträgern oder um Konzepte für die Qualifizierung von Flüchtlingen."

Fazit: Gelungene Integration bringt Diversität und Vielfalt

Migranten und Flüchtlinge sind wichtig für die Betriebe und die heimische Wirtschaft. Ohne sie können die Beschäftigtenzahlen nicht stabil gehalten werden und damit die Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme, vor allem der Renten- und Krankenversicherung. Zeitarbeit eignet sich sehr gut, um die Zugewanderten zu integrieren, auch in ihr soziales Umfeld. Sie erleichtert den Einstieg und hilft Menschen, eine Karriere zu beginnen und sich dadurch ein neues, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Auf der anderen Seite unterstützen die Personaldienstleister ihre Kunden dabei, sich über die konkrete Deckung des Personalbedarfs nicht zuletzt auch diverser aufzustellen und von der Vielfalt am Arbeitsplatz zu profitieren. Die berufliche und soziale Integration von Geflüchteten führt zu einem Gemeinschaftsgefühl und stärkt damit die Gesellschaft als Ganzes. Der Zeitarbeit kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.


Dieser Beitrag erschienen zuvor in Personalmagazin Ausgabe 5/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


Das könnte Sie auch interessieren:

Ukraine-Flüchtlinge erhalten Schutz und Arbeitserlaubnis

Wie lange dürfen Leiharbeitnehmer bei einem Kunden eingesetzt werden?

Interview: "Als Personalmanager Geflüchtete bei der Arbeitsplatzsuche unterstützen"