Recruiting: Keine Angst vor künstlicher Intelligenz!

Viele Arbeitnehmer empfinden die künstliche Intelligenz als Bedrohung. Aber es ist viel wahrscheinlicher, glaubt unser Kolumnist Henner Knabenreich, dass lernfähige Maschinen den Menschen künftig unterstützen werden, statt ihn zu ersetzen - auch im Recruiting.

Die Angst geht um vor der "Künstlichen Intelligenz" (KI). Elon Musk, Erfinder von Paypal, Tesla, Space X und dem Hyperloop, warnt sogar davor, dass der " Wettbewerb um die Vorherrschaft in KI auf nationaler Ebene der wahrscheinlichste Auslöser des Dritten Weltkriegs" sein wird. 

Harter Tobak, nicht wahr? Da mutet es schon fast harmlos an, dass viele Beschäftigte einfach "nur" um ihren Arbeitsplatz bangen. Schließlich könnte Kollege Roboter ja das Steuer übernehmen und in HR sukzessive die Bewerberauswahl erledigen. Beispiele für diese Tendenzen gibt es aus anderen Bereichen: So lässt sich in der Versicherungswelt bereits heute eine Entwicklung hin zur Digitalisiserung von Arbeitsplätzen beobachten, die bald die ganze Wirtschaft erfassen könnte. Und so hat die Digitalisierung durchaus das Potenzial, Arbeitswelt und Gesellschaft radikal zu verändern.

Die Künstliche Intelligenz unterstützt Recruiter

Es gibt tatsächlich viele Routinejobs, die sich wunderbar automatisieren ließen, und sicher auch viele Prozesse, bei denen Sprachassistenzsysteme die Rolle des Menschen übernehmen könnten. Das Recruiting gehört meiner Meinung nach allerdings nur bedingt zu den automatisierbaren Feldern. Oder würden Sie Recruiting als Routinejob bezeichnen? Ich hoffe nicht. 

Klar, auch hier lassen sich Synergien nutzen, indem man auf neue Technologien setzt, die auf künstlicher, oder sagen wir: auf maschineller Intelligenz beruhen. Aber dass Recruiter in letzter Konsequenz durch "Roboter" ersetzt werden, ist wenig wahrscheinlich. 

Denn Robotern oder "KI" fehlt etwas ganz Entscheidendes: Das Bauchgefühl und das Einschätzen der Persönlichkeit des Menschen, der da vor einem sitzt. Wobei man nun argumentieren könnte, dass es eben dieses Bauchgefühl ist, das zu falschen Entscheidungen führt. Hierzu gab es jüngst ein spannendes Experiment, bei dem die KI gegen einen Recruiter aus Fleisch und Blut antrat. Mit dem Ergebnis, dass der Mensch einem anderen Menschen aufgrund seines interessanten Lebenslaufs und seiner Persönlichkeit eine Zusage erteilt hatte, die ihm die Maschine verweigerte.

Robot-Recruiting: Technik gegen Voruteile

Nun wäre es voreilig, KI oder "Robot Recruiting" zu unterschätzen. Natürlich bieten Algorithmen eine vorurteilsfreie Bewerber(vor)auswahl – noch dazu in Bruchteilen von Sekunden. Ein immenser Vorteil. So sollten Sie sich eher einen "Schulterschluss" mit diesen Technologien vorstellen: Begreifen Sie die neuen Tools als "Assistenzsysteme" des Recruitings, die man dann nutzt, wenn man sie braucht, wenn sie einen bei altäglichen Aufgaben unterstützen.

Anwendungsmöglichkeiten für KI im Recruiting

Für solche Assistenzsysteme gibt es viele Einsatzmöglichkeiten. Ob sie immer so sinnvoll sind und wirklich den Gewinn bringen, den so mancher Anbieter verspricht, müssen Sie selbst beurteilen.

Da ist beispielsweise das breite Feld des Performance-Personalmarketings. Hier wird maschinelles Lernen dazu genutzt, ein bestimmtes Budget bestmöglich in den Kanälen und auf den Plattformen anzulegen, in und auf denen sich auch wirklich die richtige Zielgruppe tummelt. Und das in Sekunden. Matching-Technologien ermitteln, wie gut ein Bewerber zum Unternehmen, zu seiner Kultur und zum Job passt. Künstliche Intelligenz sorgt bei Google Jobs dafür, dass Bewerber auch die Jobs angezeigt bekommen, die aufgrund von irreführenden Stellentiteln ansonsten nicht auffindbar wären. Chatbots führen eine Vorauswahl des Bewerbers durch, koordinieren Termine und übernehmen die Abstimmung mit den Fachbereichen und Bewerbern. Amazon Alexa führt das Vorstellungsgespräch. HR Analytics liefert per Mausklick und binnen Sekunden relevante Kennzahlen. Eine intelligente Software übernimmt die proaktive Ansprache von Kandidaten, quasi Active Sourcing to go.

Technologie schafft Freiräume für Recruiter

Klingt gut? Ist es auch! Denn all diese Technologien bedeuten für Sie, dass Sie sich endlich auf das konzentrieren können, wofür Sie eigentlich Ihren Job angetreten haben: Für richtig gutes Personalmarketing und die wertschätzende Ansprache von potenziellen Kandidaten auf Augenhöhe.


Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von  www.personalblogger.net und betreibt den Blog  personalmarketing2null.de.