Kolumne: Mehr Ressourcen für Recruiting einfordern

Das Recruiting läuft in den Unternehmen noch immer nicht erfolgreich, meint unser Kolumnist Henner Knabenreich. Die Ursachen liegen nur zum Teil an fehlenden Ressourcen. Vielmehr müssen Personaler auch ihre Einstellung ändern.

Momentan ist viel die Rede davon, welche Fähigkeiten ein Recruiter mitbringen muss, um erfolgreich am Bewerbermarkt zu bestehen. Manche fordern gar unterschiedliche Rollen für Recruiter. Klar ist, dass "der Recruiter", der alles kann, der alles macht und alles weiß, eigentlich gar nicht funktionieren kann. 

Michael Witt, selbst Recruiter, schreibt in einem Blogbeitrag, dass ein Recruiter sich mit Kommunikation, Technik, Prozess, KPI, CX, Zielgruppen, Generationen, SEA, SEO, Stellenanzeigen, Karriereseite, Interviewtechnik und vielem anderen auskennen muss. Daraus  zieht er den Schluss, " dass die Rolle doch ein wenig überladen zu sein scheint". Ich stimme ihm da voll und ganz zu.

Recruiting im Alltag: Stellenanzeige schalten ist alles

Aber eigentlich ist es ja noch viel schlimmer: Denn den Luxus eines Recruiters oder einer ganzen Recruiting-Abteilung leisten sich nur wenige Unternehmen. Die traurige Realität sieht doch eher so aus, dass sich Recruiting respektive Personalmarketing in vielen Fällen in dem Schalten einer Stellenanzeige erschöpft.

HR ist immer noch Verwalter

Es gibt zwei Ursachen für diese Probleme: Zum einen ist da das Selbstverständnis von HR. "Human Resources" oder "Personalwesen" – besonders vertrauenerweckend oder wertschätzend klingt das Ganze nicht. Als ich seinerzeit studiert habe, hieß mein Studienschwerpunkt "Personal/Organisation". Zum Thema Recruiting und Personalmarketing gab es zwei, drei Vorlesungen. Mehr nicht. Der Rest: Arbeitspsychologie, Personalführung, Arbeitsrecht, … Ausgebildet wurde man seinerzeit als Verwalter. Viele, die damals in die Wirtschaft entlassen wurden, sind es immer noch. Gestalten haben sie kaum gelernt – abgesehen von Arbeitszeugnissen, Gehaltsabrechnungen oder Präsentationen vielleicht. Die Generationen, die folgten, setzen es immer noch so um. Abgesehen davon sind viele Personaler auch Quereinsteiger, die eine entsprechende Ausbildung nicht genossen haben. Personal, das kann doch jeder, so oftmals die Devise.

Recruiting ohne Strategie ist grob fahrlässig

Personalmarketing und Recruiting nicht strategisch aufzustellen und mit den notwendigen Ressourcen auszustatten, ist natürlich grob fahrlässig und wird Unternehmen, die weiterhin so handeln, über kurz oder lang den Kopf kosten. Schon heute gilt der Fachkräftemangel laut EY Mittelstandsbarometer als Unternehmensbedrohung Nummer 1. Und trotzdem wird Recruiting weiterhin so stiefmütterlich behandelt. 

Ich kenne Unternehmen, wo so langsam, aber sicher ein Umdenken erfolgt. Nun kümmert sich ein Mitarbeiter aus der Personalabteilung mit 20 Prozent seiner Stelle auch noch ums Recruiting. Wie er es schaffen soll, die 300 Stellen mit hoch qualifizierten Fachkräften zu besetzen? Wahrscheinlich gar nicht.

Recruiting braucht mehr Ressourcen

Wobei wir zu Ursache Nummer Zwei kommen. Eigentlich sind es sogar zwei zweite Ursachen. Zum einen die Rolle, in die sich HR gerne drängen lässt, nämlich die der grauen Maus, die keiner lieb hat. Zum anderen die des unzureichenden Budgets beziehungsweise der mangelnden Ressourcen. Wobei die beiden Punkte einander bedingen.

Denn eine Stelle oder eine Abteilung die sich ausschließlich um Personalmarketing respektive Recruiting kümmert, ist im Großteil der Unternehmen einfach nicht vorhanden. Es sei kein Geld da, heißt es dann. Was es aber kostet, wenn eine Stelle nicht besetzt wird, danach fragt offenbar keiner. Solche Kennzahlen hat einem ja auch niemand während des Studiums vermittelt. Genau solche Zahlen sollten Sie aber kennen, um vor der Geschäftsführung argumentieren zu können und ihren "Graue-Maus-Status" abzuschütteln. So können Sie beispielsweise anhand der so genannten Cost of Vacancy berechnen, wie viel eine Stelle kostet, wenn sie nicht besetzt wird. Vielleicht wird es sie überraschen, dass diese nicht selten über dem Jahresgehalt eines entsprechenden Mitarbeiters liegen. Umso wichtiger ist es also, diese Zahl zu kennen.

Recruiter müssen offen sein für Technologien

Allerdings ist Budget nur die eine Seite der Medaille. Ohne die dringend erforderliche innere Haltung, sich mit neuen Technologien, Trends und Tools auseinanderzusetzen und neue Wege zu beschreiten, wird es nichts mit den oben geforderten Rollen. Dann wird auch der Recruiting-Erfolg weiter auf sich warten lassen...


Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von www.personalblogger.net und betreibt den Blog  personalmarketing2null.de.


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