Psychische Erkrankungen von Beschäftigten steigen enorm

Psychische Belastungen, Burnout, Depressionen und Überforderung der Beschäftigten zählen in naher Zukunft zu den größten Herausforderungen für Unternehmen und Führungskräfte. Das zeigen die neuen Ergebnisse der BGM-Studie "#Whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt".

Die Beschäftigten in Deutschland sind ausgelaugt und überfordert. Die Zunahme von Arbeitsgeschwindigkeit und Komplexität der Aufgaben durch die fortschreitende Digitalisierung fordert ebenso ihren Tribut wie die neuen Anforderungen hybrider Arbeitsweisen. Die bisherige Bindung an Strukturen und Teams besteht nicht mehr, Mitarbeitende müssen sich zumindest teilweise selbst organisieren, was Arbeitszeit, -ort und Austauschmöglichkeiten angeht. Hinzu kommen die seelischen Belastungen der Menschen durch Zukunftsangst, Pandemie und den Krieg in Europa.

Eine dementsprechende Steigerung psychischer Belastungen mit entsprechenden Fehlzeiten beobachten viele Unternehmen. Dass dieses Thema an Brisanz in den kommenden drei Jahren noch zunehmen wird, zeigt die groß angelegte Zukunftsstudie "#Whatsnext - Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt" der Techniker Krankenkasse (TK) in Kooperation mit dem Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) und dem Personalmagazin (Haufe).

BGM-Studie #Whatsnext: deutliche Zunahme von psychischen Belastungen

#Whatsnext, die größte Arbeitgeberstudie zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) in Deutschland, zeigt: Schon heute messen 38,5 Prozent der befragten Geschäftsführenden, Gesundheitsverantwortlichen und HR-Verantwortlichen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz wie Burnout, Überforderung und Depressionen große oder zumindest eher große Bedeutung in ihrem Unternehmen zu. Bis 2025 halten sogar beinahe 70 Prozent (69,3 Prozent) die Gefahr eines Burnouts oder von psychischen Belastungen in ihrer Belegschaft für bedeutungsvoll.

Dazu erklärt Karen Walkenhorst, Personalvorständin der TK: "Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz haben die körperlichen Belastungen in ihrer Dringlichkeit in vielen Branchen überholt. Das ist eine große Herausforderung, der sich die Arbeitgeber stellen müssen – gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels." Gleichzeitig, so erklärt die oberste Personalerin der TK, liege darin aber auch die Chance, die Gesundheit der Beschäftigten in Arbeitsprozessen und Unternehmenskultur fest zu verankern.

Immer mehr Krankschreibungen durch Burnout und Co.

Diesen Trend bestätigen auch die Auswertungen zu den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der bei der TK versicherten Erwerbspersonen. Bereits seit Jahren gehören psychische Erkrankungen zu den Top drei Gründen für eine Krankschreibung. Im letzten Jahr betrug der Anteil am Gesamtkrankenstand rund 17,5 Prozent und lag damit noch vor den Krankheiten des Muskel-Skelettsystems (13,7 Prozent) und nur hinter Erkrankungen des Atmungssystems wie Grippe und Erkältung (25,3 Prozent).

Auch sind die durchschnittlichen Krankheitstage je Erwerbsperson aufgrund psychischer Belastungen in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. War jede TK-versicherte Erwerbsperson im Jahr 2012 noch durchschnittlich 2,46 Tage mit einer psychischen Diagnose krankgeschrieben, so waren es 2022 bereits 3,33 Fehltage. Das entspricht einem Anstieg von gut 35 Prozent.

TK-Personalvorständin Walkenhorst: "Ein Yogakurs allein reicht nicht"

Der Arbeitsplatz ist ein wesentlicher Faktor, der die psychische Gesundheit beeinflusst. Das zeigte bereits die TK-Stressstudie "Schalt mal ab, Deutschland!" von 2021. Dort gaben 47 Prozent der Befragten an, dass Beruf, Studium oder Schule die Hauptauslöser für Stress seien. Laut der aktuellen #Whatsnext-Studie gehören zu den größten Herausforderungen am Arbeitsplatz die Menge sowie die Komplexität der Aufgaben, die Quantität der zu verarbeitenden Informationen, permanente Veränderungen sowie Ablenkungen und Unterbrechungen.

Zwar bieten rund 40 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitenden bereits Angebote zur Stressreduktion und Ressourcenstärkung an und rund 37 Prozent haben Workshops zum Thema Achtsamkeit und Resilienz umgesetzt. Doch das sei nur Symptombekämpfung, erklärt Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. Um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden langfristig zu erhalten, müsse ihre seelische Widerstandskraft dauerhaft gestärkt werden. "Ein Yogakurs allein reicht da nicht. Sowohl gesunde Arbeitsprozesse als auch eine wertschätzende und respektvolle Unternehmenskultur sind wichtige Faktoren dafür, dass die Mitarbeitenden auch langfristig körperlich und psychisch gesund bleiben", ergänzt Walkenhorst. Ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement könne nach Überzeugung der beiden Experten dabei wichtige Unterstützung leisten.

Führungskräfte als Vorbilder im BGM

Wie bereits die erste #Whatsnext-Studie aus dem Jahr 2017 ergeben hat, sind Führungskräfte die wichtigste Stellschraube in Sachen (psychische) Gesundheit am Arbeitsplatz. Aktuell geben mehr als sechs von zehn Befragten (63 Prozent) an, dass Führungskräfte eine große bzw. sehr große Bedeutung im BGM spielen - Tendenz deutlich steigend.

"Führungskräfte tragen nicht nur Verantwortung für ein Team, sie sind auch gleichzeitig Vorbild. Eine Führungskraft, die ständig erreichbar ist und auch noch spätabends Chatanfragen und Mails bearbeitet, fördert damit nicht die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", so Whatsnext-Studienleiter Dr. Mark Hübers vom IFBG. "Gesunde Führung in der agilen Arbeitswelt bedeutet vielmehr 'Empowerment', also die Mitarbeitenden fachlich aber auch auf persönlicher Ebene in ihrer Eigenverantwortung zu stärken und selbst als positives Vorbild voranzugehen."


Auch noch interessant:

Der komplette Studienband zur Studie "#Whatsnext - Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt" ist abrufbar im Presseportal der TK .

Weitere Studienergebnisse und eine Analyse der größten Fehler im BGM haben wir für Sie im Schwerpunkt von Personalmagazin Ausgabe 4/2023 aufbereitet. Den begleitenden Online-Beitrag "Woran das Gesundheitsmanagement krankt" können Sie hier lesen.