Psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Unsere Arbeitswelt ist erschöpft. Die Zahl der psychischen Erkrankungen von Mitarbeitenden ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 40 Prozent gestiegen. Eine Bestandaufnahme zeigt, woran das liegt und wie Mitarbeitende in Job und Leben leistungsstark bleiben können.

Die letzten drei Jahre waren für Führungskräfte und Mitarbeitende eine echte Herausforderung – und das auf vielen verschiedenen Ebenen. Viele Mitarbeitende sind aus der Coronapandemie mental belastet und aus den nachfolgenden Krisen mit einer starken Verunsicherung hervorgegangen. Und eine Besserung ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Welt nicht in Sicht. Im Gegenteil: In unseren Mental Health Coachings hören wir von Mitarbeitenden und Führungskräften täglich, dass sie sich erschöpft fühlen und nicht zur Ruhe kommen. Als schwebe immer eine dunkle Wolke über uns.

Depressionen, Ängste und Suchtprobleme: Psychische Belastung am Arbeitsplatz nimmt zu

Psychische Erkrankungen sind von 2011 bis 2021 um ganze 41 Prozent gestiegen. Das hat die DAK-Gesundheit gerade erst in ihrem "Psychreport 2022" veröffentlicht. Einher geht damit eine Zunahme der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen und Belastungen, die zumeist lange Krankheitszeiten mit sich bringen.

Nicht nur die Beratungen von Mitarbeitenden und Führungskräften unseres Mental Health Coachings zeigen: Depressionen, Ängste und Suchtprobleme stellen den Hauptanteil psychischer Belastungen in Deutschland dar. Das bestätigt auch der World Mental Health Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach sind die Fälle von Angststörungen und Depressionen weltweit allein im ersten Pandemiejahr um 25 Prozent gestiegen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) berichtet, dass bundesweit mehr als jeder vierte Erwachsene im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung erfüllt.

Warum immer mehr Mitarbeitende psychisch krank werden

Jeder von uns kennt es: Wenn wir uns richtig gut fühlen, könnten wir Bäume ausreißen. Sind wir bedrückt, fällt uns fast alles, was wir tun, schwerer und die einfachsten Dinge werden zum "Angang". Vergleichen wir unsere mentale Energie doch einmal mit einer Stromleitung: Fließt viel Strom ohne Widerstände oder Unterbrechungen durch die Leitung, erzeugt das Leistung, beispielsweise helles Licht. Übertragen auf uns Menschen: Sind wir energiegeladen, dann sind wir mitreißend, stark und produktiv.

Fühlen wir uns hingegen kraftlos, vielleicht sogar niedergeschlagen, sind wir nur zu geringer Leistung in der Lage. Das zeigt sich auch nach außen: Mental belastete Mitarbeitende haben in der Regel keine positive Ausstrahlung, verbreiten ungewollt schlechte Laune, kommen bei der Kundschaft nicht gut an und können das Klima und die Leistungsfähigkeit eines Teams nach unten ziehen.

Zunächst stellt das kein Problem dar – wir alle haben im Laufe unseres Lebens schwierige Zeiten, in denen es uns nicht gut geht und wir mit Herausforderungen klarkommen müssen. Wir gehen durch diese Phasen hindurch und danach geht es uns wieder besser. Kommen nur immer neue Belastungen hinzu, kann eine Abwärtsspirale entstehen. Je weiter Menschen dort hineingeraten, desto schwieriger ist es, alleine wieder herauszukommen. Dann braucht es oft die Hilfe von Expertinnen und Experten.

In der Psychologie spricht man von Gefühls- oder Emotionsspiralen, die je nach Belastung zu einer Abwärts- oder Aufwärtsspirale werden können. Die Aufwärtsspirale kann zum Beispiel von Zufriedenheit über Hoffnung, Begeisterung bis hin zu Stärke, Freiheit, Liebe und Wertschätzung reichen. Es findet eine positive Entwicklung statt. Die Abwärtsspirale hingegen kann von Gefühlen wie Langeweile, Sorgen, Entmutigung, Wut, Angst bis hin zu Trauer, Angst und Depression führen und verdeutlicht eine negative Entwicklung.

Zu wenig Wissen über psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Viele von uns haben schlicht nicht gelernt, wie es funktioniert, sich mental gesund, also auf einem hohen Energielevel zu halten. Selbst das Wissen darüber, wann man mental gesund ist, ist begrenzt. Auch unter Gesundheitsexperten und im Internet finden sich viele Informationen über psychische Erkrankungen, doch nur spärlich Aussagen dazu, was mentale Gesundheit eigentlich ausmacht – ganz zu schweigen von gutem "Handwerkszeug" für die mentale Gesunderhaltung im Alltag.

Dass viele nicht wissen, wie sie sich psychisch gesundhalten können, hat sich auch in der Corona-Pandemie gezeigt. Viele Menschen kamen mit sich, aber auch mit ihren Beziehungen und ihrer Umwelt an ihre Grenzen. Das ständige Zusammensein, enge Wohnräume und zudem wenig Ausgleichsmöglichkeiten wie sportliche oder kulturelle Aktivitäten und auch Einsamkeit haben entscheidend zur Verstärkung mentaler Belastungen beigetragen. Psychologisch lässt sich dies leicht erklären: Es wurde an einigen Grundbedürfnissen gerüttelt, die Menschen brauchen, um stabil durch den Alltag zu gehen.

So können beispielsweise auch die stark steigenden Energie- und Nahrungsmittelkosten das Grundbedürfnis nach Sicherheit, genügend Essen und Trinken und ein Dach über dem Kopf zu haben, ins Wanken bringen. Was dazu führt, dass Mitarbeitende sich nicht mehr sicher und stabil fühlen. Aufgrund der Auswirkungen der Pandemie haben viele Mitarbeitende zudem den Sinn des Lebens und der Arbeit gründlich hinterfragt. Sie sind nicht mehr gewillt, einfach so weiter zu machen wie bisher. Spannende berufliche Alternativen in anderen Branchen, Umzüge, um neue Chancen wahrzunehmen, oder der berufliche Weg ins Ausland sind nur einige der daraus folgenden Reaktionen.

Warum die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden so wichtig ist

Psychisch belastete Mitarbeitende haben den Kopf nicht frei – die belastenden Themen, Ängste, Sorgen oder Depressionen sitzen immer mit am Schreibtisch. Kein Wunder, wenn sich Beschäftigte deshalb nicht auf ihre Aufgaben und Projekte konzentrieren können. Die Arbeit geht nicht gut von der Hand, man braucht länger, es läuft einfach nicht rund. Auch Fehler, Leistungsschwankungen, Vergesslichkeit und vermehrte Krankheitszeiten sind häufig Auswirkungen – genauso wie Gereiztheit gegenüber Kollegen, übersteigerte Reaktionen, Unruhe, Angespanntheit und oft auch Rückzug und Abgrenzung vom Team.

Für Unternehmen sind hohe Fehlzeiten und damit einhergehend meist Mehrbelastungen für die gesunden Kolleginnen und Kollegen die Folge – ein wahres Hamsterrad für jede Einzelne und genauso für ganze Teams. Dabei spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob Mitarbeitende private Probleme haben, Themen wie Krieg und Energiekrise von außen drücken oder es Herausforderungen am Arbeitsplatz gibt: die Leistungseinschränkungen am Arbeitsplatz sind die Gleichen.

Warum Unternehmen in die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren sollten

Unternehmensverantwortliche könnten nun sagen: Es ist doch die Sache der einzelnen Mitarbeitenden, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Auch wenn der Grundgedanke durchaus richtig ist, minimieren sie dadurch jedoch nicht die eben erwähnten Auswirkungen auf die Arbeit und damit auf den Erfolg des Unternehmens. Also spricht im eigenen Interesse der Unternehmen – und natürlich auch im Sinne der Fürsorge für die Mitarbeitenden – viel dafür, dass Unternehmen alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun, um die mentale Gesundheit der Belegschaft zu stärken. Außerdem haben Führungskräfte viel davon, wenn sie frühzeitig, zielgerichtet und strukturiert auf bereits psychisch belastete Mitarbeitende reagieren, damit diese möglichst schnell wieder zu Kräften und damit in ihre Leistungsfähigkeit kommen.

Und die Einflussmöglichkeiten sind gut, denn schließlich sind Mitarbeitende viele Stunden des Tages bei der Arbeit. Auch soziale Aspekte wie Konflikte und Spannungen, oder genauso auch ein gutes Miteinander, wirken sich auf die mentale Gesundheit aus. Der andauernde Streit mit einer Kollegin kann zum Beispiel durchaus dazu führen, sich bei einem leichten Schnupfen morgens zu überlegen, eher Zuhause zu bleiben.

Die eigentliche Aufgabe von Unternehmen ist es, für gesunde Rahmenbedingungen zu sorgen, damit Mitarbeitende nicht durch die Arbeit psychisch belastet werden. Arbeit an sich ist zunächst ein gesundheitsfördernder Faktor – Menschen, die lange arbeitslos sind, leiden viel häufiger unter psychischen Erkrankungen als Berufstätige. Zu den gesunden Rahmenbedingungen gehören nicht nur eine gute Arbeitsorganisation und bestmöglich gestaltete Arbeitsumgebungen, Prozesse und Strukturen, sondern zum Beispiel auch ein Konflikt- und Stressmanagement sowie gute und geschulte Führungskräfte. Diese werden aber auch vor immer neue Herausforderungen gestellt: Die Arbeit mit neuen Tools und Systemen, die Führung von hybriden Teams inklusive Besonderheiten des Homeoffice, Stellenabbau und Fachkräftemangel. Da ist es nicht immer leicht, die Mitarbeitenden in einem gesunden, stabilen und vollmotivierten Miteinander zu halten. Neue sichere Rahmen müssen sich erst noch entwickeln.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Um in einer stabilen Arbeits- und Leistungsfähigkeit, aber genauso auch in einer guten Lebensqualität zu bleiben, brauchen Mitarbeitende ein möglichst hohes Energielevel. Unternehmen tun in ihrem eigenen Interesse gut daran, dieses bei ihren Mitarbeitenden zu unterstützen und energieraubende Faktoren zu minimieren, damit die Arbeit die Mitarbeitenden in ihrer mentalen Aufwärtsspirale stärkt.