Bereits vor der WM prophezeiten einige Experten, dass in Brasilien an Hochgeschwindigkeitsfußball über 90 Minuten nicht zu denken sei. Aufgrund des tropischen Klimas in einigen Regionen sagten sie langsames oder sogenanntes ökonomisches Spiel mit dem runden Leder voraus. Kraft sparen also.
Tatsächlich sind die Kicker um deren Arbeitsbedingungen in Brasilien nicht zu beneiden. Alleine vier WM-Spiele finden zum Beispiel in Manaus statt. Das Stadion liegt quasi mitten im Regenwald, Temperaturen regelmäßig über 30 Grad und eine bemerkenswert hohe Luftfeuchtigkeit inklusive. Über die erhebliche körperliche Belastung für Spieler plauderte jüngst Giovane Elber in der ARD. Der ehemalige brasilianische Fußballspieler musste vor Jahren im Amazonas-Stadion antreten – gegen einen niederklassigen Gegner wohlgemerkt. Dennoch war die Taktik vor, nach und auch während des Spiels schnell klar: Den Ball möglichst flach halten, um die 90 Minuten Spielzeit in der Betonschüssel durchzustehen. Kein Aufwärmen, keine Tricks, kein Firlefanz.
Der Traum vom deutschen Arbeitsschutz
Den Freunden des gepflegten Tiki-Taka-Tempofußballs, die nun über die lahme Vorstellung einiger WM-Fußballer mit einem Verweis auf deren – zugegeben – ansprechendes Gehalt spötteln, sei daher gesagt: Deutsche Arbeitnehmer haben da leicht reden. Sie können sich schließlich in Sachen klimatische Voraussetzungen am Arbeitsplatz auf den hiesigen Arbeitsschutz verlassen. Danach obliegt es im Grundsatz dem Arbeitgeber, für ordentliche Arbeitsbedingungen im Betrieb Sorge zu tragen. Dazu sind etwa in § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) wichtige Grundpflichten oder in § 4 ArbSchG allgemeine Grundsätze geregelt, wie Unternehmen den Arbeitsschutz ausgestalten sollten. Anders dagegen die Fifa, salopp gesagt der Oberarbeitgeber des kickenden Personals. Siegibt sogar Anstoßzeiten in der brasilianischen Mittagshitze vor, um europäischen Zuschauern eine Abend-WM bei Bier und Chips zu präsentieren.
Das deutsche Büro als Gegenstück
In Deutschland drohen Unternehmen Strafe, Bußgeld oder Schadenersatzforderungen der Mitarbeiter, werden Maßnahmen des Arbeitsschutzes missachtet. Denn verglichen mit dem tropischen Arbeitsplatz sorgt in deutschen Betrieben bereits der Blick ins Arbeitsschutzgesetz (etwa in den Anhang zu § 3 Abs.1, 3.5.) für angenehme Frische. So muss in Arbeits-, Pausen oder Sanitärräumen eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ bestehen, freilich „unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes“.
Grob gesagt gelten folgende Richtwerte (Arbeitsstättenregel ASR A3.5): Überschreitet die Lufttemperatur in geschlossenen Räumen 26 Grad Celsius plus, so hat der Arbeitgeber für Sonnenschutz, etwa durch Rollos oder Schutzverglasung, zu sorgen. Bei über 30 Grad Raumtemperatur müssen Chefs zusätzliche Maßnahmen ergreifen, beispielsweise eine besondere Lüftung gewährleisten, angepasste Arbeitszeitregeln zulassen oder ausreichend Getränke bereitstellen. Bei über 35 Grad ist das Büro als Arbeitsraum tabu, außer der Arbeitgeber sieht spezielle Maßnahmen, beispielsweise entsprechende Schutzkleidung, für Hitzearbeit vor.
Im Freien vor Witterung schützen
Zugegeben, der Vergleich mit dem Büro hinkt ein wenig, schließlich sind die Stadien nicht komplett überdacht. Auch für Arbeitsplätze im Freien sind hierzulande jedoch Schutzmaßnahmen vorgesehen, für die der Arbeitgeber zu sorgen hat, beispielsweise in § 3 Arbeitsstättenverordnung und deren Anhang Nr. 5.1. Präzise Temperaturen wie für geschlossene Räume sind dort zwar nicht genannt, auch bei den Frischluft-Arbeitsplätzen darf jedoch keine Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten bestehen. Zudem sind sie unabhängig von der Witterung sicher zugänglich zu machen. Konkrete Empfehlungen zur Arbeit im Freien liefern etwa die jeweilige Berufsgenossenschaft.
Bei extremen Bedingungen, sogenannten Hitzearbeitsplätze, sind sogar zusätzlich die Hinweise der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), DGUV-I 213-002 und DGUV-I 213-022 zu beachten. Auch hat der Arbeitgeber einen wirksamen Schutz vor UV-Strahlung sowie arbeitsmedizinische Vorsorge- und regelmäßige Nachuntersuchungen zu gewährleisten.
Besonderheiten auf der (Stadion-)Baustelle
Bevor nun Mitleid mit den Fußballstars der jeweiligen Länder aufkommt: Für Baustellen – die manche Beobachter ja in den zum Teil nicht rechtzeitig fertiggestellten Stadien sehen – sieht das deutsche Recht zwar weitere Vorkehrungen vor, um Mitarbeiter vor Klimaeinflüssen zu schützen: So müssen Beschäftigte auf dem Bau die Möglichkeit haben, sich während Pausen oder witterungsbedingten Arbeitsunterbrechungen in umschlossenen Räumen aufzuhalten, sich geschützt umzuziehen, sich zu waschen oder Mahlzeiten zu sich nehmen zu können. Gegebenheiten, die jedoch für die Kicker in den WM-Stadien selbstverständlich sein dürften.
Ob im Büro, im Freien, auf Baustellen oder bei der WM: Bei großer Hitze sollte in jedem Fall ausreichend Flüssigkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Kontrolle obliegt dem Personal selbst. „Als Faustregel gilt: Der Urin sollte immer mindestens hellgelb sein“, teilt etwa der Apothekerverband Niedersachsen mit. Na dann, auf zur Dopingkontrolle!
Tipp: Zur WM-Zeit gibt es mehr als 70 Millionen Bundestrainer in Deutschland – jeder mit seiner eigenen Meinung. Zählen auch Sie dazu? Dann nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten.
Autor: Michael Miller ist Redakteur im Personalmagazin.