Kolumne zur Fußball-WM 2014: Teil 7_Dream Team

Fußball und HR: Hier gibt es viele Parallelen. Die Redaktion des Personalmagazins schaut die WM durch die HR-Brille an und berichtet aktuell. Heute zeigen wir, wie man ein Dream Team zusammenstellt.

Er gab dem deutschen Team „Struktur und Organisation“ zurück. Er ist „ein Stratege, kontrolliert das Spiel, gibt den Rhythmus vor.“ Gemeint ist Bastian Schweinsteiger, der nach dem letzten deutschen Vorrundenspiel gegen die USA von Mannschaftskollegen und Presse für seine Leistung und Rolle im Team hoch gelobt wurde. Mit Schweinsteiger an seiner Seite fand auch Phillip Lahm wieder zur von ihm gewohnten Leistung zurück, die er im Ghana-Spiel mit Khedira hatte vermissen lassen. Starke Kritik muss hingegen Verteidiger Höwedes einstecken. Felix Magath bezeichnete ihn öffentlich als „Schwachpunkt im Team“. Schwachpunkt vor allem deshalb, weil der Innenverteidiger auf der Linksaußen-Position eingesetzt wird - eine Rolle, in der er wenig Erfahrung hat und die ihm obendrein auch nicht besonders liegt.

Über kaum ein Thema wird öffentlich so viel diskutiert und von Laien gefachsimpelt wie über die richtige Teamaufstellung. Und – abgesehen von der Frage um Führungsstile – gibt es kaum ein ergiebigeres Feld für Vergleiche zwischen Fußball und der Managementwelt als bei der Frage nach der richtigen Teamzusammensetzung.

Stärken stärken und richtig einsetzen

Ob auf dem Fußballplatz oder im Büro – in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft bringt jede Position spezifische Anforderungen mit sich. Das Potenzial eines überragenden Innenverteidigers verpufft, wenn man ihn in der Außenposition spielen lässt – siehe Höwedes. Die Organisation in einem Team muss immer auch positionsbezogen auf die jeweilige Stärke des Mitarbeiters oder Spielers abgestimmt werden. Denn die bestmögliche Leistung im Team kann nur erzielt werden, wenn der Einzelne seine Fähigkeiten auch einbringen kann.

Jedes Team ist außerdem ein komplexes soziales Gebilde. Je besser die Gruppe funktioniert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg. Management-Guru Reinhard Sprenger schreibt hierzu in seinem Buch „Gut aufgestellt – Fußballstrategien für Manager“, dass es im Fußball wie in Unternehmen weniger darum gehe, gute Leute zu finden, sondern darum, Passungsprobleme zu lösen, also Mitarbeiter beziehungsweise Spieler zu suchen, die zu bestimmten anderen Menschen, Aufgaben und Rahmenbedingungen passen. So passte Schweinsteiger im Spiel gegen die USA offenbar besser zu Philipp Lahm als der im Ghana-Spiel eingesetzte Khedira.

Rollenverteilung im Team

Zum Thema richtige Teamaufstellung im Management und im Fußball meldete sich jüngst auch die Personalberatung Robert Half zu Wort. Sie beschreibt die verschiedenen Rollen, die durch einzelne Teammitglieder verkörpert werden, in Analogie zur Fußballmannschaft: Der Teamkapitän ist Führungs- und Vertrauensperson. Er nimmt, ebenso wie ein Teamleiter im beruflichen Umfeld, eine Vorbildfunktion ein. Er ermöglicht Höchstleistungen, indem er den Zusammenhalt im Team ebenso fördert wie das Vertrauen zu anderen Kollegen und externen Partnern. Der Teamkapitän spielt eine zentrale Rolle, denn er vermittelt den Teammitgliedern, mit welchen Stärken jeder Einzelne zum Erfolg beitragen kann.

Die erfahrenen Profis sind das Rückgrat erfolgreicher Mannschaften im Spitzensport. Auch im Arbeitsleben sorgen sie für Stabilität und Kontinuität. Daneben können die Top-Performer den Teams zu wahren Höhenflügen verhelfen – auf dem Spielfeld ebenso wie im Büro. Sie arbeiten mit Leidenschaft und sind ebenso produktiv wie effizient. Wie selbstverständlich liefern sie Spitzenergebnisse ab und spornen dadurch häufig andere Teammitglieder zu Höchstleistungen an. Auch unter hohem Druck erfüllen Top-Performer nicht nur ihre Pflicht, sondern übertreffen die Erwartungen. Doch diese Talente sind heiß begehrt. Wenn ihnen Perspektiven und Herausforderungen fehlen, lassen sie sich schnell von einem anderen Team abwerben. Die Neuzugänge wiederum bringen Erfahrungen von außen und neue Impulse mit. Das bringt Dynamik ins Team und erlaubt eine Weiterentwicklung jenseits festgefahrener Routinen.

Der Vorgesetzte im Job ist ebenso wie der Trainer im Sport die zentrale Figur eines Teams. Er ist Führungspersönlichkeit, Motivator, Moderator und Entscheider. Er trägt die Verantwortung für die Zusammensetzung des Teams. Indem er mit viel Fingerspitzengefühl individuelle Stärken der Teammitglieder identifiziert und gezielt einsetzt, kann er ein „Dream Team“ aufstellen, das als Ganzes mehr ist als die Summe seiner Teile.

Persönlichkeitseigenschaften wichtiger als Heterogenität

Und wie sieht erfolgreiche Teamaufstellung aus wissenschaftlicher Sicht aus? Die Professoren Torsten Biemann von der Universität zu Köln und Heiko Weckmüller, FOM Bonn, haben in der Märzausgabe von „Personal Quarterly“ den aktuellen Stand der Forschung zusammengefasst. Das Fazit: Persönlichkeitseigenschaften der Teammitglieder sind für den Teamerfolg wichtiger als die Heterogenität der Teammitglieder. Die wichtigsten Persönlichkeitseigenschaften, die einen Teamplayer auszeichnen sind demnach Verträglichkeit (das heißt, dass die betreffende Person kooperativ und  altruistisch handelt) und Gewissenhaftigkeit (das heißt, dass die Person planend und zielorientiert handelt). Beides Eigenschaften, die beispielsweise auf Schweinsteiger zutreffen. Weniger wichtig, aber durchaus relevant, sind emotionale Stabilität (was weder der „Beißer“ Suarez noch Brasiliens Pressesprecher, der im Kabinengang einen Chilenen geschlagen haben soll, von sich behaupten können), Experimentierfreudigkeit und Extraversion. Bei der Teamzusammensetzung zu vernachlässigen ist – entgegen dem in der Managementliteratur allgemein verbreiteten Credo – die Vielfalt (Diversity).

Häufige Personalwechsel sind kontraproduktiv

Nicht zu vernachlässigen ist hingegen das Thema Kontinuität. Der bekannte Leitsatz Never change a winning team  ist zwar nicht immer richtig oder möglich, aber es ist mehr als nur ein Funken Wahrheit daran. Im Fußball wie im Unternehmen steigen die Erfolgschancen mit einem eingespielten Team. Denn wenn es ständig Personalwechsel innerhalb der Mannschaft gibt, müssen sich die Teammitglieder immer wieder neu aufeinander einstellen und zusammenfinden.

So bleibt zu hoffen, dass Jogi die richtige Entscheidung getroffen hat, wenn er vor dem heutigen Achtelfinale „keine Systemänderung“ in der Mannschaft vornehmen will, sondern stattdessen die Teamleistung „im Detail verbessern.“

Autorin: Melanie Rößler ist Redakteurin beim Personalmagazin.