Kolumne Talent Management: Die Folgen von gutem Aussehen

Welche Rolle spielt Schönheit im Berufsleben? Zumindest eine viel diskutierte und oft erforschte, zeigt Kolumnist Martin Claßen in seiner heutigen Kolumne zum Talent Management auf.

Ganz wichtig für große Talente ist gutes Aussehen, zumindest ein "damned good look". Das zumindest ist Ergebnis einer Studie an der Universität von Wisconsin. Die Forscher ermittelten per "Facial Attractiveness Index" (FAI) die Schönheit amerikanischer Vorstandschefs und setzten die in Beziehung zur Börsenkursentwicklung der entsprechenden Unternehmen. Klares Ergebnis: Schöne Bosse steigern die Kurse. Eine Begründung liefern die Forscher gleich mit: Attraktive Menschen wirken sympathischer und können in Verhandlungen bessere Ergebnisse erzielen.

Kein Grund zur Resignation

Gutes Aussehen, daran kann jeder arbeiten. Am Beginn steht die ehrliche Bestandsaufnahme. So kann man per "Beauty Analyzer" den eigenen FAI bestimmen. Dafür gibt es im App-Store eine entsprechende Anwendung. Auf dieser Basis beginnt nun der Workout mit der Gesichtsmuskulatur. Dabei hilft der I-Mirror, ein Badezimmerspiegel mit Onlinefunktion und Touchscreen. Diese Innovation aus Kanada kostet fast dreitausend Euro, ist aber jeden Cent wert. Denn Schönheit bringt Attraktion und diese bringt Karriere und diese bringt Money. Eine Entscheidung für den I-Mirror überzeugt in jeder Investitionsrechnung.

Mit dieser technischen Unterstützung beginnt nun ein dreistufiger Optimierungsprozess. Erstens, das kann jeder alleine vor dem I-Mirror praktizieren, Gesichtsmuskeln werden samt Mimik konsequent in die vom FAI empfohlene Richtung trainiert. Zweitens, der persönliche Visagist erhält konkrete Hinweise für die richtige Betonung beim Schminken. Drittens, das ist nun nur etwas für Konsequente, der Schönheitschirurg erfährt wichtige Anhaltspunkte bei seinen nächsten Schnitten.

Uneinige Wissenschaft

Den Zusammenhang zwischen "facialer" Optik und beruflichem Erfolg bestätigen zahlreiche wissenschaftliche Analysen, meinte kürzlich selbst der ansonsten auf Ratio und Humanitas geeichte Online-Auftritt von Zeit.de. Dies ist übrigens auch die Ansicht einer überwiegenden Mehrheit deutscher Arbeitnehmer, sagen Befragungen, etwa die des Personaldienstleisters Orizon.

Nun gibt es allerdings gegenläufige Studien, die berufliche Nachteile besonders schöner Menschen festgestellt zu haben glauben. So meint etwa Bradley Ruffle in seiner Forschungsarbeit an der israelischen Ben-Gurion-Universität, dass besonders Frauen von einem attraktiven Äußeren im Berufsleben nicht unbedingt profitieren. Als konkreter Beleg wird oft Debralee Lorenzana angeführt. Man habe sie entlassen, klagte die junge Bankerin aus New York, weil sie zu gut aussehe. Ihre Vorgesetzten hätten sich bei Begegnungen nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren können. Ein solches Verhalten entspricht Ergebnissen der niederländischen Radboud-Universität: Schöne Frauen können Männer den Verstand rauben, wenn auch meistens nur für einen begrenzten Zeitraum.

Konsequenzen für Talente

Was können nun Talente aus alledem für Schlüsse ziehen: Möglichst schön werden? Auf innere Schönheit setzen? Schönsein sicherheitshalber verbergen? Einen Schlüsselreiz bietet das Bewerbungsfoto, weiß Christine Lüders, Leiterin Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung. Wohl wegen dieser Rolle plädiert sie für geschwärzte Portraits, jedes Bild würde nur vom wahren Können ablenken. Schließlich, so lässt sich Lüders zitieren, sei es in Zeiten des Fachkräftemangels im Interesse von Unternehmen die Besten und nicht die Schönsten zu rekrutieren. Mag ja sein.

Zudem sollten Bewerber mit der Einladung zum Gespräch ein Foto ihres potentiellen Vorgesetzten verlangen oder zumindest im Internet googeln. So hat die Münchener Psychologin Maria Agthe festgestellt, dass wenig schöne Bosse, männliche und weibliche, meist unattraktive Bewerber gleichen Geschlechts einstellen. Nur beim jeweils anderen Geschlecht als dem des unansehnlichen Chefs hätten hübsche Kandidaten eine Chance, dann sogar eine große. Auch Agthe hat eine Erklärung parat: In der eigenen Gattung schädigen gut aussehende Mitarbeiter den Sozialstatus als Chef. Attraktive Mitarbeiter aus dem anderen Geschlecht adeln hingegen den eigenen Ruf.

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.