DPDHL setzt bei Arbeitsform auf Pluralität

Beim Logistikkonzern Deutsche Post DHL Group gehört Remote Work zum Modus Operandi. Trotzdem war in der Pandemie plötzlich manches anders. Personalvorstand Dr. Thomas Ogilvie erklärt, wieso der Konzern auf lokale Lösungen setzt.

Personalmagazin: Als ein globaler Konzern hat die Deutsche Post DHL Group in Teilen immer schon remote gearbeitet. Was hat sich bei Ihnen durch die Pandemie verändert?

Thomas Ogilvie: Zunächst einmal sind rund 90 Prozent unserer Beschäftigten in der direkten Leistungserbringung tätig, also dem Sortieren von Paketen oder der Zustellung von Briefen. Für diese große Mehrheit mussten wir in der Pandemie Schutzmechanismen finden, die ihre Arbeit in den Betriebsstätten und bei unserer Kundschaft auch unter Coronabedingungen ermöglichte. Bei den Verwaltungskräften haben Sie völlig recht: Viele unserer Teams arbeiten seit jeher global zusammen, dort ist Remote Work nichts Neues. Ansonsten haben wir den Teams maximale Flexibilität für ihre eigenen Lösungen eingeräumt. Wichtig scheint mir, dass sie zum jeweiligen Geschäft passen und den Beschäftigten vor Ort das Gefühl geben, dass man ihnen zuhört und auf ihre Bedürfnisse eingeht.

Orientierung und Vertrauen statt Kontrolle

Personalmagazin: Das klingt nach einem sehr differenzierten Prozess, der eigentlich auch Zeit erfordert. Hat man die in der Krise?

Ogilvie: Als die Krise global ausbrach, spürte auch ich zunächst den spontanen Impuls: Jetzt brauchen wir als Konzernzentrale maximale Transparenz, maximale Kontrolle, maximale Durchgriffsmöglichkeiten. Den habe ich aber nach einer Woche fallen lassen, weil die Leute vor Ort genug zu tun hatten und sich nicht auch noch darum kümmern sollten, wie sie jetzt irgendetwas in Richtung Headquarter berichten. Unsere beiden wichtigsten Schlagworte in der Krise waren Orientierung und Vertrauen. Orientierung bedeutete, dass wir die Mindeststandards, die lokal zu berücksichtigen sind, klar kommuniziert haben. Gleichzeitig haben wir aber das Vertrauen vermittelt, dass die Umsetzung nicht zentral vorgegeben, sondern lokal entschieden werden sollte.

Personalmagazin: Wie haben Sie Formalia wie Betriebsvereinbarungen der neuen Situation angepasst?

Ogilvie: Natürlich haben wir rund um Corona eine Vielzahl von Betriebsvereinbarungen geschlossen – von der Betriebsvereinbarung Mund-Nasen-Schutz bis hin zu anderen Festlegungen. Die Möglichkeit flexiblen Arbeitens in Absprache mit der Führungskraft aber hatten wir auch vorher schon vorgesehen. Deswegen haben wir dazu in der Pandemie gar keine eigenständige Betriebsvereinbarung geschlossen. Momentan sind wir allerdings dabei, im Konzern auszuhandeln, wie es mit Flex Work nach Corona aussieht. Welche guten Elemente der Flexibilität wollen wir uns bewahren?

Bei uns wird es vom Unternehmen aus keine Flex-Arbeitspflicht geben, auf der anderen Seite können auch Arbeitnehmende nicht einseitig Flex-Arbeit verlangen. - Thomas Ogilvie

Personalmagazin: Wissen Sie schon, in welche Richtung das gehen wird?

Ogilvie: Wir werden jedenfalls keine Konzernbetriebsvereinbarung schließen, dafür sind unsere einzelnen Unternehmenstöchter und Betriebseinheiten einfach zu unterschiedlich. Die Arbeitsmodelle werden wir vielmehr Betrieb für Betrieb ausgestalten, wenn auch mit vielen gemeinsamen Elementen. Eines ist der Grundsatz beidseitiger Freiwilligkeit. Das heißt: Bei uns wird es vom Unternehmen aus keine Flex-Arbeitspflicht geben, auf der anderen Seite können auch Arbeitnehmende nicht einseitig Flex-Arbeit verlangen.

Personalmagazin: Aus vielen Organisationen hören wir, dass das mobile Arbeiten zu Spannungen zwischen den Mitarbeitenden führt, die mobil arbeiten können, und denen, die es qua Aufgabe nicht können. Stichwort: Arbeitsschutz, Ansteckungsgefahr, Privilegien. Bei Ihnen auch?

Ogilvie: Wir haben eigentlich keinerlei negative Rückmeldungen oder eine "Wir gegen die"-Zweiteilung wahrgenommen.

Coachings und Trainings für Führungskräfte

Personalmagazin: Auf welche Weise helfen Sie Führungskräften, die bei diesem Aushandlungsprozess Unterstützung benötigen?

Ogilvie: Da gibt es drei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, im Tagesgeschäft mit der Führungskraft oder dem HR Business Partner in einen spezifischen Dialog zu gehen. Als zweiten Baustein bieten wir dort, wo es Nachfrage gibt, Coachings an. Drittens gibt es unsere Corporate-Executive-Trainingsveranstaltungen, wo Remote Work zwar kein eigenständiges Modul und kein eigenständiger Trainingsinhalt ist. Aber wenn es um Reflexion des persönlichen Führungsverständnisses und eine Weiterentwicklung des Führungsrepertoires geht, erhalten unsere Führungskräfte hier wertvolle Impulse.

Personalmagazin: Wie hat sich das digitale Arbeiten in der Krise entwickelt? Bedeutete die Pandemie hier einen Push für die Deutsche Post DHL?

Ogilvie: Wir hatten eine solide Basis, die wir dann signifikant aufgebohrt haben. Als Erstes mussten wir uns infrastrukturell in die Lage versetzen, rund 100.000 mobil Arbeitende zu vernetzen. Das war eine Sache von wenigen Wochen. Einen wesentlichen Effekt aber gab es: Die Pandemie hat die Adaption von Office 365, die wir an einigen Stellen pilotiert und vor allem lange diskutiert hatten, dramatisch beschleunigt – und zwar nicht primär als Produktivitäts-, sondern als Interaktionsplattform. Wir sind jetzt innerhalb von zwei Jahren mit der ganzen Organisation auf die Teams-Plattform umgezogen. Ohne die Pandemie hätte das vermutlich deutlich länger gedauert.

In fünf Jahren wird es deutlich mehr um Output als um Input gehen. Was zählt, ist der sicht- und messbare Wertbeitrag, nicht die reine Anwesenheitszeit. - Thomas Ogilvie

Personalmagazin: Wenn Sie in die nähere Zukunft schauen: Welches Arbeitsmodell wird sich in Ihrer Organisation in fünf Jahren als Standard durchgesetzt haben?

Ogilvie: Die Debatte über die Bedeutung des Büros als Kommunikationsort wurde schon geführt, als ich in den Neunzigerjahren Psychologie studiert habe. Vor der Pandemie haben wir uns dann als Teil von Digitalisierung mit Activity Based Working und Ähnlichem beschäftigt. Corona hat all diese Trends noch einmal beschleunigt. Ich glaube, all diese Elemente führen in dieselbe Richtung: In fünf Jahren wird es deutlich mehr um Output als um Input gehen. Was zählt, ist der sicht- und messbare Wertbeitrag, nicht die reine Anwesenheitszeit. Außerdem wird es auch im Sinne von Diversität und Inklusion darum gehen, für unterschiedliche Lebensentwürfe unterschiedliche Einsatz- und Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Wir werden eine höhere Pluralität der Arbeitsformen und mehr Ergebnis- als Präsenzorientierung erleben.


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