Rz. 10

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann nur der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, dagegen steht dem Arbeitgeber und auch dem beschwerdeführenden Arbeitnehmer dieses Recht nicht zu (BAG, Beschluss v. 28.6.1984, 6 ABR 5/83[1]). Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsrats, insoweit bedarf es eines wirksamen Beschlusses des Betriebsratsgremiums. Dabei dürfen Betriebsratsmitglieder, die eine Beschwerde nach § 85 BetrVG beim Betriebsrat erhoben haben, an der Beschlussfassung hierüber nicht teilnehmen, da sie nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aus Rechtsgründen an der Teilnahme an der Sitzung verhindert sind (LAG Nürnberg, Beschluss v. 16.10.2012, TaBV 28/12)[2].

Eine Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers zur Anrufung der Einigungsstelle ist nicht erforderlich. Der Arbeitnehmer kann die Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat nicht erzwingen.

 

Rz. 11

Allerdings bleibt der Arbeitnehmer insoweit Herr des Beschwerdeverfahrens, als er durch Rücknahme der Beschwerde dem Einigungsstellenverfahren den Boden entziehen kann. Die Rücknahme der Beschwerde ist jederzeit möglich.[3] Der Arbeitgeber hat das Recht, vom Betriebsrat den Namen des beschwerdeführenden Arbeitnehmers zu erfahren.[4]

Eine bereits erfolgte Abhilfe der Beschwerde steht der Bildung der Einigungsstelle nur entgegen, wenn der Grund für die Beschwerde offensichtlich vollständig ausgeräumt und dadurch die Beschwerde des Arbeitnehmers in der Sache selbst erledigt ist (LAG Hessen, Beschluss v. 15.9.1992, 4 TaBV 52/92[5]).

 

Rz. 12

Bildung, Zusammensetzung und Verfahren der Einigungsstelle richten sich nach § 76 BetrVG, sofern keine abweichende Regelungen über eine die Einigungsstelle ersetzende betriebliche Beschwerdestelle nach § 86 BetrVG getroffen wurden.

Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer einigen. Bei der Einigungsstelle über die Berechtigung der Beschwerde eines Arbeitnehmers nach § 85 Abs. 2 BetrVG kann dabei in der Regel die Bestellung eines Beisitzers pro Seite ausreichend sein (LAG Hessen, Beschluss v. 3.11.2009 ,4 TaBV 185/09[6]). Gelingt eine solche Einigung nicht, kann nach § 76 Abs. 2 Sätze 2,3 BetrVG das Arbeitsgericht im Verfahren nach § 98 ArbGG angerufen werden. In diesem auf besondere Beschleunigung ausgelegten Verfahren bestellt der Vorsitzende ohne ehrenamtliche Richter die Person des Einigungsstellenvorsitzenden und legt die Zahl der Beisitzer fest. Im Hinblick auf eine beschleunigte Durchführung des Verfahrens hat das Gericht nach § 98 ArbGG nicht die Aufgabe, die Zuständigkeit der Einigungsstelle abschließend zu klären, dies soll der Einigungsstelle selbst vorbehalten bleiben. Daher können die Anträge wegen fehlender Zuständigkeit Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle für ein erzwingbares Einigungsstellenverfahren, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt[7], also wenn das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht offensichtlich nicht besteht (BAG, Beschluss v. 6.12.1983, 1 ABR 43/81[8]).

 

Rz. 13

Die Einigungsstelle kann vom Betriebsrat erst nach entsprechender wirksamer Beschlussfassung angerufen werden. Auch muss der Betriebsrat zunächst mit dem Arbeitgeber über die Berechtigung der Beschwerde verhandeln, daher kann die Einigungsstelle zuvor aufgrund ihrer offensichtlichen Unzuständigkeit nicht angerufen werden (ArbG Braunschweig, Beschluss v. 15.5.2003, 1 BV 30/03[9]). Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 9.4.2014, 4 TaBV 638/14[10]) ist eine Einigungsstelle über die Berechtigung einer Arbeitnehmerbeschwerde zwar grundsätzlich solange offensichtlich unzuständig, bis die Beschwerde mit dem Arbeitgeber verhandelt worden ist. Zeigt sich der Arbeitgeber aber von vornherein verhandlungsunwillig und boykottiert er die Verhandlungsbemühungen des Betriebsrats, so kann der Betriebsrat ausnahmsweise die Verhandlungen für gescheitert erklären und die Einigungsstelle anrufen.

 

Rz. 14

Voraussetzung für die Einleitung des Einigungsstellenverfahrens ist, dass die tatsächlichen Gründe für die Beschwerde, die sie veranlassenden Vorgänge oder Verhältnisse in einem Mindestmaß konkret angegeben werden. Die Kennzeichnung lediglich der Art der Benachteiligung, der ungerechten Behandlung oder sonstiger Beeinträchtigungen genügt i. d. R. nicht (LAG Hessen, Beschluss v. 15.9.1992, 4 TaBV 52/92[11]).

 

Rz. 15

Keine Zuständigkeit der Einigungsstelle besteht, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Berechtigung der Beschwerde streiten, sondern lediglich über die geeigneten Abhilfemaßnahmen (BAG, Beschluss v. 22.11.2005, 1 ABR 50/04[12]).

Der Betriebsrat kann die Einigungsstelle bei einem Streit über die Berechtigung einer ausschließli...

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