Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle zur Beschwerde einer Arbeitnehmerin ohne Vorverhandlungen bei "Blockadepolitik" der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG über die Berechtigung einer Arbeitnehmerbeschwerde iSd. des § 84 BetrVG ist grundsätzlich solange offensichtlich unzuständig, bis die Beschwerde mit dem Arbeitgeber verhandelt worden ist.

Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme zu machen, wenn der Arbeitsgeber sich von vornherein verhandlungsunwillig zeigt und die Verhandlungsbemühungen des Betriebsrats boykottiert.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 83; ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 25 Abs. 1, § 29 Abs. 2, §§ 84, 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 28.02.2014; Aktenzeichen 39 BV 2021/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Februar 2014 - 39 BV 2021/14 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle über die Berechtigung einer Arbeitnehmerbeschwerde.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist Betreiberin von Pflegeeinrichtungen. Antragsteller und Beteiligter zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin in der von dieser betriebenen Seniorenresidenz "K.-E.-Haus" in Berlin-N. gewählte, aus sieben Mitgliedern bestehende Betriebsrat, dessen Vorsitzende, Frau N. Sch., zugleich die Beschwerdeführerin ist. Die Beschwerdeführerin ist bei der Arbeitgeberin als Physiotherapeutin beschäftigt.

Mit Schreiben vom 27. September 2012 (Bl. 57 d. A.) erteilte die Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin unter Freistellung von der Arbeitspflicht Hausverbot für alle Einrichtungen der Arbeitgeberin mit Ausnahme des Zugang zu dem und des Aufenthalt in dem Betriebsratszimmer des K.-E.-Hauses zur Durchführung erforderlicher Betriebsratstätigkeiten. In dem hiergegen gerichteten gerichtlichen Verfahren einigte sich die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Vergleichs vor dem LAG Berlin-Brandenburg zum Geschäftszeichen 16 TaBVGa 2035/12 mit der Arbeitgeberin darauf, dass ihr zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit der Zugang zu den öffentlichen Räumen in der Senioren-Residenz K.-E.-Haus ausgenommen die Wohnräume der Bewohner gewährleistet wird.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 (Blatt 4 - 5 der Akten) teilte die Beschwerdeführerin dem Betriebsrat Folgendes mit:

"Lieber Betriebsrat,

heute wende ich mich nicht nur als Betriebsratsvorsitzende sondern auch als Mitarbeiterin an euch.

Schon im vergangenen Jahr September 2012 gab es einen offenen Brief der Geschäftsführung an alle Mitarbeiter.

In diesem offenen Brief werde ich bei unseren Mitarbeitern in ein derart negatives Licht gerückt, um Misstrauen zu schüren und den Kollegen zu vermitteln, ich würde mich auf unzulässige Art durch mein Amt als Betriebsratsvorsitzende nicht nur bereichern, sondern auch noch "nicht" arbeiten. Das Maß des Erträglichen war schon zu dieser Zeit um einiges überschritten und ich litt zu dieser Zeit schon unter schweren Schlafstörungen da unsere Kollegen im Betrieb auf sehr andere Weise auf mich reagieren.

Mich kennt man im Haus als fröhliche Physiotherapeutin, die ihren Beruf liebt und immer lachend mit den Kollegen die Arbeit angeht. Seitdem ich in den Betriebsrat gewählt wurde und insbesondere seit dem ich das Amt der Vorsitzenden bekleide, herrscht hier Eiszeit.

Das hätte ich mir als ich hier anfing echt nicht träumen lassen.

Den ersten offenen Brief verkraftete ich gerade so mit einigen sensiblen Körperstörungen.

Nachdem das Arbeitsgericht die Zustimmung auf außerordentliche Kündigung abwies, sollte der Zweite Offene Brief an alle Mitarbeiter folgen. Erneut versucht die Geschäftsführung meinen Kollegen zu vermitteln, ich hätte in unzulässiger Weise Arbeitszeitbetrug begangen und nicht zuletzt geschützt durch mein Amt im Betriebsrat, während alle anderen ehrlich hart jeden Tag ihrer Arbeit nachgehen müssen.

Aus Kollegen mit denen ich mich immer gut verstanden habe, werden plötzlich wichtige Zeugen der Arbeitgeberin, mit denen ich nicht reden darf, weil ich sie beeinflusse. Und behandeln, wenn sie Schmerzen haben, darf ich sie gleich schon gar nicht, denn das allein wäre ja auch Beeinflussung.

Sie erklären, ich hätte mit Kollegen über den Prozess gesprochen. Einfach in den blauen Himmel behauptet, obwohl es an jedem Beweis fehlt.

Mitarbeiter trauen sich kaum noch mit mir zu reden, denn das ist nicht gern gesehen. Wenn ich das Haus betrete, muss ich Stasi- ähnlich ein Anmeldungsprozedere durchlaufen, dass mit angst und bange wird.

Den Kollegen wird unterstellt, sie hätten Angst vor mir.

An dem Abend jedoch, worauf man sich das ganze Jahr freut, denn hier sind die Kollegen privat und man sitzt zusammen und feiert zusammen das Fest der Liebe und das vergangene Jahr ... an diesem Abend werde ich ausgeladen und darf nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen.

Am 12.12.2013 um 13.15 Uhr wollte ich mich wie immer bei unserem Heimleiter abmelden, um den Weg nach Ha...

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