Rz. 3

Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung, der ordentlichen wie der außerordentlichen Kündigung anzuhören.[1] Die Anhörungspflicht besteht auch bei Änderungskündigungen.[2]

 

Rz. 4

Der Betriebsrat ist auch anzuhören, wenn das KSchG keine Anwendung findet, d. h. auch in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses[3], sowie bei einer Kündigung vor Vertragsantritt[4].

 

Rz. 5

Keine Anhörungspflicht besteht bei der sog. Teilkündigung, bei der sich die Kündigung unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses auf einzelne Nebenabreden bezieht. Eine Teilkündigung ist im Allgemeinen unzulässig, weil die einzelnen Teile des Arbeitsvertrags regelmäßig in einem inneren Zusammenhang stehen.[5] Auch beim Widerruf einzelner Leistungen ist kein Beteiligungsrecht gegeben. Die Möglichkeit des Widerrufs muss vereinbart werden. Das AGB-Recht setzt hier Grenzen.[6] Das Beteiligungsrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als durch Kündigung aufgelöst wird. Keine Anhörungspflicht besteht daher, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf endet[7] oder wenn ein auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis durch Eintritt der Bedingung endet (§ 158 Abs. 2 BGB).[8]

 
Hinweis

Die Erklärung, dass ein befristet abgeschlossener Arbeitsvertrag nicht verlängert werde, sowie die mit der Befristung begründete Ablehnung der Weiterbeschäftigung ist keine Kündigung.[9] Sie kann auch nicht in eine Kündigung umgedeutet werden, weil wegen der Bindung an die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG feststehen muss, ob es sich um eine Kündigung handelt. Deshalb kommt nur die Erklärung einer hilfsweisen Kündigung in Betracht, bei der der Betriebsrat zu beteiligen ist.[10]

 

Rz. 6

Keine Anhörungspflicht besteht, wenn das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung bzw. mit Ablauf der Ausbildungszeit endet (§ 21 BBiG).

 

Rz. 7

Wird das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag aufgelöst, ist der Betriebsrat nicht anzuhören.[11] Ein Aufhebungsvertrag liegt aber nicht in der Anerkennung einer Kündigung, denn die Unterwerfung unter die Ausübung eines Gestaltungsrechts ist kein Vertrag. Vom Aufhebungsvertrag ist der sog. Abwicklungsvertrag zu unterscheiden, bei dem, soweit der Auflösungstatbestand eine Kündigung ist, ein Beteiligungsrecht besteht.[12]

 

Rz. 8

Eine Anhörungspflicht besteht nicht, wenn der Betriebsrat die Kündigung angeregt hat[13], etwa zur Rückgängigmachung einer nach seiner Ansicht betriebsverfassungsrechtlich pflichtwidrig durchgeführten Einstellung, oder wenn der Betriebsrat die Kündigung nach § 104 BetrVG verlangt.[14] Der Betriebsrat ist aber zu hören, wenn der Arbeitgeber die Kündigung erklärt, um selbst den Mangel der Beteiligung des Betriebsrats zu beheben.

 

Rz. 9

Der Beteiligungstatbestand ist nicht gegeben, wenn der Arbeitsvertrag nichtig oder schwebend unwirksam[15] ist. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch eine Anfechtung des Arbeitsvertrags auflöst.[16]

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 28.2.1974, 2 AZR 455/73, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 2.
[2] BAG, Urteil v. 3.11.1977, 2 AZR 321/76, AP BPersVG § 75 Nr. 1; BAG, Urteil v. 29.3.1990, 2 AZR 420/89, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 56; Einzelheiten zur Darlegung: BAG, Urteil v. 12.8.2010, 2 AZR 104/09.
[4] Ebenso Hessisches LAG, Urteil v. 31.5.1985, 13 Sa 833/84, DB 1985, 2689; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 15; vgl. auch Rz. 27.
[5] BAG, Urteil v. 23.8.1989, 5 AZR 569/88, AP BGB § 565e Nr. 3; BAG, Urteil v. 7.10.1982, 2 AZR 455/80, AP BGB § 620 Teilkündigung Nr. 5.
[7] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 17 ff.; ausführlich zur Zulässigkeit einer Befristungsabrede MünchArbR/Waskow, 5. Aufl. 2021, § 103.
[8] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 20.
[9] BAG, Urteil v. 9.11.1977, 5 AZR 388/76, AP BGB § 620 Nr. 43; BAG, Urteil v. 15.3.1978, 5 AZR 831/76, BB 1978, 1265; BAG, Urteil v. 26.4.1979, 2 AZR 431/77, BB 1979, 1557; BAG, Urteil v. 24.10.1979, 5 AZR 851/78, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 49.
[10] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 19; Fitting, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 102 BetrVG Rz. 17.
[11] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 22; a. A. Keppeler, AuR 1996, 263.
[12] BAG, Beschluss v. 28.6.2005, 1 ABR 25/04, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 146; fast allg. M.; a. A. jedoch Bauer/Krieger, NZA 2006, 307.
[13] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 42.
[15] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 27.
[16] BAG, Urteil v. 11.11.1993, 2 AZR 467/93, NJW 1994, 1363. Ausführlich zur Begründung Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 28.

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