Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung - ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gehört im Falle einer betriebsbedingten Änderungskündigung jedenfalls dann die Angabe der Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmer, wenn sich erst daraus die Tragweite der geplanten personellen Maßnahme (Reduzierung des Weihnachtsgeldes), bezogen auf das laufende oder das nachfolgende Kalenderjahr, ermitteln läßt.

 

Orientierungssatz

Unterlaufen dem Arbeitgeber bei der Durchführung der Anhörung Fehler, dann ist die Anhörung unabhängig davon unwirksam, ob und wie der Betriebsrat zu der mangelhaften Anhörung Stellung genommen hat.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 25.04.1989; Aktenzeichen 7 Sa 70/89)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 24.11.1988; Aktenzeichen 5 Ca 272/88)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 3. Oktober 1971 zunächst bei der Muttergesellschaft der Beklagten, später bei dieser beschäftigt, und zwar gegen ein Entgelt von zuletzt ca. 3.200,-- DM monatlich. Die Beklagte ist die Vertriebsgesellschaft der mit Herstellung und Vertrieb von Repro-Geräten beschäftigten K. Sie wurde zum 1. April 1983 aus der Muttergesellschaft ausgegliedert und beschäftigte bei Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung ca. 266 Mitarbeiter. Die Parteien sind kraft Organisationszugehörigkeit an die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen gebunden.

Die Beklagte gewährte ihren Arbeitnehmern auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage ein Weihnachtsgeld, wobei das je nach Betriebszugehörigkeit zwischen 20 und 50 % eines Bruttomonatslohns betragende tarifliche Weihnachtsgeld von ihr auf 1/12 des Bruttojahresverdienstes aufgestockt wurde. Für den Kläger ergab sich der Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatslohns bereits aus einer ausdrücklichen Zusage im Arbeitsvertrag vom 6. September 1971. Der Anspruch auf Weihnachtsgeld und seine Berechnung waren außerdem in der sog. Paket-Betriebsvereinbarung über die von der Muttergesellschaft gewährten Entgelt- und Sozialleistungen vom 30. Januar 1975 betriebseinheitlich geregelt.

Mit Schreiben vom 28. Juni 1983 kündigte die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat alle Betriebsvereinbarungen mit Ausnahme der Versorgungsordnung. Seit 1982 verband sie die Zahlung des Weihnachtsgeldes stets mit dem Vorbehalt, die Zahlungen erfolgten ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft. Unter Berufung auf diesen Vorbehalt zahlte die Beklagte erstmals im Jahre 1987 nur den tariflich abgesicherten Teil des Weihnachtsgeldes. Hiergegen erhoben verschiedene Arbeitnehmer Klage, deren Ergebnis die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgetragen haben.

Die Beklagte gewährte ihren Arbeitnehmern außerdem nach mehr als 10jähriger Betriebszugehörigkeit einen Tag Zusatzurlaub. Auch dieser Anspruch war in der erwähnten Paket-Betriebsvereinbarung vom 30. Januar 1975 geregelt. Nach der Kündigung dieser Betriebsvereinbarung teilte die Beklagte den Arbeitnehmern durch Aushang vom 26. Juni 1986 mit, künftig werde der Zusatzurlaub erst nach 25jähriger Betriebszugehörigkeit gewährt. Als die Beklagte im Jahre 1987 dementsprechend verfuhr, erhoben wiederum einige Mitarbeiter erfolgreich Klage mit dem Ziel, Zusatzurlaub schon ab dem 10. Beschäftigungsjahr zu erhalten.

In der Folgezeit beschloß die Beklagte, mit einer Massenänderungskündigung den Anspruch der Arbeitnehmer auf den übertariflichen Teil des Weihnachtsgeldes und des Zusatzurlaubs zu beseitigen. Am 15. und 16. Juni 1988 übersandte sie ihrem Betriebsrat je ein Schreiben, in dem sie auf vorangegangene mündliche Erörterungen mit dem Betriebsrat Bezug nahm, deren Inhalt und Ablauf zwischen den Parteien streitig ist. In dem Schreiben vom 16. Juni 1988 heißt es u.a., die Wochenfrist zur Anhörung laufe "einen Tag länger - also bis einschließlich 23. Juni 1988". Durch eine "vorläufige Stellungnahme" vom 22. Juni 1988 widersprach der Betriebsrat den beabsichtigten Änderungskündigungen mit der Begründung, es fehlten notwendige Informationen, u. a. die Angabe der Kündigungsfristen und -termine. Diese Angaben holte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Juni 1988 nach und wies im übrigen die Einwände des Betriebsrats zurück. Am 28. Juni 1988 bat der Betriebsrat die Beklagte um eine Verlängerung der Anhörungsfrist für mindestens 14 Tage, was die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juni 1988 ablehnte.

Mit Schreiben vom 27. Juni 1988 hatte sie gegenüber dem Kläger und sämtlichen übrigen Arbeitnehmern mit Ausnahme der Betriebsratsmitglieder eine ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen. Die Beklagte begründete die Kündigung zunächst damit, hinsichtlich des Weihnachtsgeldes seien Vorkehrungen für den Fall einer weiteren negativen Entwicklung zu treffen. Die Kündigungsschreiben wurden den Arbeitnehmern zusammen mit der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung für Juni 1988 übermittelt. Dadurch gingen sie teilweise noch im Juni, teilweise aber auch erst Anfang Juli 1988 zu. Der Kläger, bei dem eine tarifliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende einzuhalten war, erhielt die Änderungskündigung zum 31. Dezember 1988 am 5. Juli 1988.

Der Kläger nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG an und erhob am 25. Juli 1988 die vorliegende Kündigungsschutzklage.

Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats und die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung bestritten. Der Betriebsrat sei nicht ausreichend über die wirtschaftlichen Hintergründe und die Notwendigkeit der Änderungskündigungen informiert worden. Die Beklagte habe sich bereit erklärt, die Kündigungstermine für die einzelnen Arbeitnehmer nachzureichen. Nachdem dies am 23. Juni 1988 geschehen sei, habe sie die einwöchige Erklärungsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht eingehalten, sondern die Kündigungen bereits am 27. Juni ausgesprochen.

Die Kündigung sei auch sozial ungerechtfertigt. Mit dem erst im Prozeß dargelegten Zahlenmaterial sei die Beklagte ausgeschlossen, da sie dies dem Betriebsrat nicht mitgeteilt habe. Unabhängig davon würden die von der Beklagten vorgetragenen Umsatz- und Verlustzahlen bestritten. Die Geschäftsleitung habe in einem Rundschreiben an die Mitarbeiter im September 1988 von einer positiven Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 1988 berichtet. Aus diesem Grunde habe sie im März oder April 1988 (unstreitig) an alle Mitarbeiter eine einmalige Sonderleistung von 300,-- DM erbracht.

Der Kläger hat - soweit in der Revisionsinstanz von Belang - beantragt

festzustellen, daß die Änderung der Arbeits-

bedingungen, wie sie die Beklagte mit Schreiben

vom 27. Juni 1988 ausgesprochen hat, sozial

ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis

auch über den 31. Dezember 1988 hinaus unver-

ändert fortbesteht.

Die Beklagte hat mit dem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, den Betriebsrat am 15. und 16. Juni 1988 mündlich auf der Grundlage der maßgeblichen wirtschaftlichen Daten umfassend über die die Änderungskündigung begründenden Umstände unterrichtet zu haben. Die Betriebsverluste seien unter Bezugnahme auf Unterlagen erläutert worden, die auch dem Wirtschaftsausschuß vorgelegen hätten. Sie habe dem Betriebsrat erklärt, die Kündigungen sollten gegenüber sämtlichen Mitarbeitern möglichst noch im Juni unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen zum nächstmöglichen Termin erfolgen. Die Betriebsratsmitglieder selbst hätten außerordentlich mit der längsten tariflichen Kündigungsfrist als Auslauffrist gekündigt werden sollen. Die Kündigungstermine für die einzelnen Mitarbeiter habe der Betriebsrat anhand der ihm überlassenen Unterlagen selbst feststellen können. Zu entsprechenden Angaben sei sie nicht verpflichtet gewesen. Die am 23. Juli 1988 insoweit nachgereichten Informationen hätten daher auch den Ablauf der Anhörungsfrist nicht beeinflußt.

Die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt. Mit der Änderungskündigung sei die Auszahlung des vollen Weihnachtsgeldes unter dem Vorbehalt zugesagt worden, daß die Zahlung wirtschaftlich möglich sei. Es hätten nur Vorkehrungen für den Fall einer weiteren schlechten Wirtschaftsentwicklung getroffen werden müssen. In ihrem Wirtschaftsbereich habe sich in den letzten Jahren ein Strukturwandel vollzogen, der zu einem scharfen Wettbewerb geführt habe. Die Gewinn- und Verlustrechnung für das vom 1. April 1987 bis zum 31. März 1988 laufende Geschäftsjahr 1987/88 habe ein Minus von 2,64 Mio. DM aufgewiesen. Hinzu seien die Auflösung freier Rücklagen in Höhe von 1,23 Mio. DM und ein Pachtverzicht der Muttergesellschaft in Höhe von 1,94 Mio. DM gekommen. Insgesamt sei somit von einem Betriebsverlust in Höhe von 5,8 Mio. DM auszugehen. Auch die weitere Geschäftsentwicklung habe sich negativ dargestellt. Die geplanten Umsätze seien nicht erreicht worden. Sie habe daher vor der Wahl gestanden, entweder das Weihnachtsgeld um den übertariflichen Teil zu kürzen oder Teile der ansonsten fälligen Löhne und Gehälter nicht auszahlen zu können. Durch die Kürzung des Weihnachtsgeldes habe sie jährlich ca. 490.000 DM und durch die Streichung des Zusatzurlaubs weitere 36.000 DM einsparen können. Sämtliche anderen Sparmaßnahmen seien bereits ausgeschöpft gewesen. Daraus ergebe sich, daß Arbeitsplätze unmittelbar in Gefahr gewesen seien.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei gemäß § 102 BetrVG unwirksam, da dem Betriebsrat die Kündigungstermine erst am 23. Juni 1988 mitgeteilt worden seien. Bei Ausspruch der Kündigung am 27. Juni 1988 sei die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG noch nicht abgelaufen gewesen. Die Kündigung sei darüber hinaus sozial ungerechtfertigt. Nach ihren eigenen Bekundungen sei es der Beklagten nicht um die tatsächliche Einsparung der Sonderzuwendung, sondern um Vorkehrungen für den Fall anhaltend schlechter Wirtschaftslage gegangen. Eine solche vorsorgliche Maßnahme verstoße gegen den ultima-ratio-Grundsatz. Daher habe weder für die Einsparungen des Weihnachtsgeldes noch für die Streichung des Zusatzurlaubs ein dringendes betriebliches Erfordernis bestanden.

Das Landesarbeitsgericht hat nach Vernehmung des Personalleiters Dr. F und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden W durch Teilurteil den Feststellungsantrag des Klägers abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des Berufungsurteils zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet: Die Änderungskündigung gegenüber dem Kläger sei nicht sozial ungerechtfertigt, wirke aber aufgrund der einzuhaltenden Kündigungsfrist erst zum 31. März 1989. Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liege nicht vor. Die am 23. Juni 1988 abgelaufene Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sei gewahrt. Die Mitteilung der Kündigungstermine am 23. Juni 1988 habe nämlich den Fristablauf nicht beeinflußt, da die Beklagte zur Angabe dieser Termine nicht verpflichtet gewesen sei. Die Angabe des genauen Kündigungstermins im Rahmen der Betriebsratsanhörung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber - wie hier - die Kündigung alsbald nach Abschluß des Anhörungsverfahrens zum nächst zulässigen Termin aussprechen wolle. Die Mitteilung der Kündigungstermine sei auch nicht deshalb ausnahmsweise erforderlich gewesen, weil es sich um eine Massenänderungskündigung gehandelt habe. Der Betriebsrat sei aufgrund der ihm überlassenen Unterlagen in der Lage gewesen, die für den einzelnen Mitarbeiter maßgeblichen Kündigungsfristen und -termine bei der von der Beklagten angestrebten Zustellung der Kündigung im Juni 1988 selbst festzustellen. Die Bereitschaft der Beklagten, die Kündigungstermine nachzureichen, beinhalte auch keine einvernehmliche Fristverlängerung. Dem stehe der Wortlaut des Schreibens vom 16. Juni 1988 entgegen. Die Beklagte sei zu einer Verlängerung der Anhörungsfrist nicht verpflichtet gewesen.

Der Betriebsrat sei auch über die die Kündigung veranlassenden wirtschaftlichen Gründe ausreichend informiert worden. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Zeuge Dr. F die Betriebsratsmitglieder W und D am 15. und 16. Juni 1988 über die schlechte Auftragslage und den eingetretenen Verlust unterrichtet habe. Er habe die Massenänderungskündigung, durch die jährlich etwa eine halbe Million DM eingespart würde, unter Anführung von weiteren Zahlen als notwendig dargelegt. Aufgrund der Angaben sei der Betriebsrat in der Lage gewesen, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden.

Es habe auch keine Unklarheit über den betroffenen Personenkreis bestanden. Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen W und Dr. F sei das Berufungsgericht davon überzeugt, daß die Beklagte den Betriebsrat dahin informiert habe, die Änderungskündigung solle gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern ausgesprochen werden. Der nachträgliche Entschluß, von einer Kündigung gegenüber den Betriebsratsmitgliedern abzusehen, sei unschädlich.

Die Änderungskündigung sei auch sozial gerechtfertigt, weil dringende betriebliche Erfordernisse vorgelegen hätten. Der Strukturwandel im Geschäftsbereich der Beklagten habe zu einem Auftragsrückgang und dieser wiederum zu Verlusten geführt. Dies stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Um die Verluste auszugleichen, sei es dringend geboten gewesen, auch im Personalbereich durch die Beschränkung der übertariflichen Leistungen Kosten einzusparen, um den Bestand der Arbeitsplätze zu sichern.

Die Beklagte habe mit der Kündigung auch nicht deshalb weiter zuwarten können, weil diese gegenüber dem Kläger erst zum 31. März 1989 wirksam geworden sei, also den Weihnachtsgeldanspruch 1988 unberührt ließ. Angesichts der bedrohlichen wirtschaftlichen Entwicklung sei dies der Beklagten nicht zuzumuten gewesen.

II. Dieser Würdigung vermag der Senat schon hinsichtlich der Anwendung des § 102 BetrVG nicht zu folgen. Der Kläger rügt zu Recht insoweit eine Verletzung materiellen Rechts.

1. Nach § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung, also auch vor Ausspruch einer Änderungskündigung zu hören, da auch sie zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann (Senatsurteil vom 3. November 1977 - 2 AZR 277/76 - AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG; BAGE 48, 106 = AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969). Dabei sind dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das Änderungsangebot mitzuteilen (BAGE 48, 106, 117 = AP, aaO; Senatsurteil vom 20. März 1986 - 2 AZR 294/85 - AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, zu B II der Gründe; v. Hoyningen/Huene, SAE 1983, 108, 110; KR-Rost, 3.Aufl., § 2 KSchG Rz 115). Unterlaufen dem Arbeitgeber bei der Durchführung der Anhörung Fehler, dann ist die Anhörung unabhängig davon unwirksam, ob und wie der Betriebsrat zu der mangelhaften Anhörung Stellung genommen hat (BAGE 31, 83, 89 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972, zu III 2 a der Gründe sowie neuerdings Senatsurteil vom 30. November 1989 - 2 AZR 197/89 - zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch den Kündigungstermin, also den Zeitpunkt mitteilen muß, zu dem die Kündigung wirksam wird.

a) Nach dem Senatsurteil vom 28. Februar 1974 (BAGE 26, 27, 30 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 1 der Gründe) ist dem Betriebsrat auch der mögliche Kündigungstermin mitzuteilen (ebenso: Senatsurteil vom 5. Februar 1981 - 2 AZR 1135/78 - AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW; BAGE 35, 118, 123 = AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Baden-Württemberg, zu I 2 a der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 102 Rz 16; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 59). In einem weiteren Urteil vom 28. März 1974 (BAGE 26, 102, 104 f. = AP Nr. 3 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 2 b, aa der Gründe) hat der Senat die fehlende Mitteilung des Kündigungstermins deshalb für unschädlich gehalten, weil für die gekündigte Arbeitnehmerin erkennbar die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist einzuhalten gewesen sei und die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden sollte.

In seinem Urteil vom 29. Januar 1986 (- 7 AZR 257/84 - AP Nr. 42 zu § 102 BetrVG 1972) hat der Siebte Senat die Ansicht vertreten, die Angabe des Endtermins könne in der Regel nicht verlangt werden. Da nicht sicher sei, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung zugehen werde, werde häufig auch der Endtermin der Kündigungsfrist noch nicht feststehen. Das gelte auch, wenn die Kündigung zu bestimmten Endterminen (§ 622 Abs. 1 BGB) auszusprechen sei. Der Arbeitgeber müsse jedenfalls dann keine besonderen Ausführungen machen, wenn er die Kündigung alsbald nach Abschluß des Anhörungsverfahrens zum nächstmöglichen Termin aussprechen wolle. Angaben über die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist seien jedenfalls dann verzichtbar, wenn der Betriebs- bzw. Personalrat über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfrist unterrichtet sei. Dem hat sich das angefochtene Urteil angeschlossen.

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist zwischen der maßgeblichen Kündigungsfrist und dem Kündigungstermin (Endtermin) zu unterscheiden.

aa) Hinsichtlich der Kündigungsfrist gelten keine Besonderheiten: Der Arbeitgeber muß diese dem Betriebsrat grundsätzlich mitteilen, es sei denn, dem Betriebsrat seien die zu beachtenden Fristen ohnehin bekannt (BAG Urteil vom 3. April 1987 - 7 AZR 66/86 - n.v., zu B II 2 a der Gründe; KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 59 a; vgl. zur entsprechenden Problematik beim Kündigungsgrund: BAGE 44, 249, 259 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972, zu B I 2 b der Gründe; BAGE 49, 136 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972; Urteil vom 20. März 1986, aaO, zu B II der Gründe; Busemann, NZA 1987, 581, 584).

bb) Darauf, ob darüber hinaus dann, wenn alsbald nach Abschluß der Anhörung gekündigt werden soll, auch noch der Endtermin mitgeteilt werden muß, kommt es vorliegend nicht an. Denn hier fehlt es bereits an der Mitteilung der Kündigungsfristen. Eine solche erfolgte unstreitig erst am 23. Juni 1988, so daß insoweit die einwöchige Anhörungsfrist bei Ausspruch der Kündigung (vgl. dazu noch unter II 3) noch nicht abgelaufen war.

cc) Die Mitteilung der Kündigungsfristen war jedenfalls im vorliegenden Fall einer betriebsbedingten Änderungskündigung unerläßlich, weil sonst durch den Betriebsrat nicht festgestellt werden konnte, bei welchen Arbeitnehmern die Änderungskündigung den Weihnachtsgeldanspruch 1988 überhaupt noch erfassen konnte. Dies war auch bei Zugang noch im Juni 1988 nur bei den Arbeitnehmern möglich, die eine kürzere als die beim Kläger zu beachtende sechsmonatige Kündigungsfrist hatten. Wußte der Betriebsrat aber nicht, wann und in welchem Umfang die angestrebte Weihnachtsgeldreduzierung, also mit welchem Einspareffekt überhaupt, "greifen" konnte, so war ein dringendes betriebliches Erfordernis der für 1988 geplanten Maßnahme durch ihn nicht zu beurteilen. Soweit die Maßnahme - wie auch beim Kläger - erst den Weihnachtsgeldanspruch 1989 betreffen konnte, war für den Betriebsrat mangels Kenntnis der Kündigungsfristen nicht ersichtlich, welcher Personenkreis aus den betroffenen ca.266 Mitarbeitern hiervon erfaßt wurde. Je nachdem, für welche Mitarbeiterzahl die Weihnachtsgeldkürzung schon im Jahre 1988 anstand, konnte der Betriebsrat keine Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip) der Massenänderungskündigung anstellen. Auch war es ihm verwehrt, unter Berücksichtigung eigener wirtschaftlicher Überlegungen abzuschätzen, ob ggf. schon in diesem oder erst für das kommende Jahr der Maßnahme zugestimmt werden könne. Die Kenntnis der Kündigungsfristen war hier demnach im Gegensatz zu dem vom Siebten Senat entschiedenen Fall (BAG Urteil vom 29. Januar 1986 - 7 AZR 257/84 - AP Nr. 42 zu § 102 BetrVG 1972) völlig unabhängig von der Kenntnis des Endtermins zur Abschätzung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses der Änderungskündigung unverzichtbar.

c) Die Beklagte trägt die Darlegungslast für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung (BAGE 49, 136 = AP Nr. 37, aa0). Sie hat sich in den Vorinstanzen darauf berufen, der Betriebsrat habe hinsichtlich der Kündigungsfristen davon ausgehen können, die ordentliche Kündigung solle nach Abschluß des Anhörungsverfahrens zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen werden; Angaben über die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist oder über ihren Endtermin seien dann nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfrist unterrichtet sei. Aufgrund der ausgehändigten Unterlagen seien dem Betriebsrat die Kündigungsfristen für die einzelnen Mitarbeiter bekannt gewesen.

Tatsächlich hat der Betriebsrat schon in seiner Stellungnahme vom 22. Juni 1988 auf die Unvollständigkeit der Information über die Kündigungsfristen und die Kündigungstermine hingewiesen; ferner war ersichtlich unklar geworden, ob die Beklagte an ihrer Absicht, auch den Betriebsratsmitgliedern zu kündigen, festhalten wollte, was sie laut Schreiben vom 23. Juni 1988 noch vorhatte, dann aber tatsächlich später nicht realisiert hat. Der Kläger hat in beiden Tatsacheninstanzen bestritten, daß der Betriebsrat über den erforderlichen Kenntnisstand bezüglich der Kündigungsfristen verfügte, ob und welche Kündigung die Beklagte mit drei- oder sechsmonatiger Kündigungsfrist aussprechen wolle und ob dies noch vor dem Stichtag 30. Juni oder mit der nächsten Lohnabrechnung geschehen solle. Die Beklagte hätte deshalb substantiiert vortragen müssen, inwiefern der Betriebsrat selbst über den erforderlichen Kenntnisstand - ohne die Ergänzung laut Schreiben vom 23. Juni 1988, die eben eine neue Anhörungsfrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Gang setzte - zu den Kündigungsfristen verfügte. Aus welchen Unterlagen der Betriebsrat die Kündigungsfristen entnehmen könne oder solle, hat die Beklagte - auch mit ihrem Revisionsvorbringen - nicht aufgezeigt. Ohnedies wäre der Betriebsrat nicht gehalten gewesen, sich die notwendigen Daten aus irgendwelchen Unterlagen herauszusuchen und selbst zu erschließen (BAGE 30, 386, 393 ff. = AP Nr. 17 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe). Die Tatsache, daß die Beklagte die entsprechende Mitteilung nachlieferte, spricht eher gegen ihren Sachvortrag, der Betriebsrat habe von sich aus über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt. Diesbezüglich hat das Landesarbeitsgericht auch keine Feststellungen getroffen. Solche sind mangels eines substantiierten, schlüssigen Sachvortrages durch die Beklagte und entsprechender vorsorglicher Revisionsrügen nicht mehr nachholbar.

3. Die Beklagte hat auch bereits vor Ablauf der zum 30. Juni 1988 neu ausgelösten Anhörungsfrist die Kündigung ausgesprochen. Es ist unstreitig, daß der größere Teil der Kündigungen bereits im Juni 1988 den Empfängern zugegangen ist. Das Landesarbeitsgericht hat dazu festgestellt (Seite 5 der Entscheidungsgründe), die Beklagte habe mit Schreiben vom 27. Juni 1988 gegenüber dem Kläger und sämtlichen Arbeitnehmern - mit Ausnahme der Betriebsratsmitglieder - die ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen. Nach dem im Tatbestand des LAG-Urteils in Bezug genommenen Urteil des Arbeitsgerichts hat dies die Feststellung getroffen, die Konsequenz, dem Betriebsrat die nach dem Gesetz vorgesehene Wochenfrist zur Meinungsbildung über die nun vorliegenden vollständigen Informationen zu belassen, habe die Beklagte dann allerdings nicht gezogen, sondern die Kündigungen am 27. Juni 1988 bereits aus ihrem Machtbereich gehen lassen, bevor der Betriebsrat abschließend Stellung genommen hatte (S. 6 der Entscheidungsgründe). Diese Feststellung ist von der Beklagten - auch was den Kläger angeht, dem die Kündigung erst am 5. Juli 1988 zuging - mit ihrer Berufung oder später nicht angegriffen worden. Es braucht deshalb nicht erörtert zu werden, ob der ursprüngliche Mangel der Betriebsratsanhörung im Verhältnis zum Kläger geheilt worden wäre, wenn die Beklagte dessen Kündigung erst nach Ablauf der neu ausgelösten Wochenfrist ausgesprochen hätte. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war dies nicht der Fall.

III. Ist die Änderungskündigung schon wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu, ob sie nicht auch sozial ungerechtfertigt war, §§ 1, 2 KSchG.

Hillebrecht Bitter

- zugleich für den durch Urlaub

verhinderten Richter Triebfürst

Nipperdey Dr. Bobke

 

Fundstellen

Haufe-Index 437896

BB 1990, 2118

BB 1990, 2118-2119 (LT1)

DB 1990, 2124 (LT1)

AiB 1991, 201-203 (LT1)

BetrVG, (28) (LT1)

Stbg 1990, 566-566 (T)

NZA 1990, 894-896 (LT1)

RdA 1990, 314

RzK, III 1d 7 (LT1)

AP § 102 BetrVG 1972 (LT1), Nr 56

EzA § 102 BetrVG 1972, Nr 79 (LT1)

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