Rz. 798

Die Fremdvergabe von Arbeiten an Dritte kann betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen. Sie ist eine Form der Rationalisierung (BAG, Urteil v. 27.6.2002, 2 AZR 489/01[1]: Schließung des eigenen Krankenhauslabors und Vergabe der Arbeiten an ein Fremdlabor). Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Arbeiten zukünftig nicht mehr durch eigene Arbeitskräfte erledigen zu lassen, stellt eine grds. nicht infrage zu stellende freie Unternehmerentscheidung dar. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die Einhaltung der Grenzen der Willkür (BAG, Urteil v. 18.6.2015, 2 AZR 480/14[2]). Die Entscheidung zur Fremdvergabe von Arbeiten muss lediglich im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorliegen (BAG, Urteil v. 20.11.2014, 2 AZR 512/13[3]).

 

Beispiel

 

Rz. 799

Allerdings darf der Arbeitgeber die Möglichkeit der Fremdvergabe nicht zur Umgehung des Kündigungsschutzes und einer unzulässigen Austauschkündigung nutzen. Er muss seine Arbeitgeberstellung nicht nur formal, sondern auch inhaltlich aufgeben und Arbeiten einem Dritten zur selbstständigen Tätigkeit übertragen. Behält er sich das Direktionsrecht vor und beschränkt sich die Fremdvergabe auf die Gestellung von Personal, ist eine Beendigungskündigung gegenüber den eigenen Arbeitnehmern nicht gerechtfertigt (BAG, Urteil v. 26.9.1996, 2 AZR 200/96[9]). Daher kann der Arbeitgeber Arbeitnehmern nicht mit der Begründung kündigen, er wolle sie durch bessere ersetzen (BAG, Urteil v. 16.12.2004, 2 AZR 66/04[10]) oder zukünftig mit Leiharbeitnehmern zusammenarbeiten (BAG, Urteil v. 12.3.2009, 2 AZR 418/07[11]). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber ohne Umgestaltung der Arbeitsaufgaben die bisher Beschäftigten durch freie Mitarbeiter ersetzen will (BAG, Urteil v. 20.2.1986, 2 AZR 212/85[12]). Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Arbeitgeber sich nicht nur auf die formale Umstellung der Vertragsverhältnisse beschränkt, sondern inhaltlich die weisungsgebundenen Tätigkeiten umgestaltet. Sein Entschluss, Arbeitsplätze abzubauen und durch Umgestaltung der zugrunde liegenden Vertragsform die Arbeiten nur noch von freien Mitarbeitern erledigen zu lassen, ist dann bindend (BAG, Urteil v. 9.5.1996, 2 AZR 438/95[13]; BAG, Urteil v. 13.3.2008, 2 AZR 1037/06[14]; BAG, Urteil v. 31.7.2014, 2 AZR 422/13[15]).

 
Hinweis

Entscheidend für die Zulässigkeit einer Kündigung bei der Fremdvergabe von Aufgaben ist die Darlegung eines schlüssigen neuen Personalkonzepts und die konsequente Umsetzung dieses Konzepts.

 

Rz. 800

Einer Kündigung kann in den Fällen der Fremdvergabe auch entgegenstehen, dass nicht nur die betrieblichen Tätigkeiten im Sinne einer Funktionsnachfolge von Dritten erledigt werden, sondern ein Dritter im Wege des Betriebsübergangs i. S. d. § 613a BGB eine funktionsfähige wirtschaftliche Einheit übernimmt.[16]

[1] NZA 2002 S. 1304.
[2] NZA 2015 S. 1315.
[3] NZA 2015 S. 679.
[4] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42.
[5] AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 97.
[6] AP BGB § 613a Nr. 24
[7] AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 94.
[8] NZA 2015 S. 679.
[9] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 80, NZA 1997 S. 202; Moll/Ittmann, RdA 2008, S. 321.
[10] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 133.
[11] AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97.
[12] AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11, NZA 1986 S. 823.
[13] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 79, NZA 1996 S. 1145.
[14] NZA 2008 S. 878.
[15] NZA 2015 S. 101.
[16] Vgl. zu den Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Einzelnen Worzalla, § 613a BGB, Rz. 6–19.

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