Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Nachteilsausgleich. Auflösung des klinikeigenen Labors und Fremdvergabe der Laboruntersuchungen in psychiatrischer Klinik. Übertragung verbleibender Restarbeiten auf andere Arbeitnehmer. Betriebsratsanhörung. hilfsweiser Antrag auf Nachteilsausgleich (§ 113 BetrVG). Schließung des Labors als Betriebsänderung. wesentlicher Bestandteil und/oder grundlegende Änderung der Betriebsorganisation?. Kündigung. Betriebsverfassungsrecht

 

Orientierungssatz

Die Auflösung des klinikeigenen Labors verbunden mit der Fremdvergabe der Laboruntersuchungen kann in einer psychiatrischen Klinik ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung der Labormitarbeiter darstellen.

Haben die bisher im klinikeigenen Labor beschäftigten medizinisch-technischen Assistentinnen in ganz geringem Umfang auch fachfremde, nicht ihrer Ausbildung und Vergütung entsprechende Nebenarbeiten verrichtet, so scheitert die Wirksamkeit der Kündigung dieser medizinisch-technischen Assistentinnen regelmäßig nicht daran, daß der Arbeitgeber die Nebenarbeiten auf andere Mitarbeiter übertragt.

 

Normenkette

KSchG § 1; BetrVG § 113; KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG §§ 102, 111; KSchG § 17

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Urteil vom 09.05.2001; Aktenzeichen 4 Sa 35/01)

ArbG Bremen (Urteil vom 09.08.2000; Aktenzeichen 5 Ca 5173/99)

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 9. Mai 2001 – 2 Sa 236/00 + 34/01 – verbunden mit – 4 Sa 237/00 + 35/01 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerinnen wenden sich gegen die betriebsbedingte Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses, hilfsweise verlangen sie die Zahlung eines Nachteilsausgleichs.

Die Beklagte betreibt eine Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Sie beschäftigt dort über 200 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Die am 31. Januar 1958 geborene Klägerin zu 1 ist verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Seit dem 1. Juni 1981 war sie bei der Beklagten als medizinisch-technische Assistentin beschäftigt. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 1.000,00 DM für eine Teilzeitstelle. Die am 25. April 1958 geborene Klägerin zu 2 ist ledig. Sie war seit dem 19. Juni 1984 bei der Beklagten gleichfalls als medizinisch-technische Assistentin beschäftigt. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 2.900,00 DM für eine Teilzeitstelle. Die Klägerinnen waren im hauseigenen Labor der Klinik eingesetzt. Außer ihnen war im Labor eine weitere Vollzeitkraft tätig, der ebenfalls gekündigt wurde. Das Labor war personell mit 1,85 Planstellen ausgestattet. Andere medizinisch-technische Assistentinnen beschäftigt die Beklagte in ihrer Klinik in Bremen nicht. Im Labor wurden neben den üblichen Laboruntersuchungen auch EEG- und EKG-Ableitungen durchgeführt. Ein Teil der Laboruntersuchungen erfolgte seit längerem in Fremdlaboren. Im Jahr 1999 traf die Verwaltungsdirektorin der Klinik die unternehmerische Entscheidung, das klinikeigene Labor zu schließen, die bisher dort durchgeführten Untersuchungen durch ein Fremdlabor vornehmen zu lassen und die EEG- und EKG-Ableitungen auf andere Kräfte zu übertragen. Am 28. September 1999 kündigte die Beklagte daraufhin den Klägerinnen nach Anhörung des Betriebsrats zum 31. März 2000. Einen Interessenausgleich hatte die Beklagte nicht versucht. Ein Sozialplan besteht nicht.

Die Klägerinnen halten die Kündigungen für sozial nicht gerechtfertigt. Sie machen geltend, Laboruntersuchungen und die sich daraus ergebenden Laborwerte seien unverzichtbar für die Behandlung der Patienten im Krankenhaus der Beklagten. Es müsse insbesondere die Feststellung getroffen werden, ob bei den Patienten ein erneuter Drogenmißbrauch stattgefunden habe. Dies geschehe durch Fremdstoffbestimmung im Urin. Soweit in der Vergangenheit Laborleistungen fremdvergeben worden seien, habe dies darauf beruht, daß die Beklagte die erforderlichen Investitionen im klinikeigenen Labor nicht mehr vorgenommen habe. Zumindest eine Weiterbeschäftigung mit den EEG- und EKG-Ableitungen hätte die Beklagte ihnen anbieten müssen. Es sei nicht ausreichend vorgetragen, daß diese Tätigkeiten auf andere Mitarbeiter hätten übertragen werden können. Auch der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört.

Jedenfalls müsse ihnen ein Nachteilsausgleich gezahlt werden. Es liege eine Betriebsänderung vor. Das Labor habe einen wesentlichen Betriebsteil dargestellt. Die Schließung des Labors sei Teil einer Konzernstrategie. Sämtliche Abteilungen des Krankenhauses hätten die Dienste des Labors in Anspruch genommen. Die Diagnose und die Behandlung der Patienten habe sich nach den im Labor ermittelten Ergebnissen gerichtet.

Die Klägerinnen haben, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt

festzustellen, daß ihr Beschäftigungsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten vom 28. September 1999 nicht aufgelöst ist;

hilfsweise:

die Beklagte zu verurteilen, ihnen als Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG eine Abfindung in Höhe von 18.830,00 DM (Klägerin zu 2) bzw. eine Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (Klägerin zu 1), zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt. Der Arbeitsplatz der Klägerinnen sei entfallen. Eine sinnvolle Weiterbeschäftigung sei auch unter Berücksichtigung von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen nicht möglich gewesen. Das Ableiten von EEGs und EKGs müsse nicht von medizinisch-technischen Assistentinnen ausgeführt werden. Das Ableiten bedeute lediglich, daß Elektroden angelegt werden müßten. Diese Tätigkeiten hätten die Klägerinnen in der Vergangenheit nur deswegen mit ausgeführt, weil die Labortätigkeit sie nicht voll ausgelastet habe. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß gehört worden.

Die Schließung des Labors könne nicht als die Stillegung eines wesentlichen Betriebsteils angesehen werden. Das hauseigene Labor sei für den Betriebszweck ohne prägende Bedeutung gewesen. Wichtig sei nur gewesen, daß die Laboruntersuchungen zeitnah durchgeführt würden, nicht aber, daß sie auch im eigenen Hause erfolgten. Sie habe auch bisher schon auf die Leistungen externer Labors zurückgreifen müssen, weil bestimmte Untersuchungen wegen fehlender Ausstattung ihres Labors im Hause nicht möglich gewesen seien. Im Gegensatz zu einer somatischen Klinik seien in ihrer Klinik nicht einmal für alle Patienten Routineuntersuchungen notwendig. Diese würden auch nicht am Aufnahmetag, sondern bis zu drei Tage später vorgenommen. Die auf Laborwerte gestützte Diagnose begleite lediglich die Therapie und bestimme sie nicht. Sie habe sich deshalb bisher darauf beschränken können, nur an zwei Tagen in der Woche derartige Labor-Routineuntersuchungen durchzuführen.

Das Arbeitsgericht hat in den erstinstanzlich noch nicht miteinander verbundenen Verfahren die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung von 9.415,00 DM an die Klägerin zu 1 und von 22.910,00 DM an die Klägerin zu 2 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Anschlußberufungen der Klägerinnen auf die Berufung der Beklagten die Klagen insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen sind durch die Kündigungen der Beklagten beendet worden. Auch einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG haben die Klägerinnen nicht.

  • Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluß an die erstinstanzlichen Urteile angenommen, die Kündigungen seien sozial gerechtfertigt. Es habe nicht die Möglichkeit bestanden, die Klägerinnen allein mit der Ableitung von EKGs und EEGs, die nur geringfügig angefallen seien und nicht ihrer Vorbildung entsprochen hätten, weiterzubeschäftigen.

    Die Schließung des Labors habe auch keine nach § 111 BetrVG sozialplanpflichtige Maßnahme dargestellt. Der reine Personalabbau betreffe dafür einen zu geringen Prozentsatz der Belegschaft. Das geschlossene Labor habe auch keinen wesentlichen Betriebsteil dargestellt. Es habe insbesondere für die reine Labortätigkeit keine zwingende Notwendigkeit bestanden, den Arbeitsprozeß des Labors mit den übrigen Arbeitsabläufen in der Klinik nahtlos zu verzahnen. Die Änderungen im Arbeitsablauf, die durch die Fremdvergabe der Laboruntersuchungen entstünden, seien lediglich marginal.

  • Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung. Die Revision rügt zu Unrecht einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG und § 113 BetrVG.

    • Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig.

      • Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ua. 7. Dezember 1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157; 20. Februar 1968 – 2 AZR 212/85 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61; 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – BAGE 92, 71) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie zB Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (zB Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen “dringend” sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Kündigung muß wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muß der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG 24. Oktober 1979 – 2 AZR 940/77 – BAGE 32, 150). Von den Arbeitsgerichten ist voll nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt; eine solche unternehmerische Entscheidung ist selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – aaO).
      • Die Voraussetzungen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses zur Kündigung liegen danach vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte die Organisationsentscheidung getroffen und durchgeführt, das betriebseigene Labor zu schließen und die bisher im Krankenhaus durchgeführten Laborarbeiten durch ein Fremdlabor erbringen zu lassen. Dadurch entfiel die Beschäftigungsmöglichkeit für die bisher im Labor tätigen medizinisch-technischen Assistentinnen, also die Klägerinnen und die weitere Vollzeitkraft. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerinnen an anderer Stelle im Krankenhaus bestand nicht, da die Beklagte unstreitig nur im Labor medizinisch-technische Assistentinnen beschäftigte. Auch eine Sozialauswahl kam nicht in Betracht, da die Beklagte allen Labormitarbeiterinnen gekündigt hat. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die Organisationsentscheidung der Beklagten etwa nicht auf Dauer getroffen oder gar als willkürlich anzusehen wäre.
      • Zu Unrecht rügt die Revision, die die Betriebsbedingtheit der Kündigung sonst nicht mit durchgreifenden rechtlichen Argumenten angreift, die Kündigungen hätten dadurch vermieden werden können, daß die Beklagte die Klägerinnen mit der Ableitung von EEGs und EKGs weiterbeschäftigt hätte. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fielen diese Tätigkeiten nur in geringem Umfang an und waren zudem nicht notwendigerweise von medizinisch-technischen Assistenten auszuführen. Es hält sich im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, nach dem Vorbringen der Beklagten, dem die Klägerinnen nicht in ausreichend substantiierter Weise entgegengetreten seien, sei davon auszugehen, daß diese Tätigkeiten ohne nennenswerte Schwierigkeiten auf die verbleibenden Mitarbeiter hätten verteilt werden können. Hinsichtlich der EKG-Ableitungen (im wesentlichen das Anlegen von Elektroden) zieht die Revision dies selbst nicht ernsthaft in Zweifel und geht von einer Geringfügigkeit der entsprechenden Tätigkeiten (bis zu sechs Stunden/Woche) aus. Unerheblich ist demgegenüber, daß die Beklagte bei der EEG-Ableitung den zeitlichen Umfang nicht näher schriftsätzlich konkretisiert hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß EEG-Ableitungen in noch erheblich geringerem Umfang als EKG-Ableitungen anfielen. Es hätte, wovon das Berufungsgericht stillschweigend ausgeht, keine der Beklagten zumutbare mildere Maßnahme gegenüber einer Kündigung dargestellt, wenn die Beklagte die bisher im Labor beschäftigten medizinisch-technischen Assistentinnen in einem derart geringen zeitlichen Umfang allein mit fachfremder Tätigkeit weiterbeschäftigt hätte. Daß die Beklagte für die verbleibenden ganz geringen Resttätigkeiten bei der Ableitung von EKGs und EEGs sinnvollerweise eine ihrer verbleibenden Mitarbeiterinnen herangezogen hat, die diese Leistungen ebenso erbringen konnte, dafür aber während der üblichen Dienstzeiten zur Verfügung stand, leuchtet ein. Es spricht nichts dafür, daß eine solche Umverteilung hier zu einer Überforderung der betreffenden Mitarbeiterin hätte führen können.
    • Auch der Betriebsrat ist nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört. Davon ist schon deshalb auszugehen, weil die Klägerinnen, nachdem die Beklagte die Einzelheiten der Betriebsratsanhörung substantiiert dargelegt hat, in den Tatsacheninstanzen keine konkreten Beanstandungen hinsichtlich der Betriebsratsanhörung mehr vorgebracht haben. Hat der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG im Detail schlüssig dargelegt, so muß der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast deutlich machen, welche der Angaben er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will. Ein pauschales Bestreiten des Arbeitnehmers ohne jede Begründung genügt dagegen nicht (BAG 16. März 2000 – 2 AZR 75/99 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179). Hier haben die Klägerinnen in der Berufungsinstanz die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung nicht hinreichend bestritten. Abgesehen davon stellt es auch nicht – wie die Revision nunmehr geltend macht – eine unvollständige Darstellung der Kündigungsgründe dar, wenn die Beklagte bei der Betriebsratsanhörung darauf hingewiesen hat, selbst die geringfügig anfallenden EKG- und EEG-Ableitungen könnten in ihrem Hause von Fremdkräften erledigt werden. Für eine bewußt unrichtige Sachdarstellung der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat in diesem Punkt enthält nicht einmal die Revisionsbegründung hinreichende Anhaltspunkte.
    • Den Klägerinnen steht auch kein Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 1 iVm. Abs. 3 BetrVG zu. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, daß die Schließung des Labors im Krankenhaus der Beklagten eine Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG dargestellt. Davon kann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgegangen werden.

      • Betrachtet man den reinen Personalabbau als Folge der Schließung des Labors, so stellt dieser keine Betriebseinschränkung dar, die nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG als Betriebsänderung gilt. Eine Betriebsänderung liegt regelmäßig nur vor, wenn eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist. Maßgebend für die erforderliche Zahl von Entlassungen ist § 17 Abs. 1 KSchG (BAG 10. Dezember 1996 – 1 AZR 290/96 – AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 32 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 34). § 112 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG führt hier zum gleichen Maßstab. Die 1,85 Vollzeitarbeitsplätze, die durch die Schließung des Labors betroffen sind, erreichen diese Zahlen und Prozentangaben bei weitem nicht.
      • Die Revision rügt auch zu Unrecht, mit dem Labor sei ein wesentlicher Betriebsteil iSv. § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG stillgelegt worden. Das Labor war kein wesentlicher Betriebsteil.

        • Die Rechtsprechung hat das Vorliegen eines wesentlichen Betriebsteils im Regelfall nur dann bejaht, wenn in dem fraglichen Betriebsteil ein erheblicher Teil der Gesamtbelegschaft beschäftigt ist. Auch dabei ist auf die Zahlenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG abgestellt worden (BAG 21. Oktober 1980 – 1 AZR 149/79 – AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 12; 6. Dezember 1988 – 1 ABR 47/87 – BAGE 60, 237; 7. August 1990 – 1 AZR 445/89 – AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 34 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 27). Geht man allein von der Zahl der im Labor der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer aus, so kann das Labor nicht als wesentlicher Betriebsteil angesehen werden, wenn dort von den ca. 200 Mitarbeitern des Krankenhauses nur drei Arbeitnehmerinnen, davon zwei in Teilzeit, beschäftigt waren.
        • Auch wenn man darüber hinaus bei der Prüfung, ob ein wesentlicher Betriebsteil vorliegt, die wirtschaftliche und sonstige Bedeutung des Betriebsteils mit berücksichtigt (vgl. BAG 19. Januar 1999 – 1 AZR 342/98 – AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 37 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 28), ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es liege kein wesentlicher Betriebsteil vor, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision rügt insoweit keine konkreten Rechtsfehler, sondern versucht nur, die durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse durch ihre eigene Bewertung zu ersetzen.

          Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (19. Januar 1999 – 1 AZR 342/98 – aaO) hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Wesentlichkeit eines Betriebsteils könne sich möglicherweise auch aus seiner Bedeutung innerhalb der Gesamtorganisation des Betriebes ergeben, ohne daß auf die Anzahl der Mitarbeiter abzustellen wäre. Es lägen jedoch weder die quantitativen, noch die qualitativen Voraussetzungen für die Annahme vor, das Labor habe einen wesentlichen Betriebsteil dargestellt. Das Labor habe keinen erheblichen Beitrag zum wirtschaftlichen Ergebnis der Beklagten geleistet. Die dort erbrachten Leistungen müßten auch nicht notwendig durch eine eigene, in die betrieblichen Abläufe des Krankenhauses integrierte betriebliche Einheit erbracht werden. Nicht ausreichend sei, daß für eine erfolgreiche Suchttherapie unter Berücksichtigung vorhandener körperlicher Beeinträchtigungen die Kenntnis von Laborwerten erforderlich sei. Es mache keinen meßbaren Unterschied, ob die bisher im Labor untersuchten Proben in einem betriebseigenen Labor abgegeben oder an ein Fremdlabor verschickt würden, um dort bearbeitet zu werden. Das Wesen oder der Charakter des Betriebes der Beklagten ändere sich nicht dadurch, daß Laboruntersuchungen nicht mehr im eigenen Hause stattfänden. Es habe auch keine zwingende Notwendigkeit bestanden, den Arbeitsprozeß des Labors mit den übrigen Arbeitsabläufen in der Klinik nahtlos zu verzahnen. Das könne allenfalls für das Ableiten von EEGs und EKGs angenommen werden. Diese Tätigkeiten seien jedoch nicht der Abteilung Labor zuzuordnen gewesen.

          Diese Ausführungen halten sich im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Die Revision gelangt zu ihrer abweichenden Beurteilung nur dadurch, daß sie davon ausgeht, jede Klinik, auch die Fachklinik der Beklagten, benötige ein Labor, um überhaupt ihren Betriebszweck ausüben zu können. Wäre dies der Fall, so könnte möglicherweise ein derartiges betriebseigenes Labor als wesentlicher Betriebsteil zu bewerten sein, wenn bei dessen Schließung der Restbetrieb nicht mehr als – vollständige – Fachklinik anzusehen wäre. Diese Annahme der Revision wird jedoch durch die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gedeckt. Wegen der speziellen Ausrichtung der Klinik waren – möglicherweise im Gegensatz zu einer somatischen Klinik – Laborwerte für die Therapie nicht so wichtig, daß sie als konstitutives Merkmal einer derartigen Fachklinik anzusehen waren. Wenn die Beklagte schon bisher die Laboruntersuchungen im Hause nur vorgenommen hat, soweit dies die Ausstattung des Labors und die Arbeitszeit der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen zuließ, und ansonsten Fremdlabore eingeschaltet hat, so waren die im Hause erledigten Laborarbeiten innerhalb der Gesamtorganisation des Betriebes nicht so bedeutsam, daß das Labor einen wesentlichen Betriebsteil des Krankenhauses iSv. § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG dargestellt hätte.

      • Mit zutreffender Begründung, gegen die die Revision keine durchgreifenden Rügen erhebt, ist das Landesarbeitsgericht – insbesondere nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme – auch davon ausgegangen, daß ein als Betriebsänderung nach § 111 Satz 1 BetrVG anzusehender Personalabbau nicht darin gesehen werden kann, daß die Beklagte aufgrund eines einheitlichen Plans die stufenweise Durchführung von Personaleinschränkungen unternehmensweit vorgesehen hätte und dadurch die nach § 17 KSchG erforderliche Belegschaftsstärke erreicht worden wäre.
      • Dem Landesarbeitsgericht ist schließlich darin zu folgen, daß die Fremdvergabe der Laborleistungen keine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation darstellt, die nach § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG als Betriebsänderung gelten würde. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die Änderungen im Arbeitsablauf, die durch die Fremdvergabe entstehen – im wesentlichen die Adressierung der Laborproben anstatt an das hauseigene Labor an das Fremdlabor – als unwesentlich anzusehen.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Eylert, Claes, Bartz

 

Fundstellen

Haufe-Index 797184

ARST 2003, 28

NZA 2002, 1304

ArztR 2003, 104

EzA-SD 2002, 14

EzA

ArbRB 2002, 354

PflR 2002, 468

BAGReport 2003, 22

NJOZ 2003, 1612

SPA 2003, 6

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