Rz. 173

Bei der Prüfung, ob die Kündigung rechtswirksam ist, sind aus Gründen der Rechtssicherheit immer die objektiven Umstände bei Ausspruch der Kündigung, d. h. bei Zugang der Kündigungserklärung zu berücksichtigen. Diese müssen die Prognose zulassen, dass dem Arbeitgeber die weitere Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (außerordentliche Kündigung) bzw. über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus (ordentliche Kündigung) nicht zuzumuten ist.[1]

Unerheblich ist die subjektive Sicht des Arbeitgebers.

 
Hinweis

Auch bei der Verdachtskündigung kommt es nicht allein auf die Perspektive des Arbeitgebers an, sondern darauf, ob der Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben von einem begründeten Verdacht ausgehen durfte.[2]

 

Rz. 174

Unerheblich können Tatsachen sein, die zu weit in der Vergangenheit liegen und sich deshalb nicht mehr negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

 

Beispiel

Weiß der Arbeitgeber schon über 2 Wochen von dem Fehlverhalten des Arbeitnehmers, kann er sich nicht mehr darauf berufen, dass die weitere Zusammenarbeit für ihn unerträglich wäre und er deshalb fristlos kündigen müsse, vgl. § 626 Abs. 2 BGB.

Hat der Arbeitgeber ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers abgemahnt, kann er deswegen ohne erneuten Verstoß keine Kündigung aussprechen.

Umstände aus der Zeit vor Vertragsschluss, die dem Arbeitgeber erst später bekannt werden, können dagegen eine Kündigung rechtfertigen, sofern sie das Arbeitsverhältnis aktuell belasten. Kündigungs- und Anfechtungsrecht stehen nebeneinander.[3]

 

Rz. 175

Unerheblich sind auf jeden Fall Ereignisse, die sich nach Zugang der Kündigung ereignen. D. h.:

 

Rz. 176

Fällt der Kündigungsgrund nach Ausspruch der Kündigung weg, bleibt die Kündigung wirksam. Der Arbeitnehmer hat aber ggf. einen Anspruch auf Wiedereinstellung.

 

Beispiel

Hatte der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung den ernsten und endgültigen Willen zur Stilllegung des Betriebs und hat er schon mit der Verwirklichung seiner Pläne angefangen, ist die betriebsbedingte Kündigung wirksam. Erhält der Arbeitgeber danach unerwartet ein Kaufangebot, sodass es zum Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB kommt, wird die Kündigung dadurch nicht rückwirkend unwirksam. Der Arbeitnehmer kann ggf. verlangen, wieder eingestellt zu werden.[4]

 

Rz. 177

War die Kündigung bei Zugang rechtsunwirksam, kommt eine Heilung der Mängel grds. nicht in Betracht. Das Arbeitsverhältnis kann nur durch eine neue Kündigung beendet werden.

 

Beispiel

War die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, aber ergibt sich später ein Kündigungsgrund, muss der Arbeitgeber erneut kündigen.

War die Kündigung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil der Arbeitgeber die Kündigung ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen hatte, führt das Nachholen der Anhörung nicht zur Heilung.

[1] Einzelheiten unter Rz. 3, 4 und 276.
[2] Einzelheiten bei Liebscher, Rz. 320 ff.
[4] Vgl. dazu Rz. 301.

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