Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. stationäre Unterbringung. Kosten für Familienheimfahrten. integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe. Erforderlichkeit im Einzelfall. Einschränkung des Ermessensspielraums des Sozialhilfeträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck der Regelungen zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff SGB XII ergibt sich, dass Beihilfen zum Zwecke des Besuches von Familienangehörigen gemäß § 54 Abs 2 SGB XII bezogen auf die Person des nach § 53 Abs 1 SGB XII Leistungsberechtigten selbst als integraler Bestandteil der den behinderten Menschen in einer stationären Einrichtung gewährten Eingliederungshilfe einzustufen sind.

2. Beihilfen nach § 54 Abs 2 SGB XII zu Gunsten der Hilfebedürftigen sind nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zuzuordnen. Insofern wird kein uneingeschränkter Ermessensspielraum zugunsten des Beklagten eröffnet.

3. Der Träger der Sozialhilfe hat die Kosten der von ihm selbst für erforderlich angesehenen Heimreisen als Beihilfe zu übernehmen, wenn sie integraler Bestandteil der Eingliederungshilfemaßnahme des Leistungsempfängers sind und keine unangemessenen Wünsche hinsichtlich des Beförderungsmittels angemeldet werden.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts

Schleswig vom 5. Oktober 2017 wird zurückgewiesen

Der Beklagte hat der Klägerin auch deren notwendige außergerichtliche

Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt weitere Leistungen der Sozialhilfe für Familienheimfahrten im Jahre 2012, deren Kosten der Beklagte unter Abzug von 15,00 EUR Eigenanteil pro Heimfahrt bzw. Monat erstattet hat. Streitig ist die Berechtigung des Beklagten, zu Lasten der Klägerin einen solchen „Eigenanteil“ in Ansatz zu bringen.

Bei der 1978 geborenen Klägerin, die seit über 20 Jahren im „B... H...“, einer stationären Einrichtung in A...-B... lebt, besteht eine geistige Behinderung - mittelschwere Intelligenzminderung (ICD-10 F71), Anpassungsstörung (ICD-10 F68.8) -. Zudem liegt eine körperliche Behinderung mit Bewegungsstörungen sowie einer Hüftdysplasie beidseits vor. Zu gesetzlichen Betreuern der Klägerin sind deren Eltern bestellt worden. Die Kosten für die vollstationäre Betreuung im „B... H...“ leistet der Beklagte als Leistung der Eingliederungshilfe. Zudem werden der Barbetrag, der monatlich an die Klägerin gezahlt wird, die Bekleidungskosten, die Kosten der Krankenversicherung der Klägerin sowie Zuzahlungen der nicht durch die Krankenversicherung gedeckten Kosten vom Beklagten übernommen. Die Klägerin wird von ihren Eltern, wohnhaft in E..., in der Regel einmal pro Monat am Wochenende nach Hause geholt. Die Kosten dafür erstattet der Beklagte mit 0,20 EUR je gefahrenem Kilometer. Je Heimfahrt (Hin- und Rückweg) werden 404 km angesetzt.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 übersandten die Eltern der Klägerin die Nachweise über insgesamt 14 durchgeführte Familienheimfahrten im Jahre 2012.

Mit Bescheid vom 21. März 2013 bewilligte der Beklagte 921,20 EUR für 14 Fahrten. Von den errechneten Gesamtkosten für 14 Familienheimfahrten (14 x 4 x 101 km x 0,20 EUR = 1.131,20 EUR) zog der Beklagte 210,00 EUR ab, wobei er 15,00 EUR Eigenanteil pro Heimfahrt in Ansatz brachte.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. April 2013 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Berücksichtigung eines Eigenanteils rechtswidrig sei. Ein Vergleich mit dem Regelbedarf gehe fehl. Die Kosten für Familienheimfahrten stellten einen weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen dar, die vom Beklagten zu erstatten seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin dergestalt ab, dass ein Eigenanteil in Höhe von 15,00 EUR lediglich einmalig pro Monat und nicht für jede gewährte Familienheimfahrt in Abzug gebracht wurde. Demzufolge wurde der Eigenanteil für das Jahr 2012 insgesamt mit 180,00 EUR statt wie bisher mit 210,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Zur Begründung der Zurückweisung hieß es im Wesentlichen, der Widerspruch der Klägerin richte sich gegen die Festsetzung des Eigenanteils in Höhe von 15,00 EUR pro Fahrt bzw. Monat. Im Rahmen der stationären Unterbringung und Betreuung sei der Klägerin neben den Leistungen für die Maßnahmekosten und der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen auch ein monatlicher Barbetrag gemäß § 27b Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), für das Jahr 2012 in Höhe von monatlich 100,98 EUR zur freien Verfügung gewährt worden. Jener Barbetrag habe in der Zielsetzung den Leistungen entsprochen, die bei der Regelbedarfsstufe für den Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse enthalten seien. Die persönlichen Bedürfnisse seien vormals gemäß § 2 Regelsatzverordnung und nunmehr unverändert gemäß § 27b SGB XII u. a. Bedürfnis...

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