0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Durch das Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze v. 18.5.2001 (BGBl. I S. 904), mit dem die Vorschriften des SGB X an die EU-Datenschutzrichtlinie angepasst wurden (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG L 281 v. 23.11.1995 S. 31), wurde § 72 nicht geändert.

Zum 25.5.2018 wurde § 72 durch Art. 24 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften v. 17.7.2017 (BGBl. I S. 2541) an die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG – Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ABl. L 119/1, redaktionell an die neuen Begriffsbestimmungen des Art. 4 DSGVO angepasst.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift dient dem besonderen Informationsbedürfnis der Sicherheitsbehörden zur rechtmäßigen Erfüllung bestimmter Aufgaben, für die diese Behörden zuständig sind. Übermittlungsberechtigt sind die Stellen nach § 35 Abs. 1 SGB I. Nicht direkt ersucht werden können somit die gleichgestellten Stellen nach § 69 Abs. 2; diese sind nur im Rahmen des § 69 gleichgestellt.

 

Rz. 3

Seit 25.5.2018 enthält weder Art. 4 Nr. 2 DSGVO noch § 67 eine Definition des Begriffs Übermittlung. Aus § 67d Abs. 1 ist jedoch zu entnehmen, welche Vorgänge der Verarbeitung Übermittlungen i. S. d. SGB X sind. Danach trägt die übermittelnde Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit "der Bekanntgabe von Sozialdaten durch ihre Weitergabe an einen Dritten oder durch Einsichtnahme oder den Abruf eines Dritten von zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltenen Daten".

Näheres zu den Begriffsbestimmungen nach Art. 4 DSGVO und § 67 kann der Komm. zu § 67 entnommen werden.

2 Rechtspraxis

2.1 Auskunftsberechtigte Stellen (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 4

Abs. 1 lässt die Übermittlung bestimmter Sozialdaten an die Behörden für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und das Bundeskriminalamt zu, soweit dies im Einzelfall zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung dieser Behörden erforderlich ist.

Durch die Worte "im Einzelfall" in Abs. 1 Satz 1 ist klargestellt, dass z. B. Rasterfahndungen, Online-Zugriffe auf Datenpools, Datenabgleiche unzulässig sind. Hierfür bietet unter bestimmten Voraussetzungen § 68 Abs. 3 seit dem 1.1.2002 eine gesetzliche Übermittlungsgrundlage.

Aus verwaltungstechnischen Gründen können Einzelfälle in einem Ersuchen gebündelt werden. Die Datenübermittlung muss jedoch für jede betroffene Person, die von dem Ersuchen erfasst wird, von erkenntnismäßigem Interesse sein.

 

Rz. 5

Die Aufzählung der Empfänger ist abschließend. So dürfen auf der Grundlage des § 72 keine Daten, z. B. an die Bundespolizei oder an andere Polizeibehörden oder an Landeskriminalämter, übermittelt werden. In diesen Fällen ist § 68 oder ggf. § 73 zu prüfen

 

Rz. 6

Behörden für Verfassungsschutz sind das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz. Deren Pflicht zur Zusammenarbeit und deren Aufgaben enthält das Bundesverfassungsschutzgesetz v. 20.12.1990 (BGBl. I S. 2954).

 

Rz. 7

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist eine Bundesoberbehörde und gehört zum Geschäftsbereich des Chefs des Bundeskanzleramtes. Zuständigkeit und Aufgabenstellung sind im BND-Gesetz geregelt.

 

Rz. 8

Die Aufgaben des Militärische Abschirmdienst (MAD) regelt das MAD-Gesetz v. 20.12.1990.

 

Rz. 9

Aufgaben und Funktionen desBundeskriminalamtesenthält das Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG) v. 7.7.1997 (BGBl. I S. 1650)

2.2 Übermittlungsumfang (Abs. 1 Satz 2)

 

Rz. 10

Die Übermittlung ist auf die in Abs. 1 Satz 2 genannten Daten beschränkt; dies sind "Angaben über Name und Vorname sowie früher geführte Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige und frühere Anschriften des Betroffenen sowie Namen und Anschriften seiner derzeitigen und früheren Arbeitgeber". Die Aufzählung ist abschließend.

Weitere Sozialdaten dürfen nicht übermittelt werden, z. B. Beschäftigungszeiträume.

2.3 Schutzwürdige Interessen

 

Rz. 11

Anders als in § 68 ist nicht zu beachten, ob schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden. Hier wird ein überwiegendes öffentliches Interesse unterstellt.

Das Erheben von Daten durch die Sicherheitsbehörden geschieht überwiegend im Geheimen und ohne Kenntnis der Betroffenen. § 83 Abs. 5 trägt dem Rechnung, indem er Auskünfte an die betroffene Person über Empfänger von Daten insoweit nur mit Zustimmung der Sicherheitsbehörden zulässt (vergl. Komm. zu § 83).

2.4 Feststellung der Erforderlichkeit (Abs. 2 Satz 1)

 

Rz. 12

Wegen der Schutzwürdigkeit der Sozialdaten und der Besonderheiten der Erhebung (vgl. Rz. 12) hat die Erforderlichkeit des Übermittlungsersuchens – anders als im Rahmen des § 68 – ein vom Leiter oder der Leiterin der ersuchenden Stelle besonders bestimmte beauftragte Person festzustellen. Diese beauftragte Person muss die Befähigung zum Richteramt haben oder die Voraus...

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