Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Arbeitslosengeld

 

Beteiligte

…, Kläger und Revisionsbeklagter

Bundesanstalt für Arbeit,Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin

Allgemeine Ortskrankenkasse Winsen/Luhe,Winsen/Luhe, Viehhallenweg 30

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. März 1987 bis zum 30. Juni 1988.

Der Kläger, geboren am 11. Juni 1923, gründete im Dezember 1979 zusammen mit seiner späteren Ehefrau die nach ihm benannte H.   -G.      Sch.       Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er war. Vom Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 100.000,-- DM hielt der Kläger zunächst 80 vH, seine spätere Ehefrau 20 vH. Ab April 1982 hielt der Kläger 20 vH des Stammkapitals; der Rest entfiel seitdem auf seine Ehefrau (zunächst 45 vH, ab Juni 1984 80 vH) und seinen Sohn (35 vH bis Juni 1984).

Nach dem Gesellschaftsvertrag war für Gesellschafterbeschlüsse eine Stimmenmehrheit von 60 vH erforderlich, wobei jeweils 1.000,-- DM des Stammkapitals eine Stimme gewährten. Für die Vornahme bestimmter Geschäfte hatte auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer die Zustimmung der anderen Gesellschafter einzuholen (zB Aufnahme und Gewährung von Darlehen, ausgenommen Kontokorrentkredite; Vornahme von Sicherungsübereignungen; Übernahme von Bürgschaften und Wechseln; Einstellung von Personal mit Gehältern über brutto 2.000,-- DM; Bestellung und Abberufung von Prokuristen). Eine Befreiung der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch war nach dem Gesellschaftsvertrag zwar möglich, doch wurde von dieser Regelung während der Geschäftsführertätigkeit des Klägers kein Gebrauch gemacht. Die Gesellschaft wurde im April 1988 zum 30. Juni 1988 aufgelöst.

Als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft wurde 1979 der Kläger bestellt. Neben dem Kläger waren bis August 1984 zeitweise noch zwei andere Personen Geschäftsführer, ua der schon erwähnte Sohn des Klägers. In dem mit der Gesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrag des Klägers ("Dienstvertrag") vom 15. November 1979 wurden ua eine tägliche (feste) Arbeitszeit des Klägers, eine Kündigungsfrist (sechs Wochen zum Quartalsende), der Urlaubsanspruch (ab 1981 jährlich 25 Arbeitstage), Gratifikationen (nach Ermessen der Gesellschaft), das Gehalt (zunächst 3.500,-- DM brutto, später tatsächlich 4.582,-- DM brutto monatlich) und sonstige Verhaltenspflichten des Klägers (zB bei Arbeitsverhinderung, über Verschwiegenheit) geregelt.

Die Gesellschaft führte von Beginn ihrer Tätigkeit an für den Kläger Beiträge zur Sozialversicherung (einschließlich solcher zur Bundesanstalt für Arbeit [BA]) ab. Im Zusammenhang damit teilte die Beigeladene mit einem - formlosen, ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen - Schreiben vom 17. November 1980 der Gesellschaft mit, auf Grund geänderter Eintragung im Handelsregister werde der Kläger ab 1. November 1980 sozialversicherungspflichtig; von diesem Zeitpunkt habe er mit einem Kapitalanteil von 49 vH naturgemäß keinen maßgeblichen Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft mehr und stehe demgemäß in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Für die Zeit davor dagegen würden die für den Kläger entrichteten Sozialversicherungsbeiträge zurückerstattet; aufgrund seiner bisherigen Kapitaleinlage habe er in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Von diesem Schreiben unterrichtete die Beigeladene das Arbeitsamt seinerzeit nicht. Die Gesellschaft führte anschließend bis zum 30. Juni 1986, dh bis zum Ende des Monats, in dem der Kläger sein 63. Lebensjahr vollendete, Beiträge zur BA an die Beigeladene ab.

Die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 30. Oktober 1986 am 28. Februar 1987. Der Kläger, der schwerbehindert ist (Grad der Behinderung ab 1981 50 vH, ab 1986 70 vH, ab 1. November 1987 80 vH), gab hierzu an, er sei insbesondere wegen seiner Schwerhörigkeit nicht mehr in der Lage gewesen, seine Tätigkeit auszuüben, da Geschäftsabschlüsse vornehmlich am Telefon getätigt würden.

Der Kläger meldete sich am 27. Februar 1987 beim Arbeitsamt Lüneburg arbeitslos und beantragte Alg. Diesen Antrag lehnte das Arbeitsamt ab, weil der Kläger nicht die nach § 104 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erforderliche Anwartschaftszeit erfülle (Bescheid vom 4. Juni 1987). Aufgrund des Widerspruchs des Klägers fragte das Arbeitsamt bei der Beigeladenen an, ob Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt seien; außerdem bat das Arbeitsamt um Stellungnahme, ob der Kläger zur Gesellschaft in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Die Beigeladene teilte daraufhin ua mit, daß sie ab 1. November 1980 ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anerkannt habe, und fügte Fotokopien des damaligen Schriftwechsels (ua eine Durchschrift des erwähnten Schreibens vom 17. November 1980) zur Information des Arbeitsamtes bei. Den Widerspruch wies das Arbeitsamt zurück, weil der Kläger nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe; an die Entscheidung der Einzugsstelle bezüglich der Beitragspflicht sei das Arbeitsamt nicht gebunden (Widerspruchsbescheid vom 3. September 1987).

Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 27. Februar 1987 bis zum 30. Juni 1988 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Urteil vom 8. Mai 1989). Nach Klagerücknahme hinsichtlich des 27. und 28. Februar 1987 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Alg für die Zeit vom 1. März 1987 bis 30. Juni 1988 an den Kläger zu zahlen und die Nachzahlung in gesetzlicher Weise zu verzinsen sei (Urteil vom 14. Mai 1991).

Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger erfülle alle Anspruchsvoraussetzungen, in Sonderheit habe er die Anwartschaftszeit erfüllt. Es brauche insoweit nicht ermittelt zu werden, ob der Kläger als Geschäftsführer abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beigeladene habe nämlich die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht nur eingezogen bzw widerspruchslos angenommen, sondern als Einzugsstelle die Beitragspflicht des Klägers in einem Verwaltungsakt für Kläger, Beklagte und Beigeladene bindend festgestellt. Denn mit dem Schreiben vom 17. November 1980 habe sie die Differenzen zwischen ihr, der Gesellschaft und dem Kläger über die Beitragspflicht beendet. Durch Übersendung des Schreibens in Kopie an die Beklagte im August 1987 sei der Bescheid auch dieser nach den §§ 37, 39 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) wirksam bekannt gemacht worden. Die Widerspruchsfrist sei im August 1988 abgelaufen, der Bescheid damit auch für die Beklagte bindend geworden. Damit sei die Erfüllung der Anwartschaftszeit aufgrund der Beitragspflicht vom 1. März 1984 bis 30. Juni 1986 zu bejahen.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 104 Abs 1, 168 Abs 1, 182 Abs 1 AFG sowie der §§ 37, 39 SGB X. Sie führt dazu im wesentlichen aus, eine wirksame Bekanntgabe einer bindenden Feststellung der Beitragspflicht durch die Einzugsstelle schließe bereits der Zeitablauf aus, zumal im Zeitpunkt der angeblichen Bekanntmachung das Leistungsverfahren begonnen habe. Träfe die Auffassung des LSG zu, müßte die Beklagte, was nicht verfahrensökonomisch wäre, während des Leistungsverfahrens ein gesondertes Verfahren gegen die Einzugsstelle anstrengen, möglicherweise also zwei Prozesse führen, um nicht an die Feststellungen der Einzugsstelle gebunden zu sein. Vielmehr sei über die Frage des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Leistungsverfahren zu entscheiden. Eine Bindung an die Feststellung der Einzugsstelle komme allenfalls in beitragsrechtlicher, nicht aber in leistungsrechtlicher Hinsicht in Betracht. Denn über die Gewährung von Leistungen entscheide der Direktor des Arbeitsamtes (§ 146 AFG), nicht die Einzugsstelle. Einen allgemeinen Grundsatz, daß immer dann, wenn verschiedene Behörden über denselben Tatbestand im Hinblick auf unterschiedliche Rechtsfolgen zu befinden hätten, die Entscheidung der einen für die andere verbindlich sei, gebe es nicht. In der Arbeitslosenversicherung seien die materiellen Anspruchsvoraussetzungen stets unabhängig von beitragsrechtlichen Entscheidungen zu prüfen. Leistungen würden daher auch dann gewährt, wenn Beiträge nicht entrichtet worden seien. Eine beitragsrechtliche Entscheidung entfalte daher keine leistungsrechtliche Wirkung. Vertrauensschutz gewähre das Gesetz insoweit nicht; eine Formalversicherung sei abgeschafft worden. Gegen eine Bindung der Arbeitsämter spreche auch, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse nach der Feststellung der Einzugsstelle möglicherweise maßgeblich änderten, ohne daß dem Rechnung getragen werde. Schließlich sei der BA beitragsrechtlich weder ein Beanstandungsrecht noch eine sonstige Kontrollmöglichkeit gegenüber den Einzugsstellen eingeräumt.

Entscheidend sei daher, ob der Kläger tatsächlich Arbeitnehmer gewesen sei. Feststellungen hierzu fehlten. Insoweit sei darauf hinzuweisen, daß der Kläger nur nominell einen unterhälftigen Kapitalanteil gehalten, tatsächlich aber seinen bestimmenden Einfluß behalten habe. Die weitgehend unentgeltliche Übertragungen seiner Anteile an seine Ehefrau bzw seinen Sohn hätten hieran ebensowenig etwas geändert wie die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Hierfür spreche auch, daß die Gesellschaft inzwischen liquidiert worden sei. Die Übertragung der Geschäftsanteile dürfte im wesentlichen dazu gedient haben, den Anschein eines Beschäftigungsverhältnisses entstehen zu lassen, um das durch den Gesundheitszustand des Klägers erhöhte Unternehmerrisiko auf die Versichertengemeinschaft abzuwälzen.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte sei an die Bestandskraft des Verwaltungsaktes der Beigeladenen gebunden. Die Beklagte habe von August 1987 bis August 1988 Zeit gehabt, alle entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln und die bis dahin fehlende Beanstandungs- bzw Kontrollmöglichkeit auszuüben, den Bescheid der Beigeladenen anzufechten und damit den Eintritt der Bindungswirkung zu verhindern. Im übrigen sei es unrichtig, daß der Kläger bis zu seinem Ausscheiden kraft seiner Sachkunde und Erfahrung weiterhin bestimmenden Einfluß auf die Gesellschaft genommen habe. Hierzu sei er schon aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen. Deshalb habe er die anderen Geschäftsführer und seine Ehefrau darauf vorbereitet, die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Auch sei die Gesellschaft nach Verlusten in den Vorjahren 1988 nur deshalb liquidiert worden, weil sich seine Ehefrau allein seiner Pflege habe widmen wollen, nachdem er an Krebs erkrankt sei.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

II

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Ob dem Kläger, wie das LSG zu dessen Hauptbegehren entschieden hat, für die Zeit vom 1. März 1987 bis 30. Juni 1988 ein Anspruch auf Alg zusteht, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.

Nach § 100 Abs 1 AFG, das hier in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften vom 6. Januar 1987 (BGBl I 89) geänderten Fassung Anwendung findet, hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat in Ermangelung zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden ist (§ 163 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), erfüllte der Kläger mit Ausnahme der Anwartschaftszeit alle Anspruchsvoraussetzungen. Ob der Kläger auch die Anwartschaftszeit erfüllte, kann aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen dagegen nicht entschieden werden.

Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (§ 104 Abs 3 AFG) und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind (§ 104 Abs 2 AFG). Die Anwartschaftszeit für den ab 1. März 1987 geltend gemachten Anspruch auf Alg hätte der Kläger daher erfüllt, wenn er in der Zeit vom 1. März 1984 bis zum 28. Februar 1987 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hätte.

Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Die Beitragspflicht ist damit die Folge einer abhängigen Beschäftigung und richtet sich nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung entwickelt haben (vgl Begründung zu § 164 Abs 1 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 91; BSGE 49, 22, 25 = SozR 4100 § 168 Nr 10). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSGE 13, 196, 201 f = SozR Nr 5 zu § 1 AVG aF; BSGE 20, 6, 8 = SozR Nr 41 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1; BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr 16). Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie das insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall ist, vollständig entfallen darf es jedoch nicht; es muß eine fremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, die Dienstleistung also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSGE 16, 289, 293 f = SozR Nr 30 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1). Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen, oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt (BSGE 13, 196, 201 f = SozR Nr 5 zu § 1 AVG aF; BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob der Geschäftsführer einer GmbH abhängig und deshalb beitragspflichtig beschäftigt ist oder nicht (vgl BSG SozR 4100 § 168 Nr 16). Er ist weder wegen seiner Organstellung (BSGE 13, 196, 200 = SozR Nr 5 zu § 1 AFG aF) noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt; denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend bleibt daher die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Diese Bindung kann nach dem Recht der GmbH in unterschiedlichster Weise geregelt werden. Neben weisungsfreien Geschäftsführern gibt es daher Geschäftsführer, die durchgehend weisungsgebunden sind; in den letztgenannten Fällen führen die Gesellschafter mit Hilfe des Weisungsrechts die Geschäfte der GmbH im wesentlichen selbst.

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt hiernach allerdings nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH hat das Bundessozialgericht (BSG) daher verneint, wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSGE 23, 83, 84 f = SozR Nr 41 zu § 537a RVO; BSG SozR Nr 30 zu § 539 RVO; BSG BB 1975, 282 = USK 74139 = Beiträge 1975, 60 = Rentenversicherung 1975, 151; BSGE 42, 1, 2 = SozR 2200 § 723 Nr 1; BSG USK 82166). Ebenso ist entschieden worden, wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügte, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5; vgl BSGE 42, 1, 2 = SozR 2200 § 723 Nr 1). Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers hierfür nicht ausreicht, kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im wesentlichen weisungsfrei ist und, wirtschaftlich gesehen, seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt (vgl BSGE 13, 196 = SozR Nr 5 zu § 1 AFG aF; BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53 = SozR 4600 § 56 Nr 1).

Ob der Kläger nach diesen Grundsätzen abhängig beschäftigt war, kann aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden. Das LSG hat zwar zum Gesellschaftsvertrag und den Stammkapitalanteilen sowie zum Inhalt des förmlichen Anstellungsvertrags des Klägers Feststellungen getroffen, denen zur Folge eine abhängige Beschäftigung des Klägers nicht ausgeschlossen ist. Es fehlen indes Feststellungen, wie sich das geschilderte Regelwerk in seinem Vollzug darstellte. Denn wenn die tatsächlichen Verhältnisse, wie die Beklagte unter Hinweis auf die Unentgeltlichkeit verschiedener Stammkapitalübertragungen und auf andere Umstände im Bezug auf die hier gegebene Familiengesellschaft plausibel geltend gemacht hat, von den vertraglichen Grundlagen wesentlich abweichen, sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend (BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5; vgl auch BSG USK 86145 = BB 1987, 406 und das nicht veröffentlichte Urteil des Senats vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -). Das LSG hat gemeint, es könne insoweit von Ermittlungen absehen, weil aufgrund des Schreibens der Beigeladenen vom 17. November 1980, das diese in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle (§ 176 AFG) an die GmbH gerichtet hat, bindend feststehe, daß die Tätigkeit des Klägers für die Gesellschaft eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung gewesen sei. Das ist indes unrichtig.

Ist die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, hat der Alg-Antragsteller also in der Rahmenfrist nicht in dem erforderlichen Umfange in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden oder eine nach § 107 AFG gleichgestellte Zeit zurückgelegt, was hier nicht festgestellt worden ist, wird die fehlende Anspruchsvoraussetzung nicht dadurch ersetzt, daß Beiträge gezahlt worden sind, die Beitragszahlung von der Einzugsstelle unbeanstandet geblieben ist oder im Einzugsverfahren die Beitragspflicht förmlich durch Verwaltungsakt von der Einzugsstelle festgestellt worden ist.

Nach § 104 AFG hängt die Erfüllung der Anwartschaftszeit von einer ihrer Art nach die Anwartschaft begründenden beitragspflichtigen Beschäftigung ab, nicht dagegen von der Entrichtung von Beiträgen. Ein Arbeitsloser, der eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung in der Rahmenfrist zurückgelegt hat, ist hiernach auch dann geschützt, wenn Beiträge zur BA nicht entrichtet worden sind (BSG SozR 4100 § 102 Nr 6; Gagel, Komm zum AFG, Stand Oktober 1991, § 104 RdNr 5; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 104 RdNr 6). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Nichtentrichtung der Beiträge auf den Arbeitslosen, seinen früheren Arbeitgeber oder eine Entscheidung der Einzugsstelle zurückzuführen ist, derzufolge keine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung vorlag. Das Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung, das schon durch die Nichtberücksichtigung beitragspflichtiger Zeiten außerhalb der Rahmenfristen vom Beitragsrecht abgekoppelt ist, ist damit auch von der Entrichtung der Beiträge und von Entscheidungen der Einzugsstellen innerhalb der Rahmenfristen unabhängig, um das Alg dem vom Gesetzgeber als schutzwürdig angesehenen Personenkreis ungeachtet von Fehlern bei der Entrichtung von Beiträgen zugute kommen zu lassen.

Zeiten, für die in der Annahme einer Beitragspflicht Beiträge entrichtet worden sind, hat das Gesetz den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nicht gleichgestellt (vgl § 107 AFG). Die Formalversicherung, die § 115 des Gesetzes über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187) für den Fall vorschriftsmäßiger, nicht vorsätzlich unrichtiger Anmeldung und unbeanstandeter Entrichtung von Beiträgen während der Zeit, für die die Beiträge entrichtet waren, vorgesehen hatte, ist schon durch das Gesetz zur Änderung des AVAVG vom 12. Oktober 1929 (RGBl I 153) wieder gestrichen worden. Hierdurch sollte erreicht werden, daß Leistungen der Arbeitslosenversicherung nur dem vom Gesetzgeber als schutzwürdig angesehenen Personenkreis zugute kommen sollten. Denn der Wegfall der Formalversicherung ist seinerzeit unter anderem damit begründet worden, daß es dem Träger der Arbeitslosenversicherung möglich sein müsse, noch im Versicherungsfalle geltend zu machen, daß der Arbeitslose nicht in versicherungspflichtiger Beschäftigung gestanden habe (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AVAVG, RT-Drucks zu IV/1311 S 19). Von der Beitragsseite abgekoppelt ist das Leistungsrecht mithin auch, wenn Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind. Der fehlerhaften Beitragsentrichtung trägt das Gesetz seit der Streichung des § 115 AVAVG durch eine inzwischen ohne Antrag von Amts wegen vorzunehmende Beitragserstattung Rechnung (vgl § 185a AFG ).

Eine Versicherung allein wegen tatsächlicher Entrichtung von Beiträgen ist dem Recht der Arbeitslosenversicherung in Deutschland seitdem fremd. Auch ein versicherungsrechtlicher Bestandsschutz zu Unrecht geleisteter Beiträge, wie er in der gesetzlichen Rentenversicherung für unbeanstandet gebliebene Beiträge zehn Jahre nach Aufrechnung der Versicherungskarten vorgesehen war (vgl § 1423 Abs 2 RVO; § 145 Abs 2 AVG) bzw nunmehr für Pflichtbeiträge vorgesehen ist, die nicht bei der nächsten Prüfung beim Arbeitgeber beanstandet worden sind und aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht mehr beanstandet werden können (§ 26 Abs 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB IV] in der seit dem 1. Januar 1989 geltenden Fassung), ist in der Arbeitslosenversicherung nicht geschaffen worden (vgl dazu BSGE 58, 154, 157 = SozR 2100 § 27 Nr 4). Die Abkoppelung des Leistungsrechts von der Beitragsseite ist erhalten geblieben. Das BSG hat daher in Übereinstimmung mit dem Schrifttum sowohl zum AVAVG als auch zum AFG stets die Ansicht vertreten, daß weder die fehlerhafte Entrichtung von Beiträgen noch die widerspruchslose Entgegennahme der Beiträge durch die Einzugsstelle die anwartschaftsbegründende Beschäftigung ersetzt (BSGE 44, 193, 197 = SozR 4100 § 118 Nr 4; BSGE 49, 22, 28 f = SozR 4100 § 168 Nr 10; SozR 4100 § 102 Nr 6, § 168 Nr 16 und SozR 3-4100 § 168 Nr 5; vgl zum AVAVG BSGE 13, 98, 101 = SozR Nr 1 zu § 75a AVAVG aF). Ersetzt die Beitragsentrichtung die beitragspflichtige abhängige Beschäftigung nicht, kann auch ein Vertrauen des Betroffenen, aufgrund der Beitragsentrichtung bzw der widerspruchslosen Entgegennahme der Beiträge durch die Einzugsstelle für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert zu sein, nicht geschützt sein (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5). Etwas anderes gilt selbst dann nicht, wenn wiederholte Prüfungen des Betriebes durch die Einzugsstelle zu keinen Beanstandungen geführt haben (BSG USK 8750 = Beiträge 1987, 237). Angesichts der klaren gesetzlichen Regelung und der Regelungsgeschichte besteht kein Anlaß, hiervon abzugehen.

Die Frage, ob etwas anderes gilt, wenn die Einzugsstelle durch Verwaltungsakt über die Beitragspflicht entschieden hatte, hat das BSG entgegen der Auffassung des LSG bislang nicht bejaht. Schon 1961 hat das BSG vielmehr darauf hingewiesen, daß eine Bindung des Versicherungsträgers an eine Entscheidung der Einzugsstelle über den Beitragsanspruch für die Arbeitslosenversicherung von geringerer Bedeutung sei als für die Rentenversicherung, weil die Leistungspflicht in der Arbeitslosenversicherung - ohne Rücksicht auf die Entrichtung von Beiträgen - auf dem Versicherungsverhältnis beruhe, während in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich die rechtswirksam entrichteten Beiträge maßgebend seien (BSGE 15, 118, 123 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO). Ausdrücklich verneint worden ist dann eine Bindung bei Ansprüchen auf Leistungen, die - wie zB das Konkursausfallgeld - nicht aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert werden (BSG SozR 4100 § 141b Nr 41). Allerdings haben bislang die für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate nicht entschieden, sondern ausdrücklich offen gelassen, ob die Arbeitsämter bei der Bewilligung von Alg an Entscheidungen der Einzugsstellen über die Beitragspflicht gebunden sind (BSGE 49, 22, 29= SozR 4100 § 168 Nr 10; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 mwN); insoweit ist lediglich darauf hingewiesen worden, daß sich eine Bindung allenfalls dann ergeben könnte, wenn der die Beitragspflicht feststellende Verwaltungsakt der Einzugsstelle der BA bekanntgegeben worden ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 mwN). Aber auch für einen solchen Fall ist die Frage zu verneinen.

Eine Bindungswirkung der Beklagten könnte allenfalls aufgrund des hier noch anwendbaren § 182 Abs 1 AFG (seit dem 1. Januar 1989: § 28h Abs 2 SGB IV) anzunehmen sein. Danach entscheidet die Einzugsstelle über die Beitragspflicht und die Beitragshöhe; sie erläßt den erforderlichen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid. Es ist hier nicht zu befinden, ob bzw unter welchen Voraussetzungen die Arbeitsämter in Beitragsfragen an durch Verwaltungsakt getroffene Entscheidungen der Einzugsstellen gebunden sind, zB wenn das Arbeitsamt über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zu entscheiden hat (§ 185a AFG), die die Einzugsstelle förmlich festgesetzt hatte. An dieser Stelle mag der Hinweis genügen, daß die Bindungswirkung der Vorschrift des § 77 SGG, der eine Bindung der Träger von Renten-und Arbeitslosenversicherung an Entscheidungen der Einzugsstellen entnommen wird, nur Platz greift, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung enthält indes § 44 Abs 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist nämlich ein Bescheid der Einzugsstelle über die Beitragspflicht, auch nachdem der Bescheid unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Vorschrift findet in der Arbeitslosenversicherung uneingeschränkt Anwendung, da hier - anders als in der Rentenversicherung - tatsächlich zu Unrecht erhobene Beiträge nicht unter bestimmten Voraussetzungen als zu Recht entrichtet gelten (vgl § 26 Abs 1 SGB IV).

Auf den Leistungsbereich der Arbeitslosenversicherung, für den den Einzugsstellen jegliche Zuständigkeit fehlt, erstrecken sich Bindungswirkungen von Verwaltungsakten von Einzugsstellen jedenfalls nicht. Das gilt, wie schon oben erwähnt, nicht nur für den Fall, daß die Einzugsstelle die Beitragspflicht zur BA zu Unrecht verneint hat, sondern auch, wenn die Beitragspflicht zu Unrecht bejaht worden ist, wie das hier gewesen sein könnte. Auch insoweit ist entscheidend, worauf schon 1961 hingewiesen worden ist, daß nicht wie im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nach Grund und Höhe rechtswirksam, dh für Zeiten der Versicherungspflicht in der richtigen Höhe rechtzeitig entrichtete Beiträge Voraussetzung für den Anspruch auf Alg sind, sondern Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist, über die Einzugsstellen nicht zu entscheiden haben (BSGE 15, 118, 123 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO; vgl zum Unterschied dieser Anspruchsvoraussetzungen auch BSGE 58, 154, 156 f = SozR 2100 § 27 Nr 4). Die gegenteilige Rechtsauffassung, von der das LSG ausgegangen ist, würde in diesen Fällen zu einer Formalversicherung führen, obwohl der Gesetzgeber eine Formalversicherung abgeschafft und von jeglichem Bestandsschutz für entrichtete Beiträge abgesehen hat, um Leistungen der Arbeitslosenversicherung auf den vom Gesetzgeber als schutzwürdig angesehenen Personenkreis zu beschränken und der BA, der kein förmliches Beanstandungsrecht gegen die Entrichtung von Beiträgen eingeräumt ist, eine Kontrolle im Versicherungsfalle zu ermöglichen. Dieses gesetzgeberische Ziel gilt aber nach wie vor.

Die Reichsregierung hat 1929 die Abschaffung der Formalversicherung ferner damit begründet, für die mit der Formalversicherung gegebene Erleichterung, dem Versicherten den Beweis der Anwartschaft zu ersparen, bestehe in der Arbeitslosenversicherung kein Bedürfnis, weil die Anwartschaftszeit nur 26 Wochen betrage und äußerstenfalls in den letzten drei Jahren liege (RT-Drucks zu IV/1311 S 19). Auch dieses Argument hat seine Aktualität nicht verloren, obwohl die Anwartschaftszeit mittlerweile 360 Kalendertage beträgt und, wenn die Anwartschaftszeit erfüllt ist, für die Dauer des Anspruchs auf Alg ua die Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb einer auf vier bzw auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist maßgebend sein kann (§ 106, § 106a AFG). Denn nach wie vor bleiben die Leistungen der Arbeitslosenversicherung von deutlich weniger langen Beitragszeiten als in der Rentenversicherung abhängig und sind nicht als Dauerleistungen konzipiert. Hinzu kommt, daß die Beweiserleichterung allenfalls in Ausnahmefällen Platz griffe. Die Einzugsstellen können zwar erforderlichenfalls Entscheidungen über die Beitragspflicht während des Einzugs treffen, im Regelfalle besteht aber zu einem solchen Verfahren keine Veranlassung. Der Arbeitgeber berechnet nämlich die Beiträge der bei ihm Beschäftigten grundsätzlich ohne Mitwirken der Einzugsstelle selbst und führt diese an die Einzugsstelle ab, die sie regelmäßig - zumindest zunächst - ungeprüft entgegennimmt. Auch Prüfungen der Arbeitgeber durch die Einzugsstelle erfolgen regelmäßig durch schlichtes Verwaltungshandeln, ohne daß es zu einer verwaltungsaktmäßigen Entscheidung der Einzugsstelle über die Beitragspflicht oder die Beitragshöhe kommt. Zu solchen Entscheidungen kommt es vielmehr nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn Hinweise und Belehrungen nicht ausreichen, Streit oder Zweifel an der Beitragspflicht der Beschäftigung einer Person beizulegen (vgl BSG USK 86145 = BB 1987, 406, 408). Eine Beweiserleichterung, zu der es nur in Ausnahmefällen kommt, ist indes völlig entbehrlich.

Die Erstreckung einer Bindungswirkung der Verwaltungsakte der Einzugsstellen über Beiträge auf den Leistungsbereich der Arbeitslosenversicherung läßt sich schließlich nicht auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stützen. Wie schon ausgeführt, ist das Vertrauen, aufgrund der Beitragsentrichtung bzw der widerspruchslosen Entgegennahme der Beiträge durch die Einzugsstelle für den Fall der Arbeitslosenversicherung versichert zu sein, nicht geschützt. Wird die Einzugsstelle nicht nur durch schlichtes Verwaltungshandeln tätig, sondern entscheidet sie über die Beitragspflicht hoheitlich durch Verwaltungsakt, hätte etwas anderes allenfalls zu gelten, wenn der Betroffene sich auf den Bestand des Bescheides auch dann verlassen könnte, wenn dieser unrichtig ist. Das ist indes, wie oben ausgeführt, nach § 44 Abs 1 SGB X nicht der Fall. Kann der Betroffene aber nicht einmal in beitragsrechtlicher Hinsicht darauf vertrauen, daß eine verwaltungsaktmäßige Entscheidung der Einzugsstelle Bestand hat, darf er erst recht nicht davon ausgehen, daß die Entscheidung über seine Heranziehung zu Beiträgen für den Fall späterer Arbeitslosigkeit maßgeblich bleibt.

Müssen gemäß § 104 AFG Leistungen auch dann gewährt werden, wenn aufgrund einer unzutreffenden Verneinung der Beitragspflicht durch die Einzugsstelle keine Beiträge entrichtet worden sind, entspricht es dem Prinzip materieller Gerechtigkeit, daß es auf die wahre Rechtslage auch dann ankommt, wenn die Beitragspflicht durch die Einzugsstelle in Form eines Verwaltungsaktes zu Unrecht bejaht worden ist. Daß das geltende Recht dem Bürger allgemein keine Möglichkeit einräumt, bei Aufnahme einer Tätigkeit bindend Gewißheit zu erlangen, durch die Tätigkeit Anwartschaftszeiten für den Fall der Arbeitslosigkeit zurückzulegen, muß unter diesen Umständen in Kauf genommen werden, zumal der Betroffene in Ermangelung entsprechender Angebote der Privatversicherung nicht geltend machen kann, er hätte bei richtiger Entscheidung der Einzugsstelle eine private Versicherung gegen Arbeitslosigkeit abgeschlossen. Damit stimmt überein, daß in der Arbeitslosenversicherung - anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung - auch nicht vorgesehen ist, daß von der BA die Feststellung verlangt werden kann, daß in zurückliegenden Zeiten ein gültiges Versicherungsverhältnis bestanden hat (§ 1423 Abs 3 RVO, § 145 Abs 3 AVG).

Dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Grundgesetz) widerspricht dieses Ergebnis nicht. Denn wenn Beiträge, die zu Unrecht entrichtet wurden, grundsätzlich nicht zu Leistungsansprüchen führen, entspricht es gerade dem Prinzip, Leistungen der sozialen Sicherung nur dem als schutzbedürftig angesehenen Personenkreis zugute kommen zu lassen. Der durch die irrtümliche Beitragsentrichtung entstandene Nachteil wird dadurch weitgehend ausgeglichen, daß die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten sind (§ 185a AFG). Die Regelung über das rechtliche Schicksal zu Unrecht entrichteter Beiträge ist hiernach sozial ausgewogen (BSG USK 8750 = Beiträge 1987, 237, 239).

Ist somit für den Anspruch auf Alg unerheblich, ob die Einzugsstelle die Beitragspflicht des Arbeitslosen durch Verwaltungsakt festgestellt hat oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob die Beigeladene mit Schreiben vom 17. November 1980, das seinerzeit nicht der Beklagten und offenbar auch nicht einem Rentenversicherungsträger mitgeteilt worden ist, eine verbindliche Regelung dahin getroffen hat, daß ab 1. November 1980 bzgl des Klägers Beitragspflicht besteht, und ob eine solche Regelung, wenn sie erfolgt sein sollte, durch Mitteilung im Rahmen der Amtshilfe (vgl § 3 ff SGB X) iS der §§ 37, 39 SGB X der Beklagten bekannt gegeben ist, wie das LSG gemeint hat (vgl dazu das nicht veröffentlichte Urteil des Senats vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -). Vielmehr ist für den geltend gemachten Anspruch auf Alg und den weiteren Anspruch auf Verzinsung, der vom Anspruch auf Alg abhängig ist, erheblich, ob der Kläger in der Rahmenfrist, 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat.

Da es, wie schon ausgeführt, insoweit an tatsächlichen Feststellungen fehlt, kann die angefochtene Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Alg und Zinsen nicht bestätigt werden. Das angefochtene Urteil des LSG ist vielmehr gemäß § 170 Abs 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, damit es die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachholen kann.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 517866

BB 1992, 2437

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