Leitsatz (amtlich)

Das Alg ruht gemäß AFG § 118 Nr 3 auch dann, wenn dem Arbeitslosen eine Rente zuerkannt worden ist, die gemäß AnVNG Art 2 § 37 Abs 2 (= ArVNG Art 2 § 38 Abs 2) als Rente wegen EU gilt.

 

Normenkette

AFG § 118 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25, § 169 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25; AnVNG Art. 2 § 37 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 38 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AFG § 169 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 22.03.1976; Aktenzeichen L 1 Ar 252/75)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.01.1975; Aktenzeichen S 3/14 Ar 60/74)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. März 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1914 geborene Kläger war von 1941 bis zum 30. Juni 1973 bei der Deutschen S AG als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Seit dem 1. April 1945 bezog er nach altem Recht eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der Angestelltenversicherung. Die Rente wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1957 umgestellt. Dem Kläger wurde die Umstellung durch die Bundespost mitgeteilt, ohne daß die Bezeichnung der umgestellten Rente vermerkt war. Einen Umstellungsbescheid erhielt er nicht. Die Rente betrug nach dem 16. Rentenanpassungsgesetz vom 1. Juli 1973 an monatlich 515,20 DM.

Am 3. September 1973 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Er legte einen Rentenbescheid über die Gewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit alten Rechts seit 1. April 1945 vor. Das Arbeitsamt bewilligte ihm Alg für 312 Wochentage. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1973 teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Arbeitsamt mit, daß die Rente des Klägers gemäß Art II § 37 Abs 2 des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes (AnVNG) als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gelte. Das Arbeitsamt hob daraufhin den Bewilligungsbescheid auf und forderte das geleistete Alg (1.804,80 DM) vom Kläger zurück (Bescheid vom 19. Dezember 1973; Widerspruchsbescheid vom 4. März 1974). Das Sozialgericht (SG) Frankfurt a.M. hat durch Urteil vom 27. Januar 1975 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das vom Kläger bereits zurückerstattete Alg von 1.804,80 DM wieder auszuzahlen und dem Kläger über den 27. Oktober 1973 hinaus Alg zu zahlen.

Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 22. März 1976 das Urteil des SG abgeändert und die angefochtenen Bescheide dahin abgeändert, daß eine Rückzahlungspflicht des Klägers nicht bestehe, soweit das für die Zeit vom 3. September 1973 bis zum 27. Oktober 1973 gezahlte Alg die Rente des Klägers übersteigt. Im übrigen hat das LSG die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten, soweit eine Rückzahlungspflicht des Klägers nicht bestehe, zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Anspruch des Klägers ruhe gemäß § 118 Nr 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) wegen des Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente. Für eine einschränkende Auslegung dahin, daß umgestellte Renten wegen Erwerbsunfähigkeit nicht von der Ruhensvorschrift des § 118 Nr 3 AFG erfaßt werden, biete das Gesetz keine Stütze. Das Gesetz weise insoweit keine Lücke auf. Es sei nicht denkbar, daß der Gesetzgeber des AFG die gemäß Art II § 37 Abs 2 AnVNG als Renten wegen Erwerbsunfähigkeit geltenden Renten übersehen habe. Auch nach dem Sinn des Gesetzes müsse die Zuerkennung einer umgestellten Erwerbsunfähigkeitsrente zum Ruhen des Alg führen. Dafür sei nach § 118 Nr 3 AFG maßgebend, daß der Empfänger von Erwerbsunfähigkeitsrente im Regelfall versicherungsmäßig versorgt sei. Dies treffe im wesentlichen auch für die umgestellten Altrenten zu. Eine Rückzahlungspflicht des Klägers sei lediglich aus § 152 Abs 1 Nr 3 AFG begründet. Die Anwendung des § 152 Abs 1 Nr 1 AFG entfalle, weil der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Leistungsgewährung und Verhalten des Empfängers nicht festzustellen sei. Die Beklagte habe aus dem ihr vorgelegten alten Rentenbescheid erkennen müssen, daß die Rente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gelte. Im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Klägers habe die Beklagte ihr in § 152 Abs 1 Satz 2 AFG eingeräumtes Ermessen nicht falsch gebraucht, indem sie von einem Verzicht auf die Rückforderung abgesehen habe.

Der Kläger hat die zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Der Gesetzgeber habe Fälle der vorliegenden Art offensichtlich übersehen. Versicherungsrechtlich seien die umgestellten Erwerbsunfähigkeitsrenten den Erwerbsunfähigkeitsrenten neuen Rechts nicht gleichwertig. Insbesondere fehlten die Merkmale des vermuteten Ausscheidens aus dem Erwerbsleben und des mit dem Altersruhegeld übereinstimmenden Satzes von 1,5 v.H. Als gleichwertig mit der Erwerbsunfähigkeitsrente neuen Rechts sei die umgestellte Rente jedenfalls dann nicht zu bewerten, wenn ihr Empfänger weiterhin berufstätig war, tatsächlich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet wurden und bei vorliegender Berufsunfähigkeit auch noch zur Zeit der Geltendmachung des Anspruchs auf Alg Verfügbarkeit iS des § 103 AFG gegeben war. Die umgestellte Rente des Klägers habe 1974 weniger als die Hälfte einer nach den Bestimmungen des neuen Rechts berechneten Erwerbsunfähigkeitsrente betragen. Schließlich spreche für die fehlende Gleichwertigkeit der umgestellten Rente mit der Erwerbsunfähigkeitsrente neuen Rechts auch die Neuregelung des Art II § 37 Abs 2 Satz 2 bis 4 AnVNG durch das Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972.

Der Kläger habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Die Rente wegen Berufsunfähigkeit alten Rechts habe die Verfügbarkeit nicht ausgeschlossen. Auch die Anwartschaftszeit sei erfüllt. Der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Wenn die Beklagte jetzt die Beitragspflicht nicht anerkenne, verstoße sie gegen ihr eigenes früheres Verhalten.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. März 1976 dahin abzuändern, daß die Berufung in vollem Umfang zurückgewiesen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 160 Abs 1 SGG zulässige Revision ist nicht begründet.

Da die Beklagte keine Revision eingelegt hat, ist im Streit nur der Anspruch des Klägers auf Zurückweisung der Berufung in vollem Umfang, dh soweit nicht das LSG die Berufung der Beklagten hinsichtlich des die Rente übersteigenden Betrages des Alg zurückgewiesen hat. Das LSG hat der Berufung mit Recht stattgegeben, soweit sie das Alg bis zur Höhe der Rente betrifft. Mit den angefochtenen Bescheiden hat das Arbeitsamt rechtmäßig in dieser Höhe das Alg entzogen und den überzahlten Betrag zurückgefordert. Ausdrücklich hat das Arbeitsamt mit Bescheid vom 19. Dezember 1973 die Entscheidung über die Bewilligung des Alg nur für die Zeit vom 3. September bis zum 27. Oktober 1973 aufgehoben. Das LSG ist aber zu Recht davon ausgegangen, daß damit die Bewilligung für die volle Bezugsdauer von 312 Wochentagen aufgehoben ist. Die Aufhebung war gemäß § 151 Abs 1 AFG rechtmäßig, denn die Voraussetzungen für die Leistung haben nicht vorgelegen. Der Alg-Anspruch hat gemäß § 118 Nr 3 AFG geruht. Dahingestellt kann bleiben, ob wegen Bezuges der Rente schon die Anwartschaftszeit gemäß § 104 AFG nicht erfüllt war, und der Kläger deshalb dem Grunde nach keinen Anspruch auf Alg hatte.

Gemäß § 118 Nr 3 AFG ruht das Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist. Die Rente des Klägers gilt gemäß Art II § 37 Abs 2 AnVNG als Erwerbsunfähigkeitsrente iS des § 30 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Für den Kläger war nach altem Recht eine Rente wegen Berufsunfähigkeit festgestellt worden, die nach Art II § 31 AnVNG umgestellt worden ist; er ist nach dem 31. Dezember 1891 geboren. Die umgestellte Rente gilt deshalb als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ist auch iS des § 118 Nr 3 AFG als eine solche Rente zu behandeln. Sie ist in dieser Bestimmung nicht ausgenommen, und Art II § 37 Abs 2 AnVNG kann nicht etwa nur als Vorschrift für die Berechnung der Rente verstanden werden - vgl BSGE 25 S 9 -. Nach § 118 Nr 3 AFG ist nicht entscheidend, ob der Arbeitslose erwerbsunfähig, sondern ob ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt ist.

Dem Kläger ist die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit "zuerkannt". Er hat zwar keinen Bescheid über die Rente mit dieser Bezeichnung nach neuem Recht erhalten. Indessen war ein solcher Bescheid nach dem Gesetz auch gar nicht vorgesehen. Gemäß Art II § 30 Abs 1 Satz 2 AnVNG war dem Berechtigten vielmehr lediglich eine Mitteilung über die Umstellung zu geben. Die Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit liegt also in der Feststellung der alten Rente im Zusammenhang mit den Umstellungsvorschriften des AnVNG.

Zutreffend hat das LSG weiter dargelegt, § 118 Nr 3 AFG enthalte insoweit auch keine Gesetzeslücke. Der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift kann für die Annahme einer Lücke nichts entnommen werden. Schon vor dem Inkrafttreten des AnVNG war der Alg-Anspruch eines Beziehers von Berufsunfähigkeitsrente alten Rechts eingeschränkt. Nach § 99 Abs 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) idF des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AVAVG vom 23. Dezember 1956 (BGBl I S 1018) ruhte der Anspruch des Alg über 156 Tage hinaus während einer Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Rente ua wegen Erreichung des 65. Lebensjahres, Invalidität oder Berufsunfähigkeit aus der Rentenversicherung der Angestellten zuerkannt war. Die Umstellung der Berufsunfähigkeitsrenten hat daran nichts geändert. Wenn 1959 die Worte Invalidität oder Berufsunfähigkeit durch Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ersetzt wurden, so kann schon durch die Einbeziehung der neuen Berufsunfähigkeitsrenten kein Zweifel daran aufkommen, daß auch die umgestellten Renten wegen Erwerbsunfähigkeit von dieser Vorschrift erfaßt wurden. Dies war auch anerkannt (vgl Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, Anm 18 zu § 87 iVm Anm 7 zu § 57). Nach dem AFG ruht das Alg nunmehr wegen Rentenbezugs nicht erst vom 156. Tage sondern vom Beginn an. Das Ruhen tritt aber nur bei Erwerbsunfähigkeits- nicht bei Berufsunfähigkeitsrenten ein. Im Hinblick auf die Vorgeschichte besteht kein Grund für die Annahme, daß der Gesetzgeber dabei die umgestellten Erwerbsunfähigkeitsrenten übersehen haben sollte.

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch folgende Überlegung: Durch Art II Nr 4 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I S 913) wurde § 183 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geändert. Der Anspruch auf Krankengeld endet seither mit dem Tage, von dem an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird (§ 183 Abs 3 RVO). Wird während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente Krankengeld gewährt, so besteht Anspruch auf Krankengeld für höchstens sechs Wochen, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 183 Abs 4 RVO). Diese Bestimmungen beruhen darauf, daß das Krankengeld wie die Erwerbsunfähigkeitsrente Lohnersatzfunktion hat und ferner, daß der Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrente eine ausreichende Sicherung erhält und keines Krankengeldes bedarf (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 396 k I und II). Im Verhältnis zum Alg trifft beides in gleicher Weise zu. Das Bundessozialgerichts (BSG) hat die Bestimmung des § 183 Abs 4 RVO in seiner Entscheidung vom 27. April 1966 - 3 RK 97/63 - (BSGE 25 S 9) auch auf Bezieher von umgestellten Erwerbsunfähigkeitsrenten angewandt. Es hat dazu ausgeführt, daß bei Erlaß des Gesetzes vom 12. Juli 1961 die Regelung des Art II § 38 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetzes (ArVNG) (= Art II § 37 Abs 2 AnVNG) schon vier Jahre bestanden hatte. Es liege nahe, daß der Gesetzgeber die Erwerbsunfähigkeitsrenten nach Art II § 38 Abs 2 des ArVNG bei § 183 Abs 4 RVO ausdrücklich ausgenommen hätte oder eine besondere Prüfung der Erwerbsfähigkeit angeordnet hätte, wenn er die als Erwerbsunfähigkeitsrenten geltenden umgestellten Renten in die neue Vorschrift des § 183 Abs 4 RVO nicht hätte einbeziehen wollen. Diese Entscheidung des BSG hat keinen Anlaß zur Änderung des Gesetzes gegeben.

Sinn und Zweck des § 118 Nr 3 AFG rechtfertigen es nicht, solche Personen von der Ruhensregelung auszunehmen, denen eine umgestellte Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt ist. Die Gründe für das Ruhen des Alg bei Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsrente neuen Rechts gelten zwar nicht vollständig aber doch im wesentlichen auch für umgestellte Erwerbsunfähigkeitsrenten. Im Regierungsentwurf des AFG ist zur Begründung für das Ruhen des Alg ausgeführt:

1.

die Erwerbsunfähigkeitsrenten seien wie das Alg dazu bestimmt, die Kosten des Lebensunterhalts zu decken;

2.

ihnen liege der gleiche Vom-Hundertsatz zugrunde wie dem Altersruhegeld;

3.

im übrigen stehe der Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrente von seltenen Ausnahmen abgesehen, der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung.

Die Bestimmung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zur Deckung der Kosten des Lebensunterhalts ergibt sich aus dem Jahresbetrag dieser Rente von 1,5 vH für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr gemäß § 31 AVG - dem gleichen Vom-Hundertsatz wie beim Altersruhegeld. Bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit mit dem Jahresbetrag von 1,0 vH geht der Gesetzgeber dagegen nicht von dieser Funktion aus. Sie führt nicht zum Ruhen des Alg.

Die umgestellten Renten wegen Erwerbsunfähigkeit sind niedriger als die Erwerbsunfähigkeitsrenten neuen Rechts. Entscheidend ist aber, daß sie als Erwerbsunfähigkeitsrenten gelten und im Verhältnis zum Alg überwiegend deren Funktion haben. Der Gesetzgeber der Rentenversicherungsneuregelungsgesetze hatte die Aufgabe, die Bestandsrenten auf das neue System umzustellen. Nach altem Recht gab es neben den von der Vollendung des 65. Lebensjahres an zu gewährenden Leistungen in der Arbeiter-Rentenversicherung die Invalidenrente und in der Angestelltenversicherung die Berufsunfähigkeits-Rente. Als berufsunfähig galt der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (§ 27 AVG aF).

Weder aus der Zubilligung einer Invalidenrente noch aus der Zubilligung einer Berufsunfähigkeitsrente ließ sich erkennen, ob der Empfänger berufsunfähig oder erwerbsunfähig iS des neuen Rechts war. Allgemein war bei der Umstellung der alten Renten auf das neue System angestrebt, daß die Bestandsrenten im Grundsatz und im großen Durchschnitt aller Versicherten den Renten nach neuem Recht entsprechen sollten (Brackmann aaO S 710 a). Für die umgestellte Erwerbsunfähigkeitsrente hatte der Gesetzgeber einen mittleren Umstellungsfaktor von 1,3 vH - zwischen 1,5 vH bei Erwerbsunfähigkeitsrenten und 1,0 vH bei Berufsunfähigkeitsrenten - gewählt. Diese vereinheitlichende Regelung mußte getroffen werden, um die Umstellung praktisch durchführen zu können. Bei Prüfung in jedem Einzelfall, ob bei den Empfängern von Invalidenrente oder von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit iS des § 27 AVG aF Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit iS des neuen Rechts vorlag, wäre die Überführung der Altrentner in das neue Recht in absehbarer Zeit nicht möglich gewesen. Deshalb hat der Gesetzgeber alle Altrenten, wenn die Bezieher noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht hatten, nach einem Satz umgestellt, der näher an der Erwerbsunfähigkeitsrente als an der Berufsunfähigkeitsrente neuen Rechts liegt. Die im Regierungsentwurf zu § 118 Nr 3 AFG genannte Vermutung der fehlenden Verfügbarkeit ist schon nach der amtlichen Begründung selbst nur ein ergänzender aber kein tragender Grund für die Vorschrift.

Die Anwendung der Vorschrift des § 118 Nr 3 AFG auf umgestellte Erwerbsunfähigkeitsrenten erweist sich schließlich als bedenkenfrei im Hinblick auf die Bestimmung des §169 Nr 3 AFG. Danach sind Arbeitnehmer während der Zeit, für die ihnen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist, in der Arbeitslosenversicherung beitragsfrei. Diese Beitragsfreiheit, die bis zum 1. Januar 1957 auch für die Berufsunfähigkeitsrenten alten Rechts galt, wurde stets auch für umgestellte Erwerbsunfähigkeitsrenten angenommen (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, aaO, Anm 7 zu § 57 AVAVG). Wenn das Arbeitsamt trotzdem die Arbeitslosenversicherungsbeiträge des Klägers entgegengenommen hat, so läßt sich daraus nicht herleiten, daß die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg vorgelegen haben und der Eintritt des Ruhens nach § 118 Nr 3 AFG oder die Berufung der Beklagten darauf nicht gerechtfertigt ist. Die Anwartschaftszeit für das Alg wird nicht durch die Zahlung der Beiträge sondern gemäß § 104 AFG durch die Ausübung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung erfüllt.

Der Anspruch auf Rückzahlung des Alg bis zur Höhe der Rente des Klägers ergibt sich aus § 152 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG. Schließlich sind die angefochtenen Bescheide auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Arbeitsamt nicht ganz oder teilweise auf die Rückforderung verzichtet hat (§ 152 Abs 1 Satz 2 AFG). Das LSG ist auf Grund seiner unangegriffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gekommen, daß die Rückforderung mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vertretbar war. Dabei hat das LSG den Begriff der Vertretbarkeit in diesem Sinne nicht verkannt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 193

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