Leitsatz (redaktionell)

1. Daraus, daß der Geschäftsführer einer GmbH in manchen Rechtsbeziehungen nicht als Arbeitnehmer behandelt wird, kann noch nicht gefolgert werden, daß er auch im Sozialversicherungsrecht nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Vielmehr ist die Frage, ob der Geschäftsführer in einem freien Dienstverhältnis oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft steht, nach dem Anstellungsvertrag, erforderlichenfalls unter Heranziehung der näheren Umstände seiner Tätigkeit, zu beurteilen.

2. Kann der Geschäftsführer vermöge seiner Kapitalbeteiligung sowohl einen entscheidenden Einfluß auf Abschluß und Gestaltung seines Anstellungsvertrages ausüben als auch verhindern, daß Weisungen iS eines Direktionsrechts, die ihm nicht genehm sind, erteilt werden, so liegt keinesfalls ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Berliner Recht, durch das nach dem 1945-05-08 früheres Reichsrecht abgeändert worden ist, ist nicht partielles Bundesrecht im Sinne von GG Art 125 Nr 2 geworden.

2. SVAnpG BE § 9 Abs 1 Nr 1 ist nicht revisibel.

3. Verweist Landesrecht zum Zwecke der Angleichung dergestalt auf Bundesrecht, daß es für einzelne Fragen Sonderregelungen trifft, so sind die Vorschriften, auf die verwiesen ist, revisibel, soweit nicht landesrechtliche Sonderregelungen vorliegen.

4. RVÜlG § 1 iVm AVG aF § 1 Abs 1 Nr 1 ist somit revisibel.

5. Die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH versicherungspflichtig beschäftigt ist, richtet sich nach seinem Dienstvertrag. Unterliegt er nach diesem keinem eine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht der Gesellschafter oder gegebenenfalls des Aufsichtsrats, so ist er nicht versicherungspflichtig beschäftigt, auch wenn er am Stammkapital der GmbH nur geringfügig beteiligt ist.

 

Normenkette

GG Art. 125 Nr. 2 Fassung: 1949-05-23; SGG § 162 Fassung: 1953-09-03; AVG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1945-03-17, § 165b Fassung: 1945-03-17; BGB § 611; SVAnpG BE § 9 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1950-12-03; RVÜblG BE § 1

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 25. November 1955 und des Sozialgerichts Berlin vom 14. März 1955 aufgehoben, soweit sie die Versicherungspflicht des beigeladenen Geschäftsführers J in der Angestelltenversicherung für die Zeit vom 1. April 1952 bis 31. Mai 1952 betreffen. Die Beitragsbescheide der Beklagten vom 9. Juli und 1. August 1952 werden aufgehoben, soweit sie die Entrichtung der Beiträge für den beigeladenen Geschäftsführer J in der Angestelltenversicherung für die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1952 betreffen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Beigeladene J. war bis zu seinem Tode (1957) der alleinige Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung. An ihrem Stammkapital in Höhe von 20.000,- DM war er mit 1.000,- DM beteiligt; nach dem Vortrag der Klägerin war er ferner ihr Hauptgläubiger, dessen Guthabenkonto bei der Klägerin in der Zeit von 1951 bis 1953 von rund 59.000,- DM auf über 106.000,- DM gestiegen war. In dem Anstellungsvertrag des Beigeladenen vom 10. August 1951 war bestimmt, daß er seine gesamt Arbeitskraft und sein ganzes Wissen ausschließlich in den Dienst der Klägerin zu stellen hatte. Er war verpflichtet, die Satzung der Klägerin und die besonderen Geschäftsanweisungen auf Grund von Gesellschaftsbeschlüssen zu beachten.

Als Vergütung stand Geschäftsführer J. eine Umsatzbeteiligung von 10% zu, wobei vorausgesetzt war, daß der Gesellschaft bei dem jeweiligen Geschäft ein Mindestbruttogewinn von 20% des Umsatzes verblieb; wurde dieser Mindestbruttogewinn bei einem Geschäft nicht erreicht, so verringerte sich die Beteiligung des Geschäftsführers entsprechend. Von der Umsatzbeteiligung des Geschäftsführers wurden 4/5 einem Konto gutgeschrieben, über das er frei verfügen konnte. Den Rest behielt die Klägerin ein, er sollte zur Finanzierung einer Betriebspension in Höhe von 1/3 seiner bisherigen Vergütung - sowie einer auf ein Jahr befristeten Hinterbliebenenversorgung - für den Fall mitverwendet werden, daß J. infolge Arbeitsunfähigkeit oder Erreichung des 65. Lebensjahres aus dem Dienst der Klägerin ausschied.

Die Versicherungsanstalt Berlin, die Rechtsvorgängerin der beklagten Krankenkasse, stellte diesen Sachverhalt anläßlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin fest. Sie sah Geschäftsführer J. als abhängig beschäftigt und deshalb als versicherungspflichtig an und forderte von der Klägerin Zahlung der noch nicht verjährten Beiträge, nämlich für die Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Mai 1952 in Höhe von 3.515,- DM (Bescheide vom 9. Juli und 1. August 1952).

Die Beschwerde der Klägerin wurde vom Beschwerdeausschuß der Krankenversicherungsanstalt Berlin zurückgewiesen (Entscheidung vom 7. Juli 1933). Die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde beim Bezirksberufungsausschuß des Sozialversicherungsamts Berlin ist als Klage auf das Sozialgericht (SG) übergegangen (§ 218 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. März 1955).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 25. November 1955). Nach seiner Auffassung ist Geschäftsführer J. in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Mai 1952 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Versicherungspflicht des Beigeladenen ergebe sich aus der Satzung der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) und ab Januar 1951 aus § 9 des Gesetzes zur Anpassung des Rechts der Sozialversicherung in Berlin an das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht vom 3. Dezember 1950 - BSVAG - (VOBl I 542). Die Umsatzbeteiligung sei Entgelt im Sinne des § 160 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis leitender Angestellter sei auch bei Gewinn- und Verlustbeteiligung nicht ausgeschlossen.

Ein Merkmal für das Vorliegen eines echten Arbeitsverhältnisses sei darin zu sehen, daß die Gehaltszahlungen im Lohnbuch der Klägerin eingetragen worden seien. Weder aus der Satzung noch aus dem Anstellungsvertrag seien Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf die persönliche Unabhängigkeit des Beigeladenen hindeuteten. Wenn es auch richtig sei, daß die Gesellschafter dem Beigeladenen am 17. August 1951 in einem Schreiben bestätigt hätten, er dürfe nach wie vor Rechtsgeschäfte mit sich selbst abschließen, so sei durch diese Abrede weder der Gesellschaftsvertrag noch der Anstellungsvertrag geändert worden. Nach § 4 des Anstellungsvertrages seien nämlich mündliche oder anderweitig getroffene Vereinbarungen, die in dem Anstellungsvertrag nicht bestätigt werden, ungültig. Maßgeblich könne demnach nur sein, was nach außen hin erkennbar sei, nämlich der Dienstvertrag, die Satzung der Klägerin und die Eintragungen im Handelsregister. Der Beigeladene sei beim Abschluß bestimmter Geschäfte in erheblichem Maße an Weisungen gebunden gewesen. Wenn es auch möglich sei, daß der Beigeladene trotz seines kleinen Stimmrechts als Gesellschafter mittelbar die Willensbildung der Gesellschaft maßgeblich beeinflußt habe, weil er als Hauptgläubiger der Gesellschaft auf sie einen Druck habe ausüben können und auch einmal ausgeübt habe, so könne es doch darauf nicht ankommen da nur rechtlich begründeter und nicht wirtschaftlich ausgerichteter Einfluß für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebend sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, daß für den beigeladenen Geschäftsführer J. keine Versicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Mai 1952 zu entrichten sind.

Die Klägerin rügt die Verletzung des § 10 der Satzung der VAB, des § 9 BSVAG und des § 69 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Arbeitslosenversicherung in Berlin vom 28. Dezember 1950. Soweit eine Verletzung des § 10 der Satzung der VAB gerügt werde, folge das Recht auf Nachprüfung dieser Bestimmung aus Art. 125 des Grundgesetzes (GG). Wenn auch das GG in Berlin noch nicht wirksam sei, so komme doch eine sinngemäße Anwendung des Art. 125 GG in Betracht.

Auch § 9 BSVAG sei revisibel. Die Vorschriften des § 9 BSVAG und der §§ 165, 165 a, 165 b RVO stimmten zwar nicht wörtlich überein; es sei jedoch eine weitgehende inhaltliche Angleichung herbeigeführt worden.

§ 69 AVAVG gelte in Berlin nicht als Bundesrecht, sondern auf Grund von § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Arbeitslosenversicherung in Berlin. Wenn in der Berliner Fassung nur von Arbeitnehmern und nicht von Arbeitern und Angestellten gesprochen werde, so bedeute dies nur, daß die Berliner Fassung den Oberbegriff gewählt habe.

Weiterhin rügt die Klägerin Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG), weil das LSG die von der Klägerin benannten Zeugen zur Frage des tatsächlichen Einflusses des Beigeladenen J. auf die Willensbildung der Klägerin nicht vernommen habe. Wenn diese Zeugen gehört worden wären, so wäre die tatsächliche Einflußnahme des Geschäftsführers nachgewiesen worden. Das Gericht hätte dann die Machtposition des Beigeladenen J. nicht zu unterstellen brauchen. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht liege auch darin, daß das Berufungsgericht über die Befreiung des Beigeladenen J. von den Vorschriften des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) keinen Beweis erhoben habe. Der Nachweis dieser Tatsache hätte nach Ansicht der Klägerin im Zusammenhang mit einer sachgemäßen Auslegung der sonstigen Bestimmungen zu einer anderen Schlußfolgerung führen müssen. In diesem Falle wäre die Unabhängigkeit des Gesellschafters und Geschäftsführers J. durch den Nachweis der Befreiung von § 181 BGB wesentlich unterstrichen worden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist ebenfalls der Meinung, die Normen, deren Verletzung von der Klägerin gerügt werde, seien revisibel; sie hält aber die Revision für unbegründet.

II

1. Die verfahrensrechtlichen Rügen der Revision greifen nicht durch. Die von der Klägerin für wesentlich und deshalb für aufklärungsbedürftig erachteten Sachumstände - die Stellung des verstorbenen Beigeladenen J. als eines Hauptgläubigers der klagenden Gesellschaft sowie seine Befreiung von dem Verbot des Kontrahierens mit sich selbst (§ 181 BGB) - waren nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG unerheblich. Diese Rechtsauffassung ist aber für die Frage, in welcher Richtung der Sachverhalt aufzuklären war, allein maßgebend (BSG, Beschluß vom 7. Juni 1956 in SozR SGG § 103 Bl. Da 2 Nr. 7). Das LSG konnte daher die Richtigkeit der von der Revision zur Begründung ihrer Verfahrensrügen vorgetragenen Behauptungen dahinstehen lassen, ohne gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) zu verstoßen.

2. Hingegen erweist sich die Revision insoweit als begründet, als es sich um die Anwendung revisiblen Berliner Rechts handelt.

Zum größten Teil allerdings beruht die angefochtene Entscheidung des LSG auf irrevisiblem Recht. Soweit es sich um die noch durch § 10 der VAB-Satzung geregelte Zeit (1. Januar bis 31. Dezember 1950) handelt, liegt spezifisches Berliner Recht vor, das mit seinen Vorschriften über die "Vollversicherung", die "Krankenversicherung" und die "Rentenversicherung" auch nicht inhaltlich mit dem Recht im Bezirk eines anderen LSG übereinstimmt (vgl. Urteil des BSG vom 29. Oktober 1956 - 1 RA 45/56 -, Breithaupt 1957, 228). § 10 der VAB-Satzung ist auch nicht - entgegen der Auffassung der Revision - partielles Bundesrecht im Sinne des Art. 125 Nr. 2 GG geworden. Nach Art. 23 Satz 1 i. V. m. Art. 144 Abs. 1 GG gilt das Grundgesetz zwar auch für Groß-Berlin. Durch Vorbehalte der Besatzungsmächte ist aber die Geltung das GG in Berlin einstweilen auf bestimmten Gebieten beschränkt worden (vgl. dazu im einzelnen BVerfG 1, 70, 71 ff und 7, 1, 7 ff). Da Berlin nach dem Vorbehalt der Besatzungsmächte zum GG vom Bunde nicht "regiert" ("governed") werden darf, erstreckt sich insbesondere der "Gesetzesbefehl" des Bundesgesetzgebers nicht auf das Land Berlin (BVerfG 7, 13). Es bedarf zur Einführung von Bundesrecht in Berlin vielmehr eines förmlichen Gesetzgebungsaktes durch den Berliner Gesetzgeber. Umgekehrt ist die Umwandlung von Berliner Recht in Bundesrecht auf dem Wege des Art. 125 Nr. 2 GG überhaupt nicht möglich; denn diese Regelung setzt, wie die Beschränkung auf "Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft", zeigt, das gleichzeitige Bestehen der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern voraus, gegebenenfalls mit der sich für die Länder aus Art. 72 Abs. 1 GG ergebenden Sperrwirkung. Ein solches Ineinandergreifen der Gesetzgebungskompetenzen ist aber gerade im Land Berlin derzeit ausgeschlossen, so daß auch die Regelung des Art. 125 Nr. 2 GG auf Berliner Recht, das früheres Reichsrecht nach dem 8. Mai 1945 abgeändert hat, nicht anwendbar ist. Anderenfalls hätte im übrigen der Berliner Gesetzgeber auch nicht die Satzung der VAB - wäre sie nämlich partielles Bundesrecht geworden - in eigener Zuständigkeit abändern können, wie es durch das BSVAG geschehen ist.

Auch dieses Gesetz ist mit den im vorliegenden Streitfall zur Anwendung kommenden Vorschriften nicht revisibel. Revisibilität läge nur dann vor, wenn die anzuwendende Norm des Berliner Rechts "bewußt und gewollt" zum Zwecke der Vereinheitlichung des Rechts mit einer außerhalb Berlins im Bundesgebiet geltenden Norm übereinstimmen würde (vgl. BSG 10, 21, 25 und BSG 2, 106, 110 mit weiteren Nachweisen). Eine solche Inhaltsgleichheit der Normen besteht für § 9 Abs. 2 Satz 3 BSVAG, wie der erkennende Senat (BSG 10, 25) bereits ausgeführt hat. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BSVAG geht jedoch für die Versicherungspflicht von einem Begriff - dem der "unselbständig Beschäftigten" - aus, der weder dem Wortlaut noch dem Inhalt nach mit einer entsprechenden, im Bundesgebiet außerhalb Berlins geltenden Norm übereinstimmt. Das Bundesrecht verwendet die Begriffe "Arbeiter" und "Angestellte" (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO aF, §§ 1226 RVO, 1 AVG idF der Ersten VereinfachVO vom 17. März 1945), die zwar von dem Oberbegriff der "unselbständig Beschäftigten" i. S. der Berliner Norm umfaßt werden, andererseits aber bedeutsame Elemente der Differenzierung enthalten, über die § 9 Abs. 1 Nr. 1 BSVAG nichts aussagt. Diese Norm ist somit irrevisibel, die auf sie gestützte Entscheidung des LSG über die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Krankenversicherung (1.1.1951 bis 31.5.1952) und in der Angestelltenversicherung (1.1.1951 bis 31.3.1952) für das Bundessozialgericht (BSG) daher nicht nachprüfbar.

Das gleiche gilt für die Frage der Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Arbeitslosenversicherung. Für den im vorliegenden Rechtsstreit in Betracht kommenden Zeitraum sind für die Frage der Versicherungspflicht maßgebend:

a) vom 1. Januar bis 28. April 1950:

§ 19 des Gesetzes über die Regelung der Arbeitslosenunterstützung in Groß-Berlin vom 25. April 1949 (VOBl I, 145);

b) vom 29. April bis 31. Dezember 1950:

§ 19 des vorgenannten Gesetzes idF des Gesetzes über die Änderung des Gesetzes über die Regelung der Arbeitslosenunterstützung in Groß-Berlin vom 13. März 1950 (VOBl I, 137) i. V. m. § 69 AVAVG idF vom 12. Oktober 1929 (RGBl I, 162);

c) vom 1. Januar 1951 bis 31. Mai 1952:

§ 69 AVAVG idF des § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Arbeitslosenversicherung in Berlin vom 28. Dezember 1950 (VOBl I, 566).

Nach diesen Vorschriften waren in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig Personen, die als Arbeitnehmer für den Fall der Krankheit pflichtversichert waren. Die somit auch für die Arbeitslosenversicherung maßgebenden Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sind aber, wie schon dargelegt, nicht revisibel (vgl. zu der ähnlichen Frage der Revisibilität des § 69 AVAVG idF des Ersten Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Arbeitslosenversicherung in Berlin vom 26. Februar 1953 - SVBl, 150 - Urteil des BSG vom 13. Juli 1956 in SozR SGG § 162 Bl. Da 19 Nr. 71).

Revisibles Landesrecht kommt im vorliegenden Streitfall nur zur Anwendung, soweit es sich um die Versicherungspflicht des Beigeladenen J. in der Angestelltenversicherung vom 1. April bis 31. Mai 1952 handelt. Vom 1. April 1952 an wurde im Lande Berlin die Rentenversicherung wieder getrennt als Invalidenversicherung und Angestelltenversicherung durchgeführt. Nach § 1 des Gesetzes zur Überleitung der Berliner Rentenversicherung auf das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht und über Änderungen in der Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung ( RVÜG ) vom 10. Juli 1952 (GVBl, 588) sollten in Berlin die Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes idF der Ersten VereinfachungsVO vom 17. März 1945 (AVG aF) Anwendung finden, soweit das RVÜG nichts anderes vorschreibt. Damit war, soweit es sich um die Versicherungspflicht handelt, auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 AVG aF verwiesen, wonach "Angestellte (§ 165 b der Reichsversicherungsordnung)" versicherungspflichtig waren. Diese Übereinstimmung des Berliner Rechts mit dem Bundesrecht war, wie schon die Überschrift des RVÜG klar erkennen läßt, "bewußt und gewollt". § 1 RVÜG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AVG aF stellt somit revisibles Recht dar.

Der Revisibilität dieser Norm steht nicht entgegen, daß das Berliner Recht bestimmte Fragen der Versicherungspflicht und -freiheit für eine Übergangszeit abweichend vom Bundesrecht geregelt hat (vgl. §§ 18 ff RVÜG ). So bestand in Berlin während des hier in Betracht kommenden Zeitraumes keine Begrenzung der Versicherungspflicht für Angestellte durch eine Jahresarbeitsverdienstgrenze (§ 18 RVÜ G). Die Revisibilität des Landesrechts hängt jedoch nicht davon ab, daß Inhaltsgleichheit mit außerhalb des Landes gültigem Recht für größere, in sich abgeschlossene Rechtsgebiete besteht. Vielmehr genügt es, daß die einzelne Regelung für sich genommen die gewollte Übereinstimmung mit der anderen Norm - insbesondere in dem hier gegebenen Fall einer Verweisung auf Bundesrecht - aufweist, mögen auch hiermit zusammenhängende Fragen, die aber nicht Gegenstand der fraglichen Regelung sind, anders behandelt sein. Verweist Landesrecht zum Zwecke der Angleichung auf Bundesrecht dergestalt, daß es für einzelne Rechtsfragen Sonderregelungen trifft, so sind diejenigen Vorschriften, auf die verwiesen wird, revisibel, soweit nicht landesrechtliche Sonderreglungen vorliegen. § 1 RVÜG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AVG aF ist somit revisibel.

Soweit im vorliegenden Rechtsstreit diese Vorschrift zur Anwendung kommt - Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung vom 1. April bis 31. Mai 1952 -, ist die Revision auch begründet.

Entgegen der Rechtsauffassung des LSG war der Beigeladene J. nicht als "Angestellter in leitender Stellung" anzusehen (§ 1 RVÜG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AVG aF; § 165 b Abs. 1 Nr. 1 RVO). Auch ein Angestellter in leitender Stellung, der also selbst weisungsberechtigt ist, steht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Dieses ist nach der feststehenden Rechtsprechung des erkennenden Senats durch das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit gekennzeichnet. Sie ist bei Beschäftigung in einem Betrieb gegeben, wenn der entgeltliche Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert und damit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist (BSG 8, 278, 282; 10, 41, 44 ff; 11, 257, 259 ff, Urteil vom 28. Oktober 1960 in SozR RVO § 165 Bl. Aa 20 Nr. 20).

Die Feststellung, ob in diesem Sinne persönliche Abhängigkeit vorliegt, stößt bei dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) auf besondere Schwierigkeiten, weil er sowohl eine gesellschaftsrechtliche als auch eine durch seinen Dienstvertrag bestimmte Rechtsstellung innehat. Auf der einen Seite hat er eine gesellschaftsrechtliche Organstellung, die ihm durch die Bestellung zum Geschäftsführer - sei es im Gesellschaftsvertrag, sei es durch Beschluß der Gesellschafter (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2, § 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz) - verliehen wird. In dieser Eigenschaft vertritt er die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz). Er ist der "konkrete Prinzipal" (RGZ 120, 300, 303) und übt das Weisungsrecht des Arbeitgebers und seine sonstigen Funktionen aus; er "repräsentiert ihn" (BGHZ 12, 1, 8).

Aus dieser - bei Beschäftigung von Arbeitnehmern gegebenen - Arbeitgeberfunktion der Geschäftsführer hat die Gesetzgebung eine Reihe von Folgerungen gezogen. Im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Oktober 1952 (BGBl I, 681) gelten sie nicht als Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 2 Buchst. a). Sie genießen nach § 12 Buchst. a des Kündigungsschutzgesetzes vom 10. August 1951 (BGBl I, 499) keinen Schutz gegenüber sozial ungerechtfertigter Kündigung. Sie gelten nicht als Arbeitnehmer i. S. der Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 - RGBl I, 447 (§ 1 Abs. 2 Nr. 1), des Schwerbeschädigtengesetzes vom 16. Juni 1953 - BGBl I, 389 - (§ 2 Abs. 2 Buchst. b) und des Arbeitsgerichtsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 3); sie können zu Arbeitsrichtern und Sozialrichtern "aus Kreisen der Arbeitgeber" (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, § 16 Abs. 4 Nr. 2 SGG) berufen werden. Indessen kann daraus, daß der Geschäftsführer einer GmbH in manchen Rechtsbeziehungen nicht als Arbeitnehmer behandelt wird, noch nicht gefolgert werden, daß er auch über diese speziellen Regelungen hinaus, insbesondere im Sozialversicherungsrecht, nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Das geht schon daraus hervor, daß eine Reihe der vorgenannten Rechtsfolgen auch leitenden Angestellten zuerkannt wird, - obwohl diese unbestritten abhängig beschäftigt sind.

Kann somit aus der Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen allein noch nicht auf die Selbständigkeit des GmbH-Geschäftsführers geschlossen werden, so entscheidet sich die Frage, ob er abhängig beschäftigt ist, letztlich nach seinem Anstellungsverhältnis, das von der gesellschaftsrechtlichen Stellung als Geschäftsführer zu unterscheiden ist. Abgesehen von den seltenen Fällen, in denen ein Geschäftsführer für die Gesellschaft unentgeltlich - regelmäßig auf Grund eines Auftrags (§ 662 ff BGB) - tätig ist, besteht zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer ein Dienstvertrag, der eine entgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611 ff, 675 BGB). Das ist auch in der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) anerkannt, und zwar uneingeschränkt für den - auch hier - vorliegenden Fall, daß der Geschäftsführer nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung zum Geschäftsführer bestellt worden ist (Grunds.Entsch. Nr. 4064 in AN 1931, 202 und Nr. 5229 in AN 1938, 384; vgl. ferner Scholz, GmbH-Gesetz 2. Aufl. § 35 Anm. 10; Dersch in Recht der Arbeit 1951, 212; Kunkel in GmbH-Rundschau 1954, 22; a. M. Hachenberg, GmbH-Gesetz 6. Aufl. Bd. II § 35 Anm. 44, der Bestellung zum Geschäftsführer und Abschluß des Anstellungsvertrages in einen "Geschäftsführervertrag" zusammenfallen läßt, für den aber die Vorschriften über den Dienstvertrag und die entgeltliche Geschäftsbesorgung, gegebenenfalls den Auftrag, sinngemäß gelten sollen; der praktische Unterschied gegenüber der herrschenden Lehre ist gering).

Da dieses Dienstverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft auch ein - die Versicherungspflicht auslösendes - abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt, ist vom RVA (vgl. die genannten Entscheidungen) im wesentlichen danach beurteilt worden, ob der Geschäftsführer als Mitgesellschafter einen maßgebenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat. Dieser wiederum wurde an seiner Kapitalbeteiligung an der GmbH gemessen. Wenn er weniger als die Hälfte der Geschäftsanteile der GmbH - oder, falls es nach dem Gesellschaftsvertrag zur Beschlußfassung einer qualifizierten Mehrheit bedurfte, weniger als den der Ausübung der Sperrminorität erforderlichen Anteil der Geschäftsanteile (EuM Bd. 40, 372) - besaß, wurde er regelmäßig als unselbständig beschäftigt und demzufolge versicherungspflichtig angesehen. Soweit diese Rechtsprechung aus der entsprechenden Beteiligung am Stammkapital und dem hierdurch begründeten beherrschenden Einfluß des Gesellschafter-Geschäftsführers gefolgert hat, daß er selbständig beschäftigt ist, kann ihr unbedenklich gefolgt werden. Der Gesellschafter kann bei seiner eigenen Bestellung zum Geschäftsführer mitwirken; der Ausschluß vom Stimmrecht nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbH-Gesetz berührt diese Beschlußfassung nicht, da es sich hierbei um einen Organisationsakt innerhalb der Gesellschaft, nicht aber um ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten handelt, der gleichzeitig Gesellschafter ist (Hachenburg aaO § 47 Anm. 22; Scholz aaO § 6 Anm. 7, § 47 Anm. 19). Wegen des inneren Zusammenhangs der Bestellung zum Geschäftsführer mit dem Anstellungsvertrag kann der begünstigte Gesellschafter auch bei der Beschlußfassung über den mit ihm abzuschließenden Dienstvertrag mitwirken (RGZ 74, 276, 279 f; BGHZ 18, 205, 210 f mit weiteren Nachweisen; Hachenburg aaO § 47 Anm. 22). Kann aber ein Gesellschafter vermöge seiner Kapitalbeteiligung sowohl einen entscheidenden Einfluß auf Abschluß und Gestaltung seines Anstellungsvertrages ausüben als auch verhindern, daß Weisungen i. S. eines Direktionsrechts, die ihm nicht genehm sind, erteilt werden, so liegt keinesfalls ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor (vgl. Kunkel aaO, 22, 25).

Dem Umkehrschluß, daß mangels eines durch Kapitalbeteiligung vermittelten beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft regelmäßig ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers anzunehmen ist, kann allerdings in der vom RVA ausgesprochenen Allgemeinheit (vgl. die oben zitierten Entscheidungen) nicht zugestimmt werden. Hat der Gesellschafter keinen solchen bestimmenden Einfluß auf die Gesellschaft, so muß er zwar grundsätzlich hinnehmen, daß ihm durch den Gesellschaftsvertrag oder die Beschlüsse der Gesellschafter Beschränkungen in seiner Geschäftsführung auferlegt werden (§ 37 Abs. 1 GmbH-Gesetz) und daß ihm durch solche Beschlüsse auch positive Anordnungen gegeben werden (Hachenburg aaO § 37 Anm. 3). Indessen genügt für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht schon, daß der zur Dienstleistung Verpflichtete überhaupt an Weisungen irgendwelcher Art gebunden ist. Auch wer sich durch Dienstvertrag zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung als Selbständiger verpflichtet hat, muß grundsätzlich nach § 675 i. V. m. § 665 Satz 1 BGB "Weisungen" des Dienstberechtigten beachten (vgl. Nikisch, Recht der Arbeit, 1960, 1). Deshalb kommt es für die Entscheidung der Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder vertragliche Dienstverpflichtung eines Selbständigen vorliegt, darauf an, welcher Art die Weisungsgebundenheit des zur Dienstleistung verpflichteten Geschäftsführers ist. Besteht sie allein darin, daß der Geschäftsführer in seiner Entscheidungsfreiheit bei bestimmten wichtigeren Geschäften beschränkt ist, ohne zugleich einem - für die persönliche Abhängigkeit ausschlaggebenden - Direktionsrecht des Dienstberechtigten in Bezug auf die Ausführung seiner Arbeit unterworfen zu sein, so ist der Geschäftsführer trotz seiner gesellschaftsrechtlichen Bindung an den - in Beschlüssen konkretisierten - Willen der Gesellschaftermehrheit nicht abhängig beschäftigt.

So wenig somit schon ein nur beschränkter Einfluß des Gesellschafter-Geschäftsführers bei der Beschlußfassung der Gesellschafter, der sich aus seiner geringen Kapitalbeteiligung ergibt), auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dieses Geschäftsführers schließen läßt, so wenig kann allerdings auch der Organstellung des Geschäftsführers schlechthin entnommen werden, daß er selbständig beschäftigt ist. Die gegenteilige Meinung beruft sich vor allem darauf, daß der Geschäftsführer dadurch, daß sein Wille in den Prozeß der Willensbildung der Gesellschaft einbezogen ist, notwendig eine Unternehmerstellung einnimmt (so besonders Dersch in Recht der Arbeit 1951, 212, in der Anmerkung zum Urteil des BSG vom 25. November 1955 in Sozialgerichtsbarkeit 1957, 270, 271 f und in Kaskel-Dersch, Arbeitsrecht 5. Aufl., 28, vgl. ferner Hueck in Anmerkungen zu den Urteilen des BGH vom 16. Dezember 1953 in Recht der Arbeit 1954, 110, 112, des RG vom 18. Juli 1942 in ArbRSlg. Bd. 45, 309, 312, des RAG vom 25. September 1929 in ArbRSlg. Bd. 7, 156, 161 f sowie in Gesellschaftsrecht 9. Aufl., 129 f, 199 und Hueck-Nipperdey, Lehrb. des ArbeitsR 6. Aufl. Bd I, 39 f Note 15 und 79 Note 7; vgl. ferner Nipperdey-Mohnen-Neumann in Staudinger BGB 11. Aufl. Bd. II, 3. Teil Vorbem. vor § 611 Anm. 204; Hachenburg , GmbH-Gesetz, 6. Aufl. § 35 Anm. 44 sowie RGZ 120, 300, 302 f; BGHZ 10, 187, 190 f; 12, 1, 5 ff). Vielfach werden hierbei Rechtsfolgen, die für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften gelten (vgl. die oben zitierten Entscheidungen), ohne weiteres auf die Rechtsstellung von GmbH-Geschäftsführern übertragen. Das erscheint nicht unbedenklich, da das Gesetz (vgl. § 70 Abs. 1 AktG) dem Vorstand einer Aktiengesellschaft eine wesentlich selbständigere Stellung als dem Geschäftsführer einer GmbH einräumt. Gegen die Auffassung, daß Organmitglieder niemals in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihrer Gesellschaft stehen können, ist vor allem einzuwenden, daß sie die gesellschaftsrechtlich begründete Organstellung des Geschäftsführers nicht deutlich genug von seinem Anstellungsverhältnis gegenüber der Gesellschaft trennt (vgl. Kunkel aaO, 22 unter IV). So klar auf der einen Seite, wie bereits dargelegt, die Stellung des GmbH-Geschäftsführers dadurch gekennzeichnet ist, daß er Unternehmer- und Arbeitgeberfunktionen erfüllt, so wenig ist damit auf der anderen Seite über die Bindungen ausgesagt, denen er selbst bei seiner Geschäftsführung im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft unterworfen sein kann. Wie Dersch (Recht der Arbeit 1951, 212) zuzugeben ist, enthält eine solche Vereinigung von Organmitgliedschaft und Arbeitnehmertum in einer Person "wesensmäßige funktionelle Gegensätze". Doch müssen solche Spannungen nicht zu unlösbaren Interessenkollisionen führen, die es ausschließen würden, daß beide Funktionen von der gleichen Person wahrgenommen werden. Wie das schon erwähnte Beispiel der leitenden Angestellten zeigt, die vielfach wie die gesetzliche Vertretung ausübenden Organmitglieder zur Arbeitgeberseite gerechnet werden, andererseits aber unstreitig abhängig Beschäftigte sind, läßt die Rechtsordnung es zu, daß dieselbe Person zum Teil Arbeitgeber- und zum Teil Arbeitnehmerfunktionen erfüllt.

Ob der Geschäftsführer in einem freien Dienstverhältnis oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft steht, kann der aus dem Anstellungsvertrag, erforderlichenfalls unter Heranziehung der näheren Umstände seiner Tätigkeit, entnommen werden. Ergibt sich hieraus, daß der Geschäftsführer einem Direktionsrecht - sei es der Gesamtheit der Gesellschafter, sei es, was zulässig wäre, eines Aufsichtsrats (vgl. Scholz aaO § 37 Anm. 4) - unterworfen ist, so liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Hierbei ist nicht entscheidend, ob der Geschäftsführer bei seinen Sachentscheidungen im Rahmen der Geschäftsführung bestimmten Beschränkungen unterliegt, zB für bestimmte wichtigere Maßnahmen die Genehmigung der Gesellschafter einholen muß. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Geschäftsführer "im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann", wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch die Selbständigkeit des Handelsvertreters unter Verwertung eines allgemeinen Rechtsgedanken umschreibt (vgl. dazu Hueck/Nipperdey, Lehrb. des Arbeitsrechts 5. Aufl. 40 Note 15 am Schluß) oder ob er einem "Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung" umfassenden Weisungsrecht unterliegt BGHZ 10, 190).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen beurteilt, erweist sich das Anstellungsverhältnis des verstorbenen Beigeladenen J. als ein unabhängiges Dienstverhältnis. Aus seinem Anstellungsvertrag i. V. m. der Satzung der Gesellschaft geht hervor, daß er die Genehmigung der Gesellschafter für bestimmte Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung - zB Erwerb und Veräußerung von Grundstücken - einzuholen hatte, zur Einhaltung der besonderen Geschäftsanweisungen auf Grund von Gesellschafterbeschlüssen verpflichtet war und sich über Angelegenheiten grundsätzlicher Art vor ihrer Durchführung mit den Gesellschaftern "zu verständigen" hatte. Diese Beschränkungen grenzten nur die Sachentscheidungsbefugnis des Beigeladenen ein, so daß auf sich beruhen kann, ob diese Beschränkungen, wie die Klägerin geltend gemacht hat, praktisch kaum in Erscheinung getreten sind, der Beigeladene vielmehr als Hauptgläubiger der Gesellschaft und als der sachkundige Fachmann die Geschäfte der Gesellschaft im wesentlichen nach eigenem Gutdünken geführt hat. Jedenfalls unterlag der Beigeladene nach seinem Dienstvertrag keinen Beschränkungen, soweit es sich um Gestaltung und Ausführung seiner Arbeit, insbesondere in Fragen der Arbeitszeit, handelte; unstreitig entsprach auch die tatsächliche Durchführung des Vertrages dieser Vereinbarung.

Demnach war der verstorbene Beigeladene J. in der Angestelltenversicherung in der Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1952 nicht versicherungspflichtig. Insoweit waren das angefochtene Urteil und die Beitragsbescheide der beklagten Krankenkasse aufzuheben.

Soweit das angefochtene Urteil auf irrevisiblem Recht beruht, mußte die Revision zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE 13, 196 (LT3-5)

BSGE, 196

NJW 1961, 1134

NJW 1961, 1134 (LT5)

RegNr, 1303

BlStSozArbR 1961, 158 (LT5)

DOK 1961, 569 (LT5)

AP § 165b RVO (LT5), Nr 1

Die Beiträge 1961, 212 (LT1-5)

Dienstbl BA C SozVers/§ 165 RVO (Nr 711), (ST1-2, LT1)

EzS, 130/21

MDR 1961, 632

SGb 1962, 87 (LT5)

SozR § 1 AVG aF (LT3-5), Nr 5

WA 1962, 88 (LT1-5)

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