Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. Dringlichkeit betrieblicher Erfordernisse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die auf die Mißbrauchskontrolle beschränkte Überprüfung organisatorischer Unternehmerentscheidungen (Vergleiche BAG, Urteil vom 30.4.87, 2 AZR 184/86 = BAGE 55, 262 = AP Nr 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) macht es nicht entbehrlich, jedenfalls gerichtlich zu prüfen, ob die Organisationsänderung eine Beendigungs- oder Änderungskündigung unvermeidbar macht, oder ob das geänderte unternehmerische Konzept nicht auch durch andere Maßnahmen verwirklicht werden kann (im Anschluß an BAG, Urteil vom 7.12.78, 2 AZR 155/77 = BAGE 31, 157 = AP Nr 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

2. Wenn der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung unter Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen hat, ist der Arbeitgeber nicht aufgrund des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Es bleibt dahingestellt, ob entsprechend § 102 Abs 5 BetrVG ein Beschäftigungsanspruch dann besteht, wenn der Betriebsrat einer mit der Änderung der Arbeitsbedingungen verbundenen Versetzung oder Umgruppierung widersprochen hat, die Zustimmung nicht ersetzt ist und es dem Arbeitgeber auch verwehrt ist, die Maßnahmen vorläufig durchzuführen.

 

Normenkette

BGB § 611; KSchG §§ 1-2; BetrVG § 102 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 08.03.1989; Aktenzeichen 5 Sa 95/88)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.09.1988; Aktenzeichen 12 Ca 111/88)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung und um einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits.

Die Klägerin ist seit dem 29. Januar 1973 bei der Beklagten als Packerin im Einschichtbetrieb arbeitstäglich in der Zeit von 6.00 - 16.45 Uhr tätig. Die Klägerin ist verheiratet und hat ein vierjähriges Kind, das während ihrer Arbeitszeit einen Kindergarten besucht und dort bis spätestens 18.00 Uhr abzuholen war. Ihr berufstätiger Ehemann nahm an einer vom 7. März 1988 bis 31. Juli 1989 dauernden Fortbildungsmaßnahme teil, welche montags, dienstags, donnerstags und alle 14 Tage mittwochs in der Zeit von 17.30 Uhr bis 20.45 Uhr stattfand. Nach einem ärztlichen Attest vom 6. April 1988 ist eine Tätigkeit der Klägerin außerhalb der Öffnungszeiten des Kindergartens für die Entwicklung ihres Kindes ungünstig.

Wegen eines von ihr erwarteten höheren Produktionsaufkommens führte die Beklagte in der Abteilung, in welcher die Klägerin beschäftigt ist, eine zweite Schicht für die Zeit von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr ein, die als Wechselschicht mit der Frühschicht durchgeführt wird. Nach dem Führungskonzept der Beklagten soll die personelle Zusammensetzung von Fertigungsgruppen gewahrt werden, um den Mitarbeitern stets denselben Vorgesetzten als Ansprechpartner zu geben.

In der Abteilung der Klägerin war auch die Arbeitnehmerin K als Packerin tätig. Diese bat die Beklagte, nur in der Spätschicht beschäftigt zu werden. Vier weitere Arbeitnehmer in der Abteilung der Klägerin werden ausschließlich in der Frühschicht mit Pack- und Transportarbeiten beschäftigt.

Da die Klägerin allein in der Frühschicht arbeiten wollte, unterrichtete die Beklagte mit Schreiben vom 16. Februar 1988 ihren Betriebsrat über die beabsichtigte ordentliche Änderungskündigung der Klägerin. Der Betriebsrat erklärte in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 1988, er gebe dazu keinen Kommentar ab.

Mit Schreiben vom 24. Februar 1988 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 1988 und bot ihr gleichzeitig dessen Fortsetzung in Wechselschicht zu sonst unveränderten Arbeitsbedingungen an. Die Klägerin hat die Änderung der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Sie hat vorgetragen, der geplanten Erhöhung der Produktionsmenge könne bereits durch die Einführung einer zweiten Schicht entsprochen werden. Die Beklagte habe die Notwendigkeit der Wechselschicht nicht dargelegt.

Es sei auch möglich, ihren besonderen familiären Umständen Rechnung zu tragen und ihre Arbeitszeiten unter Berücksichtigung des Wohles ihres Kindes einzurichten. Sie könne weiterhin nur in der Frühschicht beschäftigt werden, denn die in ihrer Abteilung arbeitende Arbeitnehmerin K wolle ausschließlich in der Spätschicht tätig sein. Auch zeige der Umstand, daß vier Arbeitnehmer ständig nur in der Frühschicht oder Spätschicht beschäftigt würden, daß dies organisatorisch möglich sei. Die Beklagte könne ihr Führungskonzept auch durch Bildung von Schichtbesetzungen verwirklichen, die bei grundsätzlich bestehender Wechselschicht nur in Früh- oder Spätschicht arbeiteten.

Schließlich sei die Anhörung des Betriebsrates fehlerhaft. Die Beklagte habe diesem nicht die Notwendigkeit der Einführung der Wechselschicht dargelegt. Die Veränderung der Arbeitszeit stelle zudem für sie eine Versetzung dar. Eine Unterrichtung des Betriebsrates darüber sei jedoch nicht erfolgt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der

Parteien durch die Änderungskündigung der Be-

klagten vom 24. Februar 1988 nicht wirksam

verändert oder aufgelöst worden sei, sondern

unverändert fortbestehe;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu

unveränderten Arbeitsbedingungen in der Früh-

schicht weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, die Einrichtung einer Wechselschicht sei über die Einführung einer zweiten Schicht hinaus aus personellen Gründen notwendig. Ihr sei es nicht möglich, Arbeitnehmer zu finden, die ausschließlich in der Spätschicht arbeiten wollten.

Auch die betriebliche Übung spreche für die Einrichtung einer Wechselschicht. Seit 20 Jahren würden im Falle einer zweiten Schicht die Arbeitnehmer abwechselnd in Früh- und Spätschicht beschäftigt. Gründe, gerade in der Abteilung der Klägerin davon abzuweichen, seien nicht erkennbar. Dies würde auch nicht dem Interesse der übrigen 150 Arbeitnehmer entsprechen. Eine abweichende Gestaltung des Schichtplanes im Einzelfall sei mit ihrem Führungskonzept nicht vereinbar.

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört und über die familiäre Situation der Klägerin unterrichtet worden. Vor der schriftlichen Anhörung habe der Personalleiter der Beklagten mit dem Betriebsratsvorsitzenden über die geplanten Kündigungen gesprochen. Die Teilnahme des Ehemannes der Klägerin an einer Fortbildungsmaßnahme sei ihr überhaupt nicht bekannt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, soweit die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt worden ist. Im übrigen war sie zurückzuweisen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates gewahrt seien, denn die Änderungskündigung sei jedenfalls sozial nicht gerechtfertigt. Es fehle an "dringenden" betrieblichen Erfordernissen, die eine Umsetzung der Klägerin rechtfertigen könnten. Der Einführung der Wechselschicht liege zwar eine nur beschränkt nachprüfbare Unternehmerentscheidung der Beklagten zugrunde. Dies gelte jedoch nicht für den Wunsch der Beklagten, die Arbeitszeit der Klägerin nach der Arbeitszeit anderer Mitarbeiter so auszurichten, daß diese immer den gleichen Vorgesetzten als Ansprechpartner hätten.

Eine organisatorische Maßnahme sei nur die Übertragung bestimmter Aufgaben auf eine Abteilung oder Fertigungsgruppe, nicht jedoch die Zuteilung einzelner Mitarbeiter zu einer bestimmten Gruppe. Eine Ausnahme hätte allenfalls dann vorliegen können, wenn ohne die von der Beklagten gewünschte Zuordnung von Mitarbeitern die Durchführung der Wechselschicht verhindert würde. Vorliegend sei die Beklagte jedoch auch bei Verbleiben der Klägerin in der Frühschicht an der Einrichtung eines Zweischichtenbetriebes nicht gehindert, denn zumindest eine mit der Klägerin vergleichbare Mitarbeiterin wolle ausschließlich in der Spätschicht beschäftigt werden. Wie ferner zu berücksichtigen sei, handele es sich bei der Klägerin nicht um eine besonders qualifizierte Arbeitskraft, deren Tätigkeit auf die anderen Mitarbeiter besonders abgestimmt sein müsse.

Die zumindest im vorliegenden Fall gebotene Interessenabwägung falle zugunsten der Klägerin aus. Einerseits seien ihre besonderen familiären Verhältnisse zu beachten. Andererseits sei die Beklagte auch bei Beibehaltung der Arbeitszeiten der Klägerin grundsätzlich nicht an der Verwirklichung ihrer Unternehmerentscheidung gehindert.

B.I. Das angefochtene Urteil hält hinsichtlich der Frage der Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Es fehlte vorliegend zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an der Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse, die eine Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin hätten rechtfertigen können.

a) Für die Änderungskündigung nach § 2 KSchG, deren Änderungsangebot die Klägerin unter Vorbehalt angenommen hat, müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigungen zunächst die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3 KSchG vorliegen. Hierbei ist die soziale Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung zu überprüfen, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist (vgl. BAGE 10, 288, 294 = AP Nr. 10 zu § 620 BGB Änderungskündigung, mit insoweit zust. Anm. von A. Hueck; BAGE 25, 213, 219 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung, zu II 2 b der Gründe; BAGE 38, 348, 352 = AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969, zu I 2 der Gründe; KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 85 f.; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 2 Rz 31).

b) Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers demzufolge daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (BAG Urteile vom 20. März 1986 - 2 AZR 294/85 - AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, zu IV 3 a der Gründe und vom 30. Oktober 1987 - 7 AZR 659/86 -, zu II 2 der Gründe, nicht veröffentlicht).

aa) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG können dann vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts für den bisherigen Einsatz entfällt (BAGE 28, 131, 133 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 der Gründe; BAGE 31, 157, 161 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 a der Gründe). Liegt eine solche unternehmerische Entscheidung vor, so ist diese selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung und ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (BAGE 31, 157, 162 = AP, aa0, zu II 1 b der Gründe; BAGE 32, 150, 155 = AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 der Gründe; BAGE 55, 262, 270 ff. = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu III 2 b, c der Gründe). Diese beschränkte Überprüfung ändert nichts an der Darlegungslast des Arbeitgebers, substantiiert zu schildern, daß die Durchführung des unternehmerischen Organisationsaktes zu einem Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit führt.

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Beklagte zwar nur beschränkt nachprüfbare unternehmerische Entscheidungen getroffen. Zur Umsetzung dieser Entscheidungen auf die Einsatzmöglichkeit der Klägerin war jedoch unter Zugrundelegung der Sachlage zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Änderungskündigung nicht dringend erforderlich.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, stellt die Einführung von zwei Arbeitsschichten eine organisatorische unternehmerische Entscheidung der Beklagten dar, die zu einer Änderung der bisherigen Arbeitszeiten im Betrieb geführt hat. Es hat jedoch nicht beachtet, daß die Anordnung der Beklagten, vom Personalbestand her gleichbleibende Arbeitnehmergruppen zu bilden, die jeweils dem gleichen Vorgesetzten als Ansprechpartner zugeordnet werden sollten und die demzufolge abwechselnd in der Früh- und in der Spätschicht tätig sein sollten, ebenfalls eine allgemeine - und nicht speziell auf die Klägerin bezogene - organisatorische Maßnahme war, die auch nur einer beschränkten Kontrolle durch die Arbeitsgerichte zu unterziehen ist. Dieser Unternehmerentscheidung liegen auch keine sachwidrigen oder willkürlichen Erwägungen zugrunde, denn die Beklagte wollte durch dieses Führungskonzept der Bildung von gleichbleibenden Arbeitsgruppen die Produktivität und die Effizienz erhöhen.

b) War in Ausführung dieser organisatorischen unternehmerischen Grundentscheidungen die beabsichtigte Zuordnung der Klägerin zu einer festen Arbeitsgruppe an sich geeignet, das unternehmerische Konzept zu verwirklichen, so fehlt es vorliegend gleichwohl an der Dringlichkeit, sie durch eine Änderungskündigung durchzusetzen. Wie der Senat mehrfach (Urteil vom 7. Dezember 1978 - 2 AZR 155/77 - BAGE 31, 157, 162 f. = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 c der Gründe; Urteil vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 der Gründe) entschieden hat, sind betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung, die sich aus innerbetrieblichen (Unternehmerentscheidung) oder außerbetrieblichen Gründen ergeben, nur dann dringend, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch die Kündigung zu entsprechen. Hierin liegt keine verdeckte Überprüfung der freien unternehmerischen Organisationsentscheidung, sondern durch das Erfordernis der Dringlichkeit wird dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen (so richtig: Wank, RdA 1987, 129, 136). Trotz der Bindung an die Entscheidung der Unternehmensleitung ist vom Gericht zu kontrollieren, ob nur der Entschluß zur Kündigung in den Rahmen der (umgestaltenden Betriebsorganisation) paßt oder ob diese nicht auch ohne Kündigung verwirklicht werden kann (Reuter, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Es ist danach nicht ausreichend, daß die dem unternehmerischen Grundkonzept entsprechende Maßnahme an sich geeignet ist, den erstrebten Zweck zu erreichen, es muß vielmehr unter mehreren geeigneten Mitteln dasjenige gewählt werden, das den Betroffenen am wenigsten belastet (vgl. U. Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts im Arbeitsverhältnis, S. 265 f.).

b) Eine derartige Zwangslage zur Änderungskündigung hat vorliegend nicht bestanden.

aa) Wie sich aus der Praxis der Beklagten nach Einführung der Wechselschicht ergibt, geht sie selbst nicht davon aus, ihr unternehmerisches Ziel könne ausnahmslos nur durch die Bildung fester Fertigungsgruppen realisiert werden, denn sie selbst hat unstreitig in vier Fällen Ausnahmen davon gemacht.

bb) Da die Klägerin sich wegen des Kindergartenbesuchs ihres Kindes und des sich damit überschneidenden Lehrgangsbesuchs ihres Ehemannes in einer Zwangslage befand, hätte die Beklagte, die auch in vier anderen Fällen durch personelle Ausnahmeregelungen ihr Konzept nicht gefährdet sah, die Klägerin jedenfalls vorübergehend in der Frühschicht belassen und gleichwohl ihr neues Konzept beibehalten können, weil eine Arbeitnehmerin bereit war, nur in der Spätschicht zu arbeiten. Diese unstreitig bestehende Bereitschaft widerlegt den Vortrag der Beklagten, es sei nicht möglich, Arbeitnehmer zu finden, die ausschließlich in der Spätschicht arbeiten wollten. Im Rahmen dieser Prüfung ist zusätzlich die weitere Erwägung des Landesarbeitsgerichts bedeutsam, daß die Klägerin keine besonders qualifizierte Kraft war, deren Tätigkeit auf die anderen Mitarbeiter hätte immer abgestimmt werden müssen.

c) Da sich die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung bereits aus dem Fehlen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses ergibt, braucht nicht auf die vom Senat im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich abgelehnte (Urteil vom 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 - BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) allgemeine Interessenabwägung zurückgegriffen zu werden.

II. 1. Wie sich insbesondere aus dem Urteil des Arbeitsgerichts ergibt, auf das das Berufungsgericht insoweit verwiesen hat, macht die Klägerin mit dem Antrag zu 2) den allgemeinen vertraglichen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend, der nach den vom Großen Senat im Beschluß vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) aufgestellten Voraussetzungen auch für die Dauer eines Kündigungsrechtsstreits weiter besteht.

Wegen Fehlens eines insoweit ausreichenden Sachvortrags der Klägerin kann deswegen vorliegend nicht geprüft werden, ob in entsprechender Anwendung des § 102 Abs. 5 BetrVG auch bei einer Änderungskündigung dann ein betriebsverfassungsrechtlich begründeter Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen mit einer Umgruppierung oder Versetzung des Arbeitnehmers verbunden ist und dazu die Zustimmung des Betriebsrats fehlt und auch nicht ersetzt ist und es dem Arbeitgeber auch verwehrt ist, die Maßnahmen vorläufig durchzuführen (so KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 199 d; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl. § 102 Rz 285).

2. Der Klägerin steht ein vertraglicher Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung nicht zu. Soweit das Berufungsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache durch Zurückweisung der Berufung bestätigt hat, war es aufzuheben und die Klage insoweit unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

a) Wie der Senat bereits im Urteil vom 28. März 1985 (- 2 AZR 548/83 - AP Nr. 4 zu § 767 ZPO; ebenso Urteil des Siebten Senats vom 27. März 1987 - 7 AZR 790/85 - AP Nr. 20 zu § 2 KSchG 1969) entschieden hat, ist der Arbeitnehmer auch bei einer Annahme des Änderungsangebotes unter Vorbehalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren zur Weiterarbeit zu den geänderten Arbeitsbedingungen verpflichtet. Diese Rechtsprechung berücksichtigt Sinn und Zweck der §§ 2, 4, 8 KSchG. Danach muß nämlich der Arbeitnehmer, der die geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt annimmt, die entsprechende Änderungsklage ebenfalls innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG einreichen (§ 4 Satz 2 KSchG). Es ist daher eine gerichtliche Feststellung erforderlich, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, wobei eine solche Entscheidung rechtskräftig sein muß. Davon ging der Gesetzgeber aus, wenn in § 8 KSchG auf die gerichtliche Feststellung nach § 2 KSchG abgestellt wird. Denn im Rahmen der Neufassung des § 8 KSchG durch das 1. Arbeitsbereinigungsgesetz sah der Entwurf der Bundesregierung vom 24. Februar 1969 (BT-Drucks. V/3913) zunächst vor, bei Feststellung der Sozialwidrigkeit der geänderten Arbeitsbedingungen sollten erst ab Rechtskraft dieser Entscheidung für das Arbeitsverhältnis wieder die Bedingungen gelten, welche vor der Vertragsänderung bestanden (§ 6 a Abs. 1 Regierungsentwurf). Erst im Verlaufe der Gesetzgebungsberatung (vgl. Stellungnahme des Bundesrats - BT-Drucks. V/3913 S. 14) ist es dann zu der jetzigen Regelung gekommen, wonach im Falle der sozial ungerechtfertigten Änderung der Arbeitsbedingungen die Änderungskündigung von Anfang an als rechtsunwirksam mit der Folge angesehen wird, daß der Arbeitgeber einen Ausgleich auf der Basis der "alten Arbeitsbedingungen" schuldet. Unausgesprochen geht der Gesetzgeber damit - wie schon der ursprüngliche Gesetzentwurf - von einer rechtskräftigen Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen aus. Das entspricht auch der in der arbeitsrechtlichen Literatur einhelligen Meinung (vgl. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 2 Rz 30; von Hoyningen-Huene, Kündigungsvorschriften im Arbeitsrecht, § 2 KSchG Anm. 3; KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 158 a, m. w.N.; ebenso wie KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 474 sowie KR-Rost, aa0, § 8 KSchG Rz 1 und 2.

b) Daraus ist in der arbeitsrechtlichen Literatur gefolgert worden, im Hinblick auf die geforderte Rechtskraft der Entscheidung zur Änderungskündigung sei ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Arbeitsbedingungen ausgeschlossen (so LAG München, Urteil vom 31. Juli 1986 - 7 Sa 23/86 - DB 1987, 1099; KR-Rost, aa0, § 2 KSchG Rz 158 a; Bauer, Rechtliche und taktische Konsequenzen des Weiterbeschäftigungsanspruchs, BB 1986, 799, 800; Schäfer, Konsequenzen der Weiterbeschäftigungsentscheidung des Großen Senats, NZA 1985, 691, 692; Färber/Kappes, Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses, NZA 1986, 215, 222; anderer Auffassung Ratajzak, Die Änderungskündigung des Arbeitgebers, 1984, S. 101). Da in einem solchen Fall kein Streit mehr über den Fortbestand, sondern nur noch über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses besteht, stellt sich das Problem eines Weiterbeschäftigungsanspruchs - wie bei umstrittenem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses - nicht.

c) Diese Rechtslage ist auch nicht anders zu beurteilen im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Der vom Großen Senat anerkannte Weiterbeschäftigungsanspruch regelt allein die Folgen einer Beendigungskündigung für die Dauer eines Bestandsstreites. Der Große Senat hat den Weiterbeschäftigungsanspruch letztlich aus der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers hergeleitet. Diese Argumentation greift dann nicht, wenn im Falle einer Änderungsschutzklage der Arbeitnehmer die geänderten Bedingungen unter Vorbehalt angenommen hat. Denn hier wird der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich weiterbeschäftigt - wenn auch zu anderen Arbeitsbedingungen. Den Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers ist damit zunächst gedient. Nach Rechtskraft der Entscheidung zu §§ 2, 8 KSchG sind ihm ohnehin wieder im Falle des Obsiegens die "alten Arbeitsbedingungen" zu gewährleisten.

Hillebrecht Bitter Dr. Ascheid

Wisskirchen Rupprecht

 

Fundstellen

BAGE 64, 24-33 (LT1-2)

BAGE, 24

BB 1990, 1843

BB 1990, 1843-1845 (LT1-2)

DB 1990, 1773-1775 (LT1-2)

SteuerBriefe 1991, 102-102 (K)

EBE/BAG 1990, 117-119 (LT1-2)

BetrVG, (22) (LT1-2)

ARST 1990, 141-142 (LT1)

ARST 1990, 161-162 (LT2)

NZA 1990, 734-736 (LT1-2)

RdA 1990, 312

RzK, I 10i Nr 30 (LT2)

RzK, I 7a 18 (LT1-2)

SAE 1991, 11-15 (LT1-2)

ZTR 1990, 483 (LT1-2)

AP § 2 KSchG 1969 (LT1-2), Nr 27

AR-Blattei, ES 1020.1.1 Nr 10 (LT1-2)

AR-Blattei, Kündigungsschutz IA Entsch 10 (LT1-2)

EzA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung, Nr 65 (LT1-2)

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